Der Pferdejunge

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die Geschichte einer heilsamen Reise

Einst in Indien haben sie sich kennen gelernt, der texanische Menschenrechtsaktivist, Reisende und Schriftsteller Rupert Isaacson und seine Frau Kristin Neff, Psychologie-Dozentin an der Universität von Austin, die ein spezielles Programm zur Entwicklung eines gesunden Selbst-Mitleids erarbeitet hat. Nun sind sie gemeinsam mit ihrem fünfjährigen Sohn Rowan in der Mongolei unterwegs, eine Reise, die sie sorgfältig vorbereitet und dokumentiert haben, und von welcher sie sich eine neue Perspektive auf ihr Familienleben erhoffen. Denn die Entwicklung von Rowan gestaltete sich seit früher Kindheit abweichend von der Norm, der Junge kommunizierte kaum mit seiner Umwelt, wirkte in sich verschlossen und neigte zu zwanghaften Bewegungen und heftigen, ausführlichen Wutausbrüchen, so dass die Diagnose „Autismus“ nicht lange auf sich warten ließ und die Familie in ihrem Alltag permanent den damit einhergehenden Belastungen ausgesetzt war. Immer auf der Suche nach Möglichkeiten, seinen Sohn bestmöglichst zu fördern und ihm trotz dieser extrem beunruhigenden Eigenarten ein gutes Leben zu eröffnen, fiel dem ausgebildeten Pferdetrainer Rupert Isaacson eines Tages auf, dass sich Rowan im Umgang mit diesen Tieren überraschend entspannt. Aus diesem Impuls wurde die Idee geboren, Texas für eine Weile den Rücken zu kehren und mit Pferden die Mongolei zu bereisen, sich dort ganz auf das Kind zu konzentrieren, gemeinsam an schamanistischen Ritualen teilzunehmen, um eine absolut andere Sichtweise auf die Situation zu gewinnen und durch diese ungewöhnlichen Maßnahmen vielleicht Erleichterung für alle zu finden.
Die Dokumentation Der Pferdejunge von Michel Orion Scott, der auch die Kamera führte, hat Rupert Isaacson selbst produziert, nachdem das gleichnamige Buch über das Schicksal der Familie zum Bestseller wurde. Auf sehr persönliche Weise begleitet der Film diese ungewöhnliche, auch stark spirituell geprägte Reise durch die rauhe Schönheit der Mongolei, begleitet die bewegenden Begegnungen mit lokalen Schamanen und hält die zwischen Überforderung, Hoffnung und Euphorie oszillierenden Stimmungen der Eltern fest, für die jede positive Veränderung ihres Sohnes ein kleines Wunder bedeutet. Der Zuschauer erlebt ebenso Rowans erste Versuche, kontrolliert abzuführen wie auch das annähernd altersgemäße Spiel mit dem etwa gleichaltrigen Sohn des mogolischen Reiseführers, mit dem der sonst so verschlossene Rowan tatsächlich in direkten Kontakt tritt. Diese Impressionen sowie die offenen und intimen Reflexionen der Eltern bergen durchaus den zaghaften Zauber eines nachhaltigen Wandels, das eigene Schicksal zu akzeptieren, es neu zu betrachten und damit die potenzielle Kraft, es förderlich zu beeinflussen.

Auch wenn der Grat zwischen tiefsinnigen spirituellen Erfahrungen sowie einer gefälligen Esoterik für Außenstehende hier bei Zeiten allzu vage erscheint und die gezielte Vermarktung dieser gleichermaßen spektakulären und anrührenden Geschichte kritisch zu hinterfragen ist, transportiert Der Pferdejunge dennoch wichtige Botschaften in Bezug auf die markanten Widrigkeiten des Lebens, die zuvorderst im Mut bestehen, auch abseits der üblichen Pfade nach Lösungen zu suchen. Dass eine intensive Reise jenseits des abgekämpften Alltags bei existenziellen Schwierigkeiten mit Kindern mindestens neue Hoffnung oder gar Heilung, wie Rowans Eltern es erfahren haben, ermöglichen kann, stellt ebenfalls eine schlichte Weisheit dieser Geschichte dar, die auch zeigt, dass allein die Konzentration auf Verbesserung und Heilung bereits positive Effekte bewirken kann. Der nahe Umgang mit Tieren – hier speziell mit Pferden – hat sich als therapeutische Anwendung längst bei zahlreichen Beeinträchtigungen als ungeheuer wertvoll und wirksam bei Kindern und anderen Menschen erwiesen, und der so genannte Pferdejunge Rowan ist ein weiteres inspirierendes und wunderschönes Beispiel dafür.

Es ist nicht zuletzt verbundenes Verständnis für ihre oftmals schwerlastige Situation, soziale Zuwendung und nicht zuletzt förderlicher Trost, den die texanische Familie durch ihre Reise in die Mongolei und auch durch die Veröffentlichung des Buchs und des Films darüber erfahren hat, sowie auch Der Pferdejunge dazu geeignet ist, ein entsprechendes Bewusstsein für derartige Schwierigkeiten zu schaffen und Betroffene zu ermutigen, auch positive Perspektiven auf die Außergewöhnlichkeit von Autismus zuzulassen. Ein besserer Vater sei er durch die Krankheit seines Sohnes geworden, bemerkt Rupert Isaacson, und wer diese Dokumentation auch jenseits des gängigen Blickwinkels kritischer Nüchternheit betrachtet, vermag sicherlich zu verstehen, welch wohliger Wert allein darin enthalten ist.

Der Pferdejunge

Einst in Indien haben sie sich kennen gelernt, der texanische Menschenrechtsaktivist, Reisende und Schriftsteller Rupert Isaacson und seine Frau Kristin Neff, Psychologie-Dozentin an der Universität von Austin, die ein spezielles Programm zur Entwicklung eines gesunden Selbst-Mitleids erarbeitet hat. Nun sind sie gemeinsam mit ihrem fünfjährigen Sohn Rowan in der Mongolei unterwegs, eine Reise, die sie sorgfältig vorbereitet und dokumentiert haben, und von welcher sie sich eine neue Perspektive auf ihr Familienleben erhoffen.
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