I, Frankenstein

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Bernd, das Brot gegen die Ghouls

Es gibt keinen Konsens darüber, was den postmodernen Film ausmacht. Eklektizismus und Intertextualität, die Aufhebung vermeintlich fester Genregrenzen sowie die Aufwertung des Trivialen sind sicherlich Erkennungszeichen. Grundsätzlich ist nichts einzuwenden gegen ein Kino, das raubt und plündert, Altes neu zusammenstellt, seinen Sinn aus dem vermeintlichen Unsinn der Synthese zieht, das literarische Randfiguren zu schwerbewaffneten Soldaten des Vatikan werden lässt (Van Helsing), in dem der 16. Präsident der Vereinigten Staaten mit einer Axt gegen Vampire antritt (Abraham Lincoln Vampirjäger) und Hänsel und Gretel zu gefürchteten Dämonenjägern werden (Hänsel und Gretel: Hexenjäger) – wenn es denn Spaß macht! Aber das ist bei Stuart Beatties I, Frankenstein leider nicht der Fall.

Beatties Film, der auf einem Comic von Kevin Grevioux beruht, spinnt den Mythos um Frankensteins Monster weiter. Es heißt jetzt Adam (Aaron Eckhart) und gerät nach dem Tod seines Schöpfers zwischen die Fronten zweier rivalisierender Dämonen-Clans: den Gargoyles und ihrer Königin Leonore (Miranda Otto) sowie dem finsteren Naberius (Bill Nighy) und seiner Dämonen-Truppe. Schon bald mischt Adam – unterstützt von Wissenschaftlerin Terra (Yvonne Strahovski) – selber ordentlich mit. Denn nicht weniger als das Schicksal der Menschheit steht auf dem Spiel.

Das Schicksal des Zuschauers ist beim Kauf einer Kinokarte bereits besiegelt. Denn der Film von Stuart Beattie (Tomorrow, When War Began) gehört leider zu den unvorteilhaftesten Comic-Verfilmungen überhaupt. Abgesehen von (aufgerundet) zwei schönen Kamerafahrten durch die fiktive Stadt Darkhaven, stimmt hier nichts, und es lohnt sich kaum, weiter ins Detail zu gehen. Vielleicht liegt das bereits an der schwer umsetzbaren Grundidee, dass ein aus Leichenteilen zusammengenähter Mann auf einmal zum Monster massakrierenden Martial-Arts-Maniac mutiert. Dass die Motive der Figuren ansonsten von wenig plausibel bis nicht vorhanden reichen, da kann man ja noch ein Auge zudrücken, aber dass hier nicht einmal die Schauwerte stimmen, wird auch tolerante Genrefans und Trash-Gourmets an die Grenzen ihrer Geduld bringen. Wenigstens hier hätte Beattie punkten müssen! Doch die Kämpfe sind so gar nicht mitreißend inszeniert. Und das Monster-Design jeder Buffy-Folge ist eindrucksvoller. Die einzigen Lichtblicke im wahrsten Sinne sind die Szenen, in denen Dämonen sterben, denn dann fährt ihre – bei den Bösen rot-, bei den Guten blauleuchtende – Seele gen Himmel bzw. Hölle. Das sieht ganz hübsch aus. Die Freude über diese Kleinigkeit hält allerdings nicht lange an, sondern wird durch den Missmut über die bräsigen Dialoge oder die alles andere als gelungenen Special-Effects schnell wieder verdrängt. Für die Schauspieler scheint I, Frankenstein eine ähnlich schamhafte Erfahrung gewesen zu sein wie für den Zuschauer. Vielleicht muss Frankenstein so seltsam gucken. Aber vielleicht ist es auch einfach Aaron Eckharts Blick, dem man ansehen kann, wie wenig wohl er sich in seiner Rolle fühlt. Aber hilft ja nichts: Augen zu und durch.

Am Ende des Films empfindet man vor allem Mitleid. Mitleid mit dem Regisseur, dessen Karriere bereits so früh in den Morast steuert, mit den Darstellern, die nicht einverstanden damit sein können, in so unglücklichen Posten für die Ewigkeit in Erinnerung zu bleiben sowie mit Mary Shelly, deren Andenken durch den Film posthum hart in die Mangel genommen wurde. Nein, zufrieden kann mit I, Frankenstein wirklich niemand sein. Und doch bleibt eine Spur von Respekt für die Tollkühnheit, mit der Beattie dieses Projekt durchgezogen hat. Andere hätten sich vermutlich in Ironie und Zitate geflüchtet, um zu zeigen, dass alles nur ein postmodernes Spiel ist. Nicht so Beattie, der seine Sache ohne mit der Wimper zu zucken bis zum bitteren Ende durchzieht. Hut ab! Das Gehirn gibt auf. Aber das kann sich ja durchaus ganz befreiend anfühlen. Wenn irgendwann ein Film in Planung sein sollte, in dem Bernd das Brot gegen eine Ghoul-Armee kämpft, wäre Beattie vielleicht der richtige Mann dafür.
 

I, Frankenstein

Es gibt keinen Konsens darüber, was den postmodernen Film ausmacht. Eklektizismus und Intertextualität, die Aufhebung vermeintlich fester Genregrenzen sowie die Aufwertung des Trivialen sind sicherlich Erkennungszeichen.

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