Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn

Eine Filmkritik von Jale Cengil

Neue Version eines Klassikers

Mary Shelleys 1818 erschienener Roman Frankenstein oder der moderne Prometheus diente für zahlreiche Filme als Vorlage. So unter anderem für James Whales‘ Frankenstein (1931) oder Kenneth Branaghs Mary Shelley’s Frankenstein (1994). Oft ist in Romanverfilmungen aber nur eine dominierende Figur oder Idee wiederzuerkennen, also lediglich ein Teil der eigentlichen Geschichte. So auch in Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn, der aktuellsten Neuauflage des Horrorklassikers.
Die Geschichte des menschenkreierenden Genies Victor Frankenstein wird von Regisseur Paul McGuigan, der auch bei einigen Episoden der erfolgreichen Serie Sherlock Regie führte, aus der Perspektive von Igor Strausman (Daniel Radcliffe) erzählt, einem (im Buch nicht vorhandenen) Assistenten Frankensteins. Igor hat einen Buckel und ist bis zu dem Tag des tragischen Unfalls der Akrobatin Lorelei (Jessica Brown Findlay), welche er insgeheim bewundert, ein Zirkusclown. Er wird gequält und geschlagen und dient lediglich zur Unterhaltung sowohl der Zuschauer als auch der Künstler im Zirkus. Dieser Ort ist zwar Igors Zuhause, doch er wird dort nur als Nichtsnutz und Krüppel angesehen. Bei der Rettung von Lorelei weiß er im entscheidenden Moment, was zu tun ist – und dadurch kommt seine Leidenschaft und Talent zum Vorschein: In ihm schlummert ein begabter Wissenschaftler, er ist begeistert von der Medizin und der Anatomie des Menschen. Victor Frankenstein (James McAvoy), ebenso am Unfallort anwesend, entdeckt in Igor seinen persönlichen Assistenten und überzeugt ihn davon, aus dem Zirkus auszubrechen und ein neues Leben in seiner Obhut zu beginnen. Gemeinsam forschen und kreieren sie und versuchen, Leben aus den Toten zu schaffen, bis die Leidenschaft Victors zu einer gefährlichen Obsession wird und Igor seine Motivation nicht mehr verstehen kann. Er möchte nicht zu weit gehen und gegen die Natur handeln, fühlt sich Victor gegenüber aber schuldig und wird daher vom Zweifel hin- und hergerissen. Das Monster, das sie am Ende zum Leben erwecken, ist dann weitaus mehr als das Ergebnis purer Faszination. Es dient zur Überwindung eines traumatischen Erlebnisses, das sich in der dunklen Vergangenheit von Victor verbirgt.

Die Figur Igor Strausman stellt ein Gleichgewicht in dem dramaturgisch kontrastreichen Film her. Sie steht zwischen dem obsessiven und vom Wahnsinn getriebenen gottlosen Victor und seinem Rivalen, dem religiösen Inspektor Turpin (Andrew Scott), ist zwar fasziniert, anders als Victor aber von Vernunft getrieben. Das ergibt eine interessante Dreierkonstellation, in der sich zwei extreme Persönlichkeiten in einer widerspiegeln. Ein Konflikt ist somit nicht nur in der Handlung, sondern auch in der Figur zu finden. Es ist geschickt, die Geschichte aus Igors Augen heraus zu erzählen. Er ist die bodenständigere, die menschlichere Person im Vergleich zu den beiden anderen, damit ist es leichter, für ihn Empathie zu entwickeln.

Somit hat sich der Film zwar am Material – den Figuren und verschiedenen Teilen der Originalgeschichte — bedient, sie letztendlich aber geformt und verändert, damit eine neue Version entsteht. Der Film bietet visuell beeindruckende Bilder und eine interessante Besetzung. Doch rein inhaltlich betrachtet funktioniert sie wohl eher für die, die den Roman nicht kennen.

Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn

Mary Shelleys 1818 erschienener Roman Frankenstein oder der moderne Prometheus diente für zahlreiche Filme als Vorlage. So unter anderem für James Whales‘ „Frankenstein“ (1931) oder Kenneth Branaghs „Mary Shelley’s Frankenstein“ (1994). Oft ist in Romanverfilmungen aber nur eine dominierende Figur oder Idee wiederzuerkennen, also lediglich ein Teil der eigentlichen Geschichte. So auch in „Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“, der aktuellsten Neuauflage des Horrorklassikers.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Martin Zopick · 23.11.2021

Eine Erweiterung der Frankenstein Saga mit neuen Blickwinkeln: die Herr – Knecht Symbolik trägt für längere Zeit. Titelheld James McAvoy versucht keinen Zweifel aufkommen zu lassen, wer der Chef im Ring ist. Weil der Meister seinen Gehilfen Igor (Daniel Radcliffe) von seinem Buckel befreit hat, ist er ihm offiziell zu ewigem Dank verpflichtet und verliebt sich doch eigenständig in die Zirkusartistin Lorelei (Jessica Brown-Findlay). Bei aller Action zündet auch hier wieder kein Funke.
Victor und Igor basteln wie in Mary Shelleys Vorlage an einen neuen Menschen. Unter den wenigen Ergänzungen der Vorlage macht Charles Dance mit seinem Cameo als Frankensteins Vater noch eine passable Figur. Auch wenn es nur für eine Ohrfeige für den Sohn Victor reicht. Die Figur des religiös fundamentalistischen Inspektors Turpin (Andrew Scott) ist allerdings des Guten zu viel. Bleibt ein Schuss in den Ofen und passt ins Bild wie der Weihnachtsbaum zum Osterhasen.
Regisseur McGuigan setzt auf pyrotechnische Effekte und ausgiebige Raufereien. Eine alleszerstörende Explosion beseitigt das Monster nicht aber seine Schöpfer, die den guten Ausgang vor malerischer schottischer Landschaft genießen dürfen. Droht hier etwa eine Fortsetzung? Lorelei passt als schmückendes Beiwerk zum Plot wie die Illusion zum Zirkus. Zu wenig Neues hangelt sich an Altbekanntem entlang. Und da ist keine Glut mehr unter der Asche. K.V.

Victoria · 15.05.2016

Nicht schlecht, aber zu blutig.