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In der Leinwandadaption des Romans „Was gewesen wäre“ muss sich Christiane Paul als Protagonistin mit der Vergangenheit auseinandersetzen – und vor allem mit der Frage, welchen Einfluss diese auf die Gegenwart hat(te).

Was gewesen wäre (2019)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Geschichte(n)

Wenn das Kino die Historie nutzt, um von Liebe, Freundschaft und individuellen Schicksalsschlägen zu erzählen, verkommt die Weltgeschichte nicht selten zu einer Kulisse, die der Banalität eines Filmplots die nötige Relevanz verleihen soll. In einer kurzen Inhaltsangabe mag auch die Literaturverfilmung „Was gewesen wäre“ wie ein solches Werk anmuten. Doch Florian Koerner von Gustorf, der seit vielen Jahren unter anderem als Filmproduzent aktiv ist und hier sein Regiedebüt vorlegt, hat den gleichnamigen Roman von Gregor Sander beziehungsweise dessen Drehbuchfassung kongenial umgesetzt, indem er den unaufgeregten Ton der Vorlage in stimmige Bilder übertragen hat.

Die Ereignisse, die in Was gewesen wäre in der Rückschau geschildert werden, ergeben sich aus der historischen Entwicklung Deutschlands; die Erzählung konzentriert sich allerdings auf das Alltägliche, sucht nicht das Spektakuläre, Dramatische, sondern widmet sich den Details im Zwischenmenschlichen. Es geht um die Geschichten im Verlauf der Geschichte, um schlechtes Timing und Enttäuschungen, nicht um ganz große Taten und Gesten. Das macht diesen Film, wie schon den Roman, zu einer glaubwürdigen und nachvollziehbaren Beobachtung. Junge Leute verhalten sich darin so, wie junge Leute sich eben (meistens) verhalten – und Erwachsene verhalten sich wiederum nicht zwangsläufig wie verknallte Teenager. Auch das unterscheidet Was gewesen wäre von etlichen anderen fiktionalen Stoffen.

Im Zentrum der Handlung steht die Ärztin Astrid (Christiane Paul), die in Berlin lebt und seit etwa zwei Monaten eine Beziehung mit Paul (Ronald Zehrfeld) führt. Astrid wuchs in der DDR auf und hat als Jugendliche Zeit in Budapest verbracht. Nun reist das Paar in die ungarische Hauptstadt, damit Astrid Paul die Orte ihrer Erinnerung zeigen kann. Im Restaurant des Hotels erblickt Astrid jedoch überraschend zwei Männer, die sie kennt: Julius (Sebastian Hülk) und dessen Bruder Sascha (Barnaby Metschurat). Sie erinnert sich, wie sie sich als Schülerin (verkörpert von Mercedes Müller) in den jungen Julius (Leonard Kunz) verliebte – und wie deren Beziehung zerbrach, noch bevor sie richtig entstehen konnte.

„Ich kenn den“, erklärt Astrid ihrem neuen Freund Paul bereits nach kurzer Zeit; das Werk legt es somit nicht darauf an, Heimlichkeiten zu erschaffen und dadurch enervierende Konflikte und Zuspitzungen zu konstruieren. Vergangenheit und Gegenwart werden miteinander verwoben – und als Zuschauer_in spürt man mehr und mehr, wie die Geschichte eines Landes Einfluss auf den persönlichen Werdegang nehmen kann. „Wir können es auch nicht mehr ändern“, heißt es an einer Stelle. Ehen, Trennungen, Scheidungen, große und kleine Entscheidungen liegen hinter den Figuren; all das hat sie zu dem geformt, was sie heute sind. 30 Jahre eines Lebens können wie ein komplexes Epos wirken – und werden doch in winzigen Schritten gelebt. Die Kamera von Reinhold Vorschneider und das Spiel des Ensembles finden dafür den passenden Ausdruck; Ängste und Verletzungen werden uns nicht ins Gesicht geschrien, sondern auf subtile Weise vermittelt.

Was gewesen wäre (2019)

Astrid ist Ende 40 und hat ihr Leben fest im Griff. Sie hat sich in Paul verliebt, ihre erste gemeinsame Wochenendreise führt sie nach Budapest, auf ein paar romantische Tage zu zweit. Doch in der ungarischen Hauptstadt kommt alles anders als geplant: Sie treffen auf Julius, Astrids erste große Jugendliebe, die 1986 in der DDR auf einer Künstlerparty begann. Astrid betrachtet gemeinsam mit Paul ihre Vergangenheit, und plötzlich könnte alles sein, wie es nie war.

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