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Ein Ort, an dem Merkwürdiges passiert, zieht den Jungen Jona magisch an. Dorthin auf die tschechische Seite der Grenze zu gehen, hat ihm seine Mutter verboten, die ihn aus Berlin in ihr neues Leben in der Provinz versetzt hat. Jona sucht einen Freund und schlittert in ein verstörendes Abenteuer.

Wir haben nur gespielt (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Keine Gegend für Kinder

Welches Kind wünscht sich nicht Sommerferien voller Abenteuer und Entdeckungen, die den Aktionsradius des vertrauten Alltags sprengen? Jona (Finn-Henry Reyels) ist auf dem besten Wege, einen solchen Sommer zu erleben, als er sich aus purer Langeweile in eine Ortschaft hinter der tschechischen Grenze wagt. Dort lernt er den 13-jährigen Ukrainer Miro (Roman Bkhavnani) kennen, der ihm imponiert. Dabei will ihn Miro zunächst verjagen, dann verlangt er Geld von ihm und verkündet, als er es bekommt, Jona sei nicht sein Freund.

Jonas Mutter Eva (Silke Bodenbender) und sein neuer Stiefvater Robert (Godehard Giese) haben dem etwa 11-jährigen Jungen eingeschärft, ja nicht über die Grenze zu laufen, das sei keine Gegend für Kinder. Tatsächlich hat Jona drüben merkwürdige Dinge gesehen, Autos mit Berliner Kennzeichen, die vorfahren, um ein Kind wie Miro einsteigen zu lassen. Miro hat dann Jona den Weg zurück nach Deutschland gezeigt, durch den Wald, am Fluss entlang und über eine schmale Brücke. Dafür knöpfte er ihm die Turnschuhe ab. Wenn es Jona am nächsten Tag wie magisch wieder dorthin, auf die andere Seite, zieht, dann deutet das auf seine Vernachlässigung und Einsamkeit hin. 

Jona ist gerade aus Berlin an die Grenze gezogen. Die Eltern haben sich getrennt, die Mutter will mit Robert und Jona in einem Haus am Wiesenrand ihr neues Leben beginnen. Jona wäre lieber beim Vater geblieben, aber das geht nicht – und nun ist er den halben Tag alleine, bis seine Mutter heimkommt. Die Beziehung ist angespannt und wortkarg, Jona behauptet, wenn er von seinen Ausflügen zurückkehrt, er habe mit Kindern aus dem deutschen Ort Fußball gespielt. Ist die neue Familie zusammen, tauschen Robert und Eva Zärtlichkeiten aus, was den Mann in Jonas Augen nicht sympathischer werden lässt. 

Die Regisseurin Ann-Kristin Reyels (Jagdhunde) erzählt sehr spannend von der stummen Rebellion dieses Jungen, die sich in seiner täglichen Grenzüberschreitung ausdrückt. Jona streift durch den Wald, entdeckt eine Betonruine, die von der düsteren Vergangenheit dieser Grenze zeugt, spaziert am Bach entlang, erkundet mit Miro eine Höhle. Dieses wunderbare Waldgebiet scheint wie geschaffen für Abenteuerspiele. Es dauert, bis Jona den verstörten Miro dafür gewinnen kann, in dessen Unglück Jona ein Stück weit auch das eigene gespiegelt sieht, obwohl er es kaum begreift. Miro hat keine Familie, sondern einen Zuhälter. Hier an der Grenze prallen zwei Welten aufeinander, die, vor allem aus Jonas Perspektive, nur eines gemeinsam haben: Sie sind von Erwachsenen okkupiert, die nicht danach fragen, was Kinder wollen. Das innereuropäische Armutsgefälle, die Gewalt und Kriminalität, die Miros Realität von seiner eigenen trennen, treffen Jona unvorbereitet, denn im Abschottungskonzept, das Eva und Robert vertreten, war Aufklärung nicht vorgesehen.

Die wortkarg erzählte Geschichte entwickelt eine starke Spannung, gebannt folgt man Jona auf seinen Streifzügen, während der Komponist Henry Reyels ab und zu düster vibrierende Gitarrenmusik beisteuert. Wir haben nur gespielt ist auch insofern ein Familienfilm, als die Regisseurin und der Komponist die Eltern des jungen Hauptdarstellers sind. Finn-Henry Reyels spielt übrigens ganz hervorragend, weil Jona in seiner jungenhaften Unschuld, Neugier und leicht störrischen Schüchternheit so authentisch wirkt. 

Allerdings verliert der Film im Bestreben, an die große filmische Tradition des Ausbruchs ohne Wiederkehr à la Easy Rider, Zwei Banditen, Thelma & Louise anzuknüpfen, etwas von seiner Glaubwürdigkeit. Die Naivität, die Miro plötzlich unter Jonas Einfluss aufbringt, verblüfft. Seine Figur wirkt zu dünn gezeichnet für den ohnehin ehrgeizigen Anspruch der Geschichte, kindliches Erleben und Sozialtragödie in sich zu vereinen. Die Realitätsnähe ist nur begrenzt, beispielsweise sprechen Miro und andere Kinder auf tschechischer Seite sehr gut Deutsch, mit Worten, die sie wohl kaum von ihren bösen Kontakten gelernt haben dürften. Dem dennoch aufwühlenden Film gebührt das Lob, radikal mit dem Klischee einer heilen Kinderwelt zu brechen, das im deutschen Kino, vor allem aus kommerziellen Gründen, immer noch hartnäckig gepflegt wird.

Wir haben nur gespielt (2018)

Zwei Jungen, unterschiedliche Welten. Ausgerechnet zum Beginn der Sommerferien muss der 12-jährige Jona mit seiner Mutter und dem neuen Stiefvater aus Berlin an die deutsch-tschechische Grenze ziehen. Einsam und wütend erkundet er die neue Umgebung. Doch dann lernt er jenseits der Grenze den 13-jährigen Tschechen Miro kennen. Jona ist fasziniert von dem wortkargen und selbstsicheren Jungen. Nur langsam begreift Jona, was sich hinter Miros erwachsener Fassade für ein Schicksal verbirgt.

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Meinungen

Jübo · 02.07.2018

Der Film überzeugt durch seine wunderschönen Bilder, der überzeugenden Hauptrolle (Jona) und der Sparsamkeit der Sprache. Das Thema des Films wird durch sensible Bilder deutlich sichtbar und hinterlässt einen nachdenklichen Eindruck. Dem Team sage ich weiter so.