DTLA (Staffel 1)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Sexy war gestern?

Eine Serie über eine mondäne Clique in Los Angeles? Bei dieser Kurzbeschreibung dürften viele Fernsehzuschauer_innen an die Prime-Time-Soap Beverly Hills 90210 denken, die in ihrer zehnjährigen Laufzeit (1990 bis 2000) eine Gruppe junger, schöner Menschen durch die Highschool, das College sowie die ersten Berufsjahre begleitete. Im Zentrum standen dabei stets die amourösen Beziehungen: Brenda liebte Dylan, der sie mit ihrer besten Freundin Kelly betrog, die sich wiederum später in Brendas Zwillingsbruder Brandon verliebte, der jahrelang von der strebsamen Andrea verehrt wurde – und so weiter. In ihren Charaktereigenschaften unterschieden sich die Hauptfiguren zwar voneinander, doch in zwei Punkten gab es keinerlei Abweichungen: Sie waren allesamt weiß – und allesamt heterosexuell.

Die Clique, die in der von Larry Kennar konzipierten Serie DTLA gezeigt wird, ist in puncto Ethnie sowie in der sexuellen Orientierung ihrer Mitglieder entschieden vielfältiger. Auch hier geht es um Figuren, die sich lieben und helfen, betrügen und verletzen – nur bewegen sie sich dabei nicht in den engen Bahnen der Heteronormativität. Die 2012 entstandene erste (und bisher einzige) Staffel ist sowohl inhaltlich als auch formal gewiss weit weniger ambitioniert als etwa die queere HBO-Dramedy Looking (2014-2015) – dennoch ist das Ganze als Mischung aus soapiness, Humor, Erotik und emotionaler Tiefe ohne Frage sehenswert und ungemein unterhaltsam.

In der Auftakt-Episode findet eine Geburtstagsparty auf einer Dachterrasse in Downtown L.A. statt – und zunächst muss man befürchten, dass hier eine Ansammlung von plastic people präsentiert wird, deren Lifestyle wie in einem Hochglanzmagazin zur Schau gestellt wird. Bald lässt sich aber erkennen, dass diese Figuren, die in knackigen Dialogen über Sex, celebrities und recycelbare Klamotten reden, tatsächlich Individualität besitzen – und dass man ihre Hintergrundgeschichten erfahren möchte.

Als Zuschauer_innen lernen wir die Clique zu einem Zeitpunkt kennen, an welchem sich die Unbeschwertheit bereits aus dem Alltag einiger Figuren entfernt hat. Die College-Ära, die für manche nun schon eine halbe Dekade zurückliegt, sei „a much sexier time“ gewesen, meint SJ (Marshelle Fair) zu ihrem schwulen Freund Kai (Hiro Tanaka). Inzwischen muss sie sich das Scheitern ihrer Ehe mit Norm (William McNamara) eingestehen – während Kai in seinem Job als Lehrer mit einer konservativen Vorgesetzten und einem renitenten Schüler umzugehen versucht. Der Junganwalt Lenny (Darryl Stephens) und der seit einem Jahr arbeitslose Bryan (Matthew Stephen Herrick) führen indes seit sechs Jahren eine Beziehung – Lenny missfällt allerdings das Slackertum seines Partners; zudem glaubt er, dass Bryan ihm untreu ist. Zum DTLA-Personal zählen ferner der jüngere Trey (JC Jones), der als female impersonator auftritt, der machohafte Karrierist Stefan (Ernest Pierce), der wannabe-Schauspieler Matthew (Patrick MacDonald) und der Marine-Kadett Marky (Scott Pretty).

In etlichen Passagen, etwa bei einer zornigen drag performance von Trey, den Diskussionen zwischen Lenny und Bryan oder einer Auseinandersetzung zwischen SJ und Kai, entwickelt die Low-Budget-Produktion eine bemerkenswerte Intensität – trotz holpriger Inszenierung sowie einer Überdosis an melodramatischen Sätzen und Gesten. In buntem Wechsel und mit guter Musik unterlegt, folgen komödiantische Einlagen (wenn SJ und Kai zum Beispiel mit einer rabiaten Security-Frau konfrontiert werden) auf bleeding heart-Momente und freizügige Liebesszenen; zwischendurch werden immer wieder ernste Töne angeschlagen – etwa wenn Geldsorgen behandelt werden oder Lenny beim Besuch seiner Mutter im Krankenhaus gezeigt wird.

Zu den Stärken von DTLA gehören überdies die Gastauftritte. Neben dem amüsanten Nebenpart von Leslie Jordan (bekannt aus der Sitcom Will & Grace) muss hier insbesondere das Spiel von Sandra Bernhard (Roseanne) und Melanie Griffith (Die Waffen der Frauen) als lesbisches Ex-Paar und Mütter-Duo Erwähnung finden. Mit wenigen Strichen – aber hochgradig einnehmend – wird hier eine komplizierte Liebe (zwischen den beiden Frauen sowie zum gemeinsamen Sohn Bryan) gezeichnet. Wenn Sandra Bernhard als durchsetzungsfähige business woman „Not now!“ in ihr Diensttelefon knurrt und ihrem Sprössling anschließend Beziehungstipps gibt oder sich Melanie Griffith als verhuschte Verkäuferin beim Rauchen von ihrer ehemaligen Partnerin ertappt fühlt, sind das wunderbare Situationen einer alternativen Familienserie. Gleiches gilt für eine Sequenz, in welcher ein Abendessen im Kreise von Treys Verwandtschaft in Szene gesetzt wird.

DTLA ist cheesy und großartig, wild und zärtlich, lustig und hochdramatisch, und das alles in erstaunlichem Gleichgewicht. Eine Serie über die erträgliche Schwere des Seins in der Stadt des schönen Scheins – mit Figuren, die man richtig lieb gewinnt.
 

DTLA (Staffel 1)

Eine Serie über eine mondäne Clique in Los Angeles? Bei dieser Kurzbeschreibung dürften viele Fernsehzuschauer_innen an die Prime-Time-Soap „Beverly Hills 90210“ denken, die in ihrer zehnjährigen Laufzeit (1990 bis 2000) eine Gruppe junger, schöner Menschen durch die Highschool, das College sowie die ersten Berufsjahre begleitete.

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