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In Danny Boyles „Yesterday“ wird eine Welt imaginiert, in welcher die Beatles aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht wurden und sich außer einem jungen Musiker niemand an sie erinnert. Dieser macht sich einige der bekanntesten Songs der Popgeschichte zu eigen und startet damit durch, aber geht das gut?

Yesterday (2019)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

John Lennon, wer?

Was wäre, wenn ein weltweiter Stromausfall den Lauf der Geschichte verändern könnte? Wenn dieser eine Umstand einfach bestimmte Ereignisse in der Geschichte der Menschheit auslöschen würde? Zum Beispiel die Formierung der Band The Beatles und die Komposition des Songs Yesterday? „Yesterday“ von Danny Boyle geht genau dieser Frage nach und erzählt von einer alternativen Welt, in der es die Beatles als Band nie gegeben hat, John Lennon an einem einsamen Strand irgendwo in England lebt und kein Mensch die Lieder der erfolgreichsten Band des 20. Jahrhunderts kennt. Außer drei Personen.

Jack Malik (Himesh Patel) ist Musiker: Gar ein begabter, findet seine Jugendfreundin Ellie (Lily James), die sich seit einem Konzert bei einer Schülerveranstaltung als seine Managerin engagiert. Ein ganz passabler, meinen seine beiden Freunde, Carol (Sophia di Martino) und Nick (Harry Michell), die vor allem den Summer Song mögen. Der Rest der Welt aber ignoriert das Talent von Jack, und auch seine Eltern (Meera Syal und Sanjeev Bhaskar) haben nicht viel Freude oder auch nur Interesse daran, der selbstgeschriebenen Musik ihres Sohnes zu lauschen.

Als Jack zum wiederholten Mal, aber nun endgültig die Entscheidung trifft, als Musiker aufzuhören und wieder als Lehrer zu arbeiten, passiert das von Ellie heraufbeschwörte Wunder, das sich als Unglück tarnt: Zwölf Sekunden legt ein Stromausfall den gesamten Erdball lahm, und genau in diesem Moment trifft Jack auf seinem Fahrrad an einer Kreuzung auf einem Bus und wird von diesem angefahren. Schwer verletzt kommt er ins Krankenhaus: Doch er hat Glück, überlebt und muss sich fortan Witze über sein Gebiss anhören, weil ihm der Unfall zwei Zähne ausgeschlagen hat.

Yesterday nimmt hier eine spannende Wendung, wird gar philosophisch, ohne aber darauf herumzureiten – ein erstes Verdienst des Films. Denn, was alle Figuren zunächst nicht wissen: Der allübergreifende Stromausfall hat außerdem einige Ereignisse in der Weltgeschichte ausgelöscht und damit eine alternative Welt in Gang gesetzt. Und Jack ist einer der wenigen Personen auf der Erde – aber nicht der einzige! –, die sich dessen allmählich bewusst werden. Als er – zurück aus dem Krankenhaus und das erste Mal wieder im Kreis der engen Freunde – einen ersten Song spielt, ist das Yesterday von den Beatles. Die Freunde zeigen sich berührt und begeistert und fragen, wann er diesen wunderbaren Song denn geschrieben habe. Und der Abend endet in einem erbitterten Streit: Jack, der sein Bewusstsein aus der Vergangenheit noch hat und weiß, wer die Beatles waren, glaubt seinen Freunden nicht, die behaupten, die Beatles nicht zu kennen.

Was zunächst als unüberwindbares Missverständnis erscheint, entpuppt sich für Jack allerdings als die Chance, als Musiker durchzustarten. Jack merkt, dass die Welt die Beatles vergessen hat bzw. dass es sie in dieser Gegenwart nicht gibt und nie gegeben hat. Also setzt er sich hin und schreibt das komplette Liedgut der Liverpooler Musiker nieder, nimmt ein Album auf, und ja, ist das erste Mal erfolgreich – und zwar so richtig: Ed Sheeran (der sich im Film selbst spielt) taucht eines Abends in Jacks Elternhaus auf, weil Jacks Musik ihn so begeistert, und er engagiert ihn als Vorband für sein Konzert in Moskau. Dessen Managerin hört Jack spielen und weiß sofort: Das ist ihr neuer Goldesel. Und ehe Jack es sich versieht, sitzt er im Flieger nach Los Angeles. An seiner Seite ist nun aber nicht mehr Ellie, die ihre Tätigkeit als Lehrerin nicht vernachlässigen will, sondern Freund Rocky (Joel Fry), der von allen als Versager beäugt wird, sich aber als absolut treue Seele zeigt.

Yesterday erzählt eine wunderbar kuriose Geschichte und begeistert vor allem mit seinen Detaileinfällen, denn es gibt nicht nur nicht die Beatles in dieser neuen dargestellten Welt, sondern ebenso wenig die Band Oasis oder … Aber wir wollen nicht zu viel verraten. Erzählt mit einer eigenen Bildsprache und vielen Untersichten und Schräglagen der Kamera, nimmt diese auch immer wieder den Bildschirm eines Computer in den Fokus, auf dem Jack sich der neuen, alternativen Realität annähert. Humorvoll ist dabei auch, was Google an Ergebnissen für Jacks Suchbegriffe ausspuckt – aber auch das wird nicht vorweggenommen.

Außerdem ist Yesterday natürlich auch eine Liebesgeschichte. Danny Boyle, der mit Yesterday wie in Slumdog Millionär wieder eine Aufstiegsgeschichte eines Außenseiters erzählt, geht es zwar einerseits um den erfolglosen Jack, der seine plötzliche Karriere auf einer Lüge aufbaut und daran fast zugrunde geht, andererseits aber bekennt er sich auch zum kulturellen Erbe der Beatles, wenn er All You Need Is Love zur Botschaft seines Filmendes macht. Die Liedauswahl mögen Beatles-Fan bestimmt anzweifeln, haben es schlussendlich nur 17 Songs in den Soundtrack geschafft, genießen werden sie diesen aber allemal.

Yesterday (2019)

Was wäre, wenn es die Beatles nie gegeben hätte und nur ein einzelner Mensch all ihre unsterblichen Songs wie selbstverständlich kennen würde? Genau das passiert dem chronisch erfolglosen Straßenmusiker Jack (Himesh Patel), dessen Lieder niemand hören will. Als er statt seiner eigenen Kompositionen einfach die Beatles-Songs aus seiner Erinnerung spielt, avanciert er über Nacht vom Niemand zum Superstar…

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