The Survivalist (2015)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Die Freiheit so erdrückend

Das Überleben jenseits sozialer Strukturen, in einer Welt nach dem Niedergang der Zivilisation: Die Ölreserven sind verbraucht, alle Ordnungen gesellschaftlichen Miteinanders aufgelöst – es ist der Kampf aller gegen alle, die Rückkehr zum Naturzustand. The Survivalist zeigt eine post-apokalyptische Vision ohne Apokalypse – es braucht keine Naturkatastrophe oder Pandemie, nur den Niedergang wirtschaftlicher Systeme als Prämisse für diese intime Auseinandersetzung mit den Grundbedingungen menschlicher Überlebensfähigkeit.

Der namenlose Survivalist (Martin McCann) lebt in einer abgeschiedenen Hütte im Wald – seit Jahren, seit dem Niedergang der Weltbevölkerung, mit rudimentärer Selbstversorgung seiner grundlegenden Bedürfnisse: Ein Gemüsegarten, ein paar Fallen für Tiere, eine Handvoll Werkzeuge, ein Leben reduziert auf die minimalen Anforderungen, auf das reine Überleben. Dem Auftauchen einer Fremden mit ihrer Tochter (Olwen Fouéré und Mia Goth) begegnet er zuerst mit Misstrauen, bevor die drei sich zusammenschließen, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen und sogar so etwas wie Zuneigung zwischen dem Survivalist und der Tochter, Milja, entsteht. Doch für Vertrauen und Nächstenliebe ist kein Platz mehr in einer Welt, deren einziger Wert und Maßstab nur noch das eigene Überleben ist.

The Survivalist zeigt eine düstere, bedrückende Vision des Lebens im Naturzustand, in dem es keine Sicherheiten mehr gibt, kein Eigentum, keinen Luxus, keinen Augenblick der Ruhe – nur das Recht des Stärkeren, das Recht desjenigen, der überlebt. Mit dem Zusammenschluss der drei Protagonisten findet der Kern, die Urform gesellschaftlicher Ordnung statt – das stillschweigende Abkommen gegenseitigen Schutzes. Doch was der Film zeigt, ist die Unmöglichkeit dieser Utopie, im kleinsten, denkbaren Maßstab: ein friedvolles Dasein, ein Leben ohne die Angst vor dem Nächsten ist unmöglich, wenn die Menschheit durch ihre selbstverschuldete Zerstörung zurückfällt in ein Dasein vor jeder zivilen Ordnung.

Die Freiheit, die oft in romantisierenden Aussteiger-Fantasien mit dem Idyll eines Lebens in der Natur verbunden wird, entlarvt The Survivalist als ihr genaues Gegenteil: Nichts ist erdrückender als die unabwendbare Angst um das eigene Leben, als die unausweichliche Notwendigkeit, Tag für Tag die eigene Versorgung sicherzustellen, die unmögliche Aussicht auf ein friedvolles Leben. Konsequent reduziert so auch der Film seine Bilder auf die unmittelbarsten Eindrücke menschlicher Regung – als suche er nach den letzten Spuren und ersten Keimen eines harmonischen Miteinanders. Selbst in den intimsten Momenten zwischen dem namenlosen Protagonisten und Milja bleibt das Misstrauen, die Angst, im feinsten Ausdruck der überragend geführten Darsteller erhalten.

Der Film ist eine nüchterne Abrechnung mit jeder Utopie, so nüchtern, so unerbittlich, dass nicht einmal ein dystopischer oder sozialkritischer Zug Platz darin hat: Es ist die kalte Beobachtung des Menschen in seinen intimsten Augenblicken, zurückgeworfen auf seine natürlichsten Bedingungen. The Survivalist zeigt die Menschheit am Abgrund, jenseits des Abgrunds, im freien Fall – wenn Ideale sterben, wenn ein jeder für sich alleine kämpft, ist der Untergang nicht aufzuhalten. Ein verstörender Film, ein beeindruckendes Debüt, eine Schande, dass dieses Meisterstück filmischer Imaginationskraft in Deutschland nur für das Heimkino erscheint.
 

The Survivalist (2015)

Das Überleben jenseits sozialer Strukturen, in einer Welt nach dem Niedergang der Zivilisation: Die Ölreserven sind verbraucht, alle Ordnungen gesellschaftlichen Miteinanders aufgelöst – es ist der Kampf aller gegen alle, die Rückkehr zum Naturzustand. The Survivalist zeigt eine post-apokalyptische Vision ohne Apokalypse – es braucht keine Naturkatastrophe oder Pandemie, nur den Niedergang wirtschaftlicher Systeme als Prämisse für diese intime Auseinandersetzung mit den Grundbedingungen menschlicher Überlebensfähigkeit.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen