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Ein Regisseur ringt mit seinem nächsten Film und verliebt sich Hals über Kopf in den falschen Mann. Wie dieser am Ende doch noch zum Mr. Right werden könnte, zeigt Simon Amstell in seinem höchst amüsanten Spielfilmdebüt.

Benjamin (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs

Über die Peinlichkeiten missglückter Annäherungsversuche ließen sich ganze Romane schreiben. Allzu gern denken Männer ja, wenn sie sich beim Flirten abweisend bis aggressiv verhielten, sei das sexy. Abweisend bis aggressiv ist in Simon Amstells Spielfilmdebüt aber zur Abwechslung einmal nur eine Frau. Zum Glück interessiert sich sein (Anti-)Held für Männer. Von Selbstzweifeln geplagt, redet er sich bei jedem Flirt um Kopf und Kragen. Das ist witzig, irgendwie auch ziemlich niedlich und natürlich nicht das Einzige, worum es in diesem tragikomischen Liebesfilm geht.

Eine dieser ungelenken Anmachen unternimmt der Filmregisseur Benjamin (Colin Morgan) während einer Vernissage. Als er den Sänger Noah (Phénix Brossard) auf der Bühne erblickt, vor allem aber dessen traumhafte Stimme vernimmt, ist es um Benjamin geschehen. Eigentlich ist Noah für Benjamin viel zu jung, doch genau sein Typ. Benjamins bester Freund Stephen (Joel Fry) stichelt schon. „Du magst eben gut ausgeleuchtete Schwächlinge“, sagt er. Sein Kommentar wird nur von Benjamins hypernervösem Smalltalk getoppt. Da ist doch allen Ernstes von seiner „Liebesunfähigkeit“ die Rede und von einem geplanten Musical über Depressionen. Kein guter Start, um ein fremdes Herz zu erobern.

Wider Erwarten kommt Benjamins unbeholfene Art, von Colin Morgan bis in die Haarspitzen klasse verkörpert, bei Noah an. Doch auf Dauer sind dem jungen Franzosen, dessen angedachte Musikkarriere gerade ins Stocken geraten ist, die Neurosen des älteren Engländers, dessen Filmkarriere schon lange feststeckt, zu anstrengend. Auf einige wundervoll intime Momente der Zweisamkeit und ein paar Momente grausamer Peinlichkeit folgt die erneute Einsamkeit.

Der 1979 im englischen Essex geborene Simon Amstell ist als Comedian, Fernsehmoderator, Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler tief in der britischen Unterhaltungsbranche und Kulturindustrie verwurzelt. Seinen Titelhelden hat Amstell innerlich wie äußerlich nach seinem Vorbild geformt. Benjamin ist ein unabhängiger Filmemacher, der nun schon sieben Jahre mit seinem zweiten Spielfilm ringt. Dabei zieht er die Liebe des Publikums einer privaten Liebesbeziehung vor und verwechselt prätentiöses Geschwurbel mit guter Kunst.

Benjamins zweiter, zu Beginn der Handlung noch unvollendeter Film trägt den bezeichnenden Titel „No Self“ und eröffnet dem Debütanten Simon Amstell ein amüsantes Spiel mit Erzählebenen. Weil Benjamins Werke nicht nur von ihm selbst und seinen missglückten Beziehungen handeln, sondern er sich auch gleich selbst spielt, steigt Amstells Liebeskomödie mit einer Szene aus dem Film im Film ein. Die darin zur Schau gestellte gekünstelte Überhöhung findet wiederum in zahlreichen Ausflügen in den Kunstbetrieb ihre Fortsetzung. Amstell hat nicht nur einen (be-)rührenden Film über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Liebe, sondern auch einen bissigen über die Selbstgefälligkeit und Selbstüberschätzung des Kulturbetriebs gedreht.

Das Getöse all jener, die sich für große Künstler*innen halten, in Wahrheit aber nur aufgeblasene Möchtegerns sind, bildet in diesem Film aber nur die Begleitmusik. Im Zentrum steht die Liebe, die zwischen den Liebhabern Benjamin und Noah und die zwischen den Freunden Benjamin und Stephen. Deren Sehnsüchte spiegeln sich, Verhaltensmuster und Handlungen wiederholen sich. Nach beruflichen Tiefschlägen bricht erst Benjamin, später Stephen zusammen. Statt sich gegenseitig beizustehen, weichen die Freunde einander peinlich berührt aus. Auch davon erzählt Simon Amstell, von der Unfähigkeit, seine Gefühle in Worte zu fassen, von der Unfähigkeit, die Gefühle anderer wahrzunehmen, und von der Unfähigkeit, man selbst zu sein. Das Bild, das einer wie Benjamin oder Stephen in der Öffentlichkeit abgeben, zählt mehr als das, was in ihnen steckt.

Benjamin ist ein völlig unprätentiöser Film über Künstlerseelen und Pseudo-Kunst, über echte und aufgesetzte Gefühle, über den Wunsch, geliebt zu werden, und das Unvermögen zu lieben, über den schönen Schein und das garstige Sein. Dass der Film bei alledem so leichtfüßig daherkommt, ist große Kunst.

Benjamin (2018)

Sieben Jahre hat der ambitionierte Nachwuchsregisseur Benjamin an seinem zweiten Spielfilm gearbeitet und dem Projekt alles andere untergeordnet. „Kein Selbst“ ist ein autobiografisches Drama über Liebe und Einsamkeit, in dem er selbst die Hauptrolle spielt. Am Vorabend der Premiere lernt er in einer Bar den charismatischen französischen Sänger Noah kennen und fühlt sich wie magisch zu ihm hingezogen. Doch als die Uraufführung seines Films am nächsten Tag zum Desaster wird, verschärft sich Benjamins Sinnkrise. Ist er gerade jetzt, wo seine Karriere in den Trümmern liegt, bereit für die wahre Liebe?

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