The Sacrament

Eine Filmkritik von Janosch Leuffen

Das letzte Abendmahl

Wenn es um seine Filme geht, macht Ti West am liebsten alles selbst. Auch für sein neues Werk The Sacrament bekleidete der Amerikaner gleich vier Positionen. Er schrieb und inszenierte nicht nur, sondern setzte sich auch an den Schnittrechner und fungierte als Produzent. Offensichtlich wollte das Multitalent nichts dem Zufall überlassen. Und die Arbeit sollte sich bezahlt machen, denn seine Mockumentary über eine Glaubensgemeinschaft verschafft pures Gänsehaut-Feeling.
Lange Zeit gab es von Caroline (Amy Seimetz) kein Lebenszeichen, bis sie sich unvermittelt bei ihrem Bruder Patrick (Kentucker Audley) meldet und ihn bittet, sie in Südamerika zu besuchen. Dort ist sie dem „Eden Parish“ beigetreten, einer Gruppe, die irgendwo im Wald eine neue Existenz aufgebaut hat. Patrick schnappt sich seine Kollegen Sam (AJ Bowen) und Jake (Joe Swanberg) vom Fernsehsender VICE, um eine Dokumentation über die Menschen vor Ort zu drehen. Das Eintreffen der Journalisten sorgt zwar für Missmut, dennoch werden sie geduldet und dürfen sogar Interviews führen. Bis der Anführer (Gene Jones), von allen nur „The Father“ genannt, zu einer nächtlichen Feier lädt und die Stimmung zum Kippen bringt.

Um es vorwegzunehmen: Ti West hat hier keinen typischen Found-Footage-Horrorfilm hervorgebracht und auch Wackelkamera-Phobiker werden im Gegensatz zu anderen Beiträgen der Zunft keine Probleme haben. Denn hinter der Kamera, so macht uns West zumindest glauben, agieren gelernte Kameramänner. Entsprechend professionell sind die Aufnahmen gestaltet. Aus diesem Grund ist es auch schwierig, von einem Found-Footage-Film zu sprechen. Vielmehr zeigt West eine angebliche Dokumentation, die es in der Form natürlich nicht gegeben hat, aber sich durchaus so hätte abspielen können.

Sind die Kollegen erst einmal im Busch, baut sich kontinuierlich Spannung auf. Die Menschen in „Eden Parish“ wirken allesamt nicht ganz normal, trotz ihrer Freundlichkeit gegenüber den Neuankömmlingen. Um mehr Tiefgang zu den Personen zu erhalten, lässt West ein paar von ihnen in Interviews zu Wort kommen. Der Zuschauer erfährt so, ohne dass das Gezeigte reißerisch oder effekthascherisch wirkt, mehr über den merkwürdigen Ort und die Absichten der Bewohner. Behutsam wird eine Verbindung zu den Anwesenden aufgebaut.

Die Kraft, die The Sacrament entwickelt, lässt sich schwer in Worte fassen. West kreiert ein unheilvolles Szenario, dessen Fassade eine ganz andere ist. Der bedrohliche Soundtrack von Tyler Bates (Killer Joe) untermauert das Gefühl. Irgendetwas stimmt hier nicht, wir wissen nur noch nicht, was. Doch das ändert sich, wenn der mysteriöse „Father“ seine „Schäfchen“ versammelt, ein kleines Mädchen dem Team neue Eindrücke vermittelt und die Vorahnungen bestätigt. Ob jemand und wenn ja wer überlebt, ist bis zuletzt jedoch völlig unklar.

Kein exorbitantes Blutvergießen, sondern schauderhafter Psychohorror macht die Erzählung ungemein packend und schockierend. Basierend auf dem Jonestown-Massensuizid von 1974, bei dem sich knapp 1000 Menschen der „Peoples Temple“-Sekte auf Kommando des Gründers Jim Jones das Leben nahmen, liefert West erschreckende Blicke in seelische Abgründe. Auf der einen Seite stehen die, die an eine bessere, befreite Zukunft glauben und sich einer höheren Macht bedingungslos hingeben. Auf der anderen Seite steht ein Mann, der den Gehorsam aller ausnutzt und ihn bis auf die Spitze treibt.

Obwohl West mitunter die Authentizität der Inszenierung etwas links liegen lässt (wenn nur mit einer Spiegelreflex-Kamera gedreht wird, ergeben sich trotzdem weiterhin beste Schnittbilder und ein hervorragender Ton), ist The Sacrament ein schrecklich intensiver Albtraum. Der Film geht an die Nieren, weil er das Böse im Menschen nach außen kehrt und mit seinem pseudo-dokumentarischen Stil eine sogähnliche Wirkung erzeugt.

The Sacrament

Wenn es um seine Filme geht, macht Ti West am liebsten alles selbst. Auch für sein neues Werk „The Sacrament“ bekleidete der Amerikaner gleich vier Positionen. Er schrieb und inszenierte nicht nur, sondern setzte sich auch an den Schnittrechner und fungierte als Produzent. Offensichtlich wollte das Multitalent nichts dem Zufall überlassen.
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