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In „Zoe & Sturm“ schildert Christian Duguay, wie eine Jugendliche, die auf einem Gestüt lebt, einen traumatischen Unfall zu bewältigen versucht.

Zoe & Sturm (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Coming of Age von Pferd und Mensch

Die Faszination junger Menschen für Pferde wird seit vielen Dekaden auch medial aufgegriffen und befeuert, etwa in Jugendromanen, Zeitschriften wie Wendy und natürlich in Hörspielen, TV-Serien und Filmen, vom Klassiker „Die Mädels vom Immenhof“ (1955) über das Hollywood-Familiendrama „Dreamer – Ein Traum wird wahr“ (2005) bis hin zu den aktuellen, höchst erfolgreichen Reihen „Bibi & Tina“ und „Ostwind“.

Mit Christian Duguays Zoe & Sturm liegt nun ein französischer Beitrag vor. Um die enge Bindung zwischen der menschlichen Protagonistin Zoé zu den Tieren zu verdeutlichen, beginnt das Werk mit zwei parallel an einem Ort stattfindenden Geburten: Während eine Stute im Gestüt des Ehepaars Philippe (Pio Marmaï) und Marie (Mélanie Laurent) in der Normandie ein Fohlen zur Welt bringt, setzen auch bei der schwangeren Marie überraschend die Wehen ein, sodass die kleine Zoé im Stall geboren wird.

Als 12-Jährige (verkörpert von Charlie Paulet) ist Zoé eine begeisterte und mutige Reiterin. Doch als es in einer schicksalhaften Nacht zu einem Unfall kommt, ist Zoé querschnittsgelähmt – und glaubt, nie wieder reiten zu können. Obendrein ist sie derart traumatisiert, dass sie sich von den geliebten Pferden entfernt. Der Film nimmt sich Zeit, die emotionale Lage der Hauptfigur zu beleuchten – und lässt gar mehrere Jahre vergehen, ehe sich Zoé imstande fühlt, neue Kraft zu schöpfen. Als 17-Jährige (jetzt gespielt von Carmen Kassovitz) wagt sich Zoé wieder in den Sattel, während ihre Eltern fürchten, dass das Gestüt in den Konkurs rutscht.

„Wir alle überstehen das“, meint Marie an einer Stelle zu ihrer Tochter – und dieser Satz mutet nicht kitschig an, sondern hat etwas angenehm Bodenständig-Kämpferisches. Zoe & Sturm vermeidet Sentimentalität und lässt sich ganz auf seine Figuren und deren Konflikte ein. Hinzu kommt eine solide Umsetzung der Geschichte, die auf der Graphic Novel Tempête au haras des Autors Christophe Donner und des Illustrators Jérémie Moreau basiert.

Der frankokanadische Regisseur Christian Duguay (Jahrgang 1956) war einst selbst in seiner Heimat Juniormeister im Springreiten. Er hat unter anderem den Science-Fiction-Thriller Screamers – Tödliche Schreie (1995) in Szene gesetzt, konnte mit Jappeloup – Eine Legende (2013) aber auch schon Erfahrung im Bereich des Pferdefilms sammeln und widmete sich zudem in den vergangenen Jahren diversen Jugendstoffen wie Sebastian und die Feuerretter (2015). In Zoe & Sturm zeigt er, dass er ein Gespür für Dramatik und Spannung besitzt. So ereignet sich etwa das finale Pferderennen bei einem heftigen Wolkenbruch – ebenso wie sich andere Momente zuvor bei starkem Gewitter zutragen. Der titelgebende Sturm (der zugleich der Name eines der Pferde ist) wird somit in gebührender Weise als Leitmotiv präsentiert.

Gelungen ist außerdem, dass hier nicht nur die adoleszente Heldin und das tierische Umfeld fein gezeichnet sind, sondern auch die erwachsenen Figuren, die im Kinder- und Jugendkino recht häufig lediglich als Karikaturen in Erscheinung treten. Neben den von Pio Marmaï und Mélanie Laurent empathisch gespielten Eltern von Zoé trifft dies insbesondere auf den Pferdetrainer Sébastien zu, dessen Neurodivergenz von Kacey Mottet Klein (Mit Siebzehn) feinfühlig interpretiert wird.

Zoe & Sturm (2022)

Unbeirrbar hat sich die 12-jährige Zoé ein Leben auf dem Rücken von Sturm in den Kopf gesetzt. Sie und ihre ungestüme, über alles geliebte Stute sind schließlich in derselben Nacht, direkt nebeneinander, zur Welt gekommen und längst unzertrennlich. Doch als eines Abends ein heftiges Unwetter über das Gestüt am Meer hereinbricht, wird Zoé beim Versuch, Sturm und die anderen Pferde aus ihren Ställen zu befreien, so schwer verletzt, dass sie nie wieder ihre Beine gebrauchen und, wie es aussieht, nie wieder reiten kann.

Während Zoé auch seelisch paralysiert ist, rutscht das Gestüt ihrer Eltern zusehends in den Konkurs. Ihr Vater, ein begnadeter Trabrennjockey, hat ihrer aller Lebenstraum einem reichen Amerikaner ausgeliefert, der sich nun, von Gewinnsucht gepackt, Rennen für Rennen mit den Zuchtpferden an der Wettbörse verspekuliert. Doch angesichts von Zoés Leid können ihre Eltern unmöglich aufgeben. Am Tiefpunkt angelangt, finden sie behutsam zu dritt zueinander und zu neuer Vertrautheit. Zoé kämpft sich ins Leben zurück, um mit „Sturm“, die stets treu bei ihr war, das Unmögliche doch noch zu wagen: ein Leben als weiblicher Jockey. (Quelle: Verleih)

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