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„Volksverräter“, schimpft Marlene, der Papagei, der bei einem Nazi gelebt hat. Darf der das, fragt Regisseur Christian Werner in seiner hintersinnigen Komödie über politische Korrektheit. Höchst unterhaltsam hält er unserer in Grabenkämpfen verstrickten Gesellschaft den Spiegel vor.

Kommt ein Vogel geflogen (2023)

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Tierisch rechts

Darf ein Papagei „SA marschiert“ rufen? Natürlich, sollte man denken. Das Tier versteht die rechten Parolen ja nicht, die es nachplappert. Und wenn es nun mal bei Nazis gelebt hat und nun ins Tierheim muss, weil seine Besitzer gestorben sind, dann sollte das kein Politikum sein. Wirklich nicht? Auch nicht in unser hochpolarisierten, zwischen Political Correctness und rechtspopulistischen Hasskommentaren zerrissenen Zeit? Regisseur Christian Werner spielt in einer turbulenten Komödie das Gedankenexperiment durch und verpflanzt den ewig gestrigen Vogel in ein sozial engagiertes Milieu, das von missgünstigen Nachbarn, sensationsgeilen Medien und skrupellosen Instrumentalisierern in den Wahnsinn getrieben wird.

Was Zeitgeist heißt, erfährt Tierheim-Leiterin Birgit (Britta Hammelstein), als sie ihre Tochter Sarah (Pola Friedrichs) in der Kita vorbeibringt. Deren Chefin Beyza (Uygar Tamer), die auch für den Bürgermeisterposten kandidiert, fragt, ob Birgit im Tierheim Wahlplakate aufhängen könne. Aber bitte nicht in der Lederjacke, die sie gerade anhat. Denn Beyza wirbt mit dem Slogan „Sozial, vegan, divers, ökologisch“ um Stimmen. Und überhaupt, wie kann sich eine Tierschützerin ein Teil von der geschlachteten Kreatur anziehen? „Ist eigentlich Second Hand“, entschuldigt sich Birgit. Aber das schlechte Gewissen steht ihr ins Gesicht geschrieben.

Dabei hat die engagierte Birgit sowieso schon allerhand um die Ohren. Der amtierende Bürgermeister will das Tierheim schließen, Tochter Sarah stottert massiv und will wegen der daraus folgenden Hänseleien kaum noch in den Kindergarten. Ehemann Nathan (Hans Löw) ist auch keine Hilfe, denn der braucht ewig für seine Doktorarbeit und lässt sich von Birgit durchfüttern. Aber die junge Mutter hat ein großes Herz und zögert keine Sekunde, den Papagei mit nach Hause zu nehmen, als sich herausstellt, dass im Tierheim kein Platz ist. Sehr zur Freude von Tochter Sarah, die sich gleich mit dem Vogel anfreundet und kaum noch stottert, wenn sie mit ihm spricht. Umso größer ist der Schreck, als das Tier, das „Marlene“ heißt, plötzlich „Volksverräter“, „Herrenrasse“ und „Bolschewist“ krächzt. Und dann kommen auch noch Nathans jüdische Eltern zu Besuch.

Regisseur Christian Werner (Irgendwann ist auch mal gut, 2020) und seine Drehbuchautorin Stefanie Fies müssen ihre Charaktere nur ganz leicht zuspitzen, um aus dem Alltag unserer Gesellschaft komische Funken zu schlagen. Da ist zum Beispiel der eloquente Paul (Anton von Lucke), der bei allem und jedem einen propagandistischen Braten riecht, den man dem politischen Establishment unter die Nase reiben könnte. Und da ist der unangenehme Nachbar (Holger Stockhaus), der überall rumschnüffelt, weil er irgendetwas sucht, was er gegen die ungeliebten Leute vom Tierheim verwenden könnte. Ganz zu schweigen von dem übergriffigen Journalisten (Andreas Nickl), der den Pressekodex an der Garderobe abzugeben scheint. Alles Figuren, denen man leider auch in der realen Welt schon begegnet sein könnte, besonders seit die Pandemie eine ganz neue Spezies von Rechthabern und Unbelehrbaren hervorbrachte. Die Vernünftigen sind eindeutig in der Unterzahl. Und sie verhalten sich auffällig leise. 

Aber Kommt ein Vogel geflogen lacht niemanden aus, sondern treibt Verbohrheit und Intoleranz mit sehenswerter Lust an der Situationskomik vor sich her. Immer wilder dreht sich die aberwitzige Spirale aus Sturheit, Verblendung und Peinlichkeiten. Und wenn alles in einem großen Crash zu kollabieren droht, tun der überwiegend dokumentarischen Inszenierung schon mal ein paar poetische Stimmungsbilder zum Durchatmen gut. Das glänzend aufgelegte Schauspielensemble kostet die Turbulenzen voll aus, die nur wegen der politischen Korrektheit auf allen Seiten solche Fahrt aufnehmen. Das ist intelligente Unterhaltung mit Anspruch, die dem Publikum den Spiegel vorhält mit dem dringenden Appell, sich doch mal locker zu machen. Egal, ob bei den missionarischen Veganern, den fadengeraden Bürokraten oder den Gespenster sehenden Rechtspopulisten.

Kommt ein Vogel geflogen (2023)

2021 – Ein NS-Parolen plappernder Papagei stürzt die Familie der Tierpflegerin Brigit Singer in eine Zerreißprobe zwischen Political Correctness, Tierliebe und deutscher Lebenswirklichkeit. Als die Versöhnung mit den jüdischen Schwiegereltern misslingt, Birgit ins Kreuzfeuer der Medien gerät und durch den Vogel sowohl ihren Job als auch noch das Vertrauen ihrer Tochter verliert, platzt ihr der Kragen. (Quelle: MFG)

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