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Eine betrogene Ehefrau aus höheren Kreisen landet bei ihrer unkonventionellen Schwester und überdenkt ihr Leben. Eine formelhafte Geschichte – und doch spricht manches für diesen Film.

Tanz ins Leben (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Den Sprung wagen

Zahlreiche Geschichten befassen sich mit den Hürden des Erwachsenwerdens. Der 1946 geborene Engländer Richard Loncraine widmet sich hingegen in seiner Tragikomödie „Tanz ins Leben“ dem Dasein von Menschen im hohen Alter. Zwar verfügen die Figuren in dieser Art von Erzählung – zu welcher etwa auch John Maddens Best Exotic Marigold Hotel (2011) und Ritesh Batras Unsere Seelen bei Nacht (2017) gehören – grundsätzlich über mehr Erfahrung und (rein theoretisch) über mehr Reife; gleichwohl werden die Herausforderungen in dieser Lebensphase keineswegs kleiner und erfordern die Wagnisse nicht weniger Mut.

Im narrativen Zentrum von Tanz ins Leben steht Sandra Abbott (Imelda Staunton), die seit 35 Jahren verheiratet ist, eine erwachsene Tochter (Marianne Oldham) sowie einen Enkel (Sonny Fowler) hat. Ihr frisch pensionierter Gatte Mike (John Sessions) wurde gerade zum Ritter geschlagen. Auf der aufwendigen Feier, die auf dem noblen Landsitz der Abbotts stattfindet, muss Sandra jedoch erfahren, dass Mike bereits seit längerer Zeit eine Affäre mit ihrer Freundin Pamela (Josie Lawrence) hat. Kurzerhand fährt die Betrogene mit dem Taxi zu ihrer ledigen Schwester Bif (Celia Imrie) nach London. Die beiden Frauen haben sich seit fast 10 Jahren nicht mehr gesehen – und könnten unterschiedlicher kaum sein. Auch Bifs Clique um den Handwerker Charlie (Timothy Spall), den Witwer Ted (David Hayman) sowie die schon fünfmal verheiratete Anwältin Jackie (Joanna Lumley) steht Sandra zunächst skeptisch gegenüber – bis sich diese mehr und mehr in die gemeinsam besuchte Tanzgruppe integriert.

Das Drehbuch von Nick Moorcroft und Meg Leonard zeichnet das Schwesternpaar ziemlich plakativ als konträre Persönlichkeiten; Sandra verhält sich blasiert und snobistisch, Bif ist freigeistig und engagiert. Dies setzt sich in Loncraines Inszenierung fort: Die chaotische Stadtwohnung und die kunterbunte Bekleidung von Bif stehen in scharfem Gegensatz zur sauber gefegten, sterilen Vorstadt-Welt, die Sandra hinter sich lässt, sowie zu den adretten Kostümen, in denen diese stets overdressed und völlig unentspannt wirkt.

Es ist in erster Linie Imelda Staunton, Celia Imrie und der Chemie zwischen den beiden zu verdanken, dass diesen Figuren trotz der schematischen Anlage und Ausstaffierung Leben eingehaucht wird und man dem ungleichen Duo als Zuschauer_in letztlich durchaus gerne folgt. Auch das übrige Personal mutet stereotyp an, profitiert aber zum Teil ebenso von der guten Besetzung – insbesondere Timothy Spall, welcher bisher auf der Leinwand eher selten als love interest in Erscheinung trat, vermag in seinem tragischen Part anzurühren.

Dramaturgisch reiht Tanz ins Leben die erwartbaren Standardsituationen aneinander – und Loncraine, der etwa mit der romantischen Sport-Dramödie Wimbledon (2004) oder dem biografischen Roadmovie My One and Only (2009) bereits ähnlich routinierte Arbeiten vorlegte, setzt diese zusammen mit seinem Kameramann John Pardue in recht gefälligen Bildern um. Schade ist, dass dem Tanz keine wirklich zwingende Rolle im Plot sowie in dessen Visualisierung zukommt; das Quintett könnte ebenso dem Gesang, einer beliebigen (Denk-)Sportart oder einem anderen Hobby nachgehen. Dennoch ist die Botschaft des Films, dass man nie zu alt dafür ist, sich selbst und das ganz persönliche Glück zu finden und längst aufgegebene Träume doch noch zu verwirklichen, erfreulich: Der Aufruf zu Empowerment ist sicher nicht neu und kaum originell – er ist deshalb aber nicht weniger schön.

Tanz ins Leben (2017)

Schon seit vier Jahrzehnten ist Sandra mit ihrem Ehemann verheiratet, als sie entdeckt, dass der eine Affäre mit ihrer besten Freundin hat. Enttäuscht und verbittert zieht sie aus der gemeinsam bewohnten Villa aus und bei ihrer exzentrischen Schwester Bif ein. Und die setzt alles daran, ihre Schwester aufzuheitern — bis Sandra merkt, dass die Trennung nicht das Ende, sondern vielleicht der Anfang ist — von etwas ganz Wunderbarem.

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