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Statt Aufriss in der Bar reicht ein Profil bei einer Dating-App: „Safari – Match Me If You Can“ erzählt von dem unermüdlichen Liebes- und Sex-Treiben verschiedener Großstädter – aber wo die Erfüllung ihrer Träume wirklich liegt, ist sehr schnell zu erahnen.

Safari - Match Me If You Can (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Liebe im Zeitalter der Dating-Apps

Suchen wir nicht alle nach der Liebe? Oder wenigstens nach dem Kick, dem großen Augenblick? Lara (Elisa Schlott) weiß vermutlich gar nicht genau, wonach sie sucht. Postkoital räkelt sie sich in einem Hotelbett, das weiße Laken um den Körper gehüllt, während sich Pilot Harry (Justus von Dohnányi) wieder anzieht. Immerhin muss er seinen Flieger erwischen. Es ist ein scheinbar perfektes Treffen. Sex in einem Hotelzimmer, danach gehen sie wieder getrennte Wege. Und doch stimmt diese Illusion, der Schein nicht wirklich: Lara fragt ihn halb im Spaß, ob sie nicht mitkommen könnte. Harry erscheint erstmals weniger souverän und erzählt dann etwas von einer Hütte in Kanada. Doch er muss los, den Flieger erwischen – den es gar nicht gibt. Denn die traurige Wahrheit ist, dass Harry eigentlich Straßenbahnfahrer bei der MVG ist. Aber Pilot klingt glamouröser auf der Dating-App „Safari“, auf der er Lara begegnet ist.

Es ist diese App, die dem Film von Rudi Gaul den Namen gibt und alle Figuren miteinander verbindet. Doch natürlich ist in dieser Online-Welt niemand der, der er eigentlich ist. Bei Lara ist es besonders kompliziert. Geld verdient sie als Influencerin, auf ihren Social-Media-Kanälen propagiert sie Spaß und ein schönes Leben. Von der Bratwurst im Park beißt sie dann aber doch nur scheinbar ab, bevor sie sie weiter an ihre Freundin reicht. Denn ein perfektes Leben ist harte Arbeit. Doch es geht um mehr als den Schein, denn Lara propagiert auch Enthaltsamkeit und ist damit erfolgreich. Aber dennoch sucht sie sich den Fick bei „Safari“ – und hofft, nicht aufzufliegen.

So begegnet Lara bald David (Max Mauff), der laut App ein ziemlicher Stecher, eigentlich aber alles andere als standfest ist. Deshalb sucht er sich Hilfe bei Therapeutin Aurelie (Sunnyi Melles), die wiederum mit dem vorgeblichen Piloten Harry verheiratet ist. Sie gibt David den Rat, endlich einmal ehrlich zu sein – und so landet er schließlich bei Mona (Juliane Köhler), der Mutter von Laras Freundin, die endlich wieder ein wenig Freiheit und Sex genießen will. Mit ihr erlebt er, worauf er hoffte. Befriedigung sieht aber anders auch. Und auch Mona findet kurzzeitige Erfüllung weniger bei David als vielmehr bei Life (Sebastian Bezzel), einem alleinerziehenden Vater, der mit dem Leben heillos überfordert ist. Und dann gibt es auch noch Fanny (Friederike Kempter), die sich mit Arif (Patrick Abozen) trifft, einem selbsternannten Frauenaufreißer, einem Möchtegern-Pick-up-Artist, der Geld und Ruhm mit toxischen Ratschlägen verdienen will.

Arif ist nur ein Beispiel dafür, wie der Film bestimmte Themen an Figuren heftet: Harry ist der verheiratete Fremdgeher, der seine Frau liebt, aber den Kick sucht – und vielleicht auch den Traum von einem besseren Leben. Ehefrau Aurelie ist gelangweilte Therapeutin, die in 3D-Simulationen Erfüllung sucht – und schließlich Dessous kauft, um den Mann zu überraschen. Lara verkörpert den Schein und gewissermaßen auch die Gefahren der Online-Welt, David die Erwartungen, die an potente jungen Männer gestellt werden. Life zeigt, dass auch Männer mit Erziehung und Arbeit überfordert sind, Fanny hingegen steht für die 30-jährigen Frauen, die sich insgeheim ja doch alle Kinder wünschen. Dabei ist aber klar, dass diese Dating-App vor allem Katalysator dieser Handlungen ist – und Skepsis die grundsätzliche Haltung des Films gegenüber Apps und Online-Dating-Möglichkeiten am ehesten beschreibt. Denn lediglich Mona geht selbstbewusst und selbstbestimmt an die Sache ran – und für sie ist von vorneherein klar, dass sie Erfüllung sucht und nicht jemanden „erfüllen“ möchte. Doch für so viel Selbstermächtigung und sexuelle Zielstrebigkeit muss sie dann auch peinliche Szenen über sich ergehen lassen.

Lose orientiert sich Safari – Match Me If You Can an Arthur Schnitzlers Der Reigen und verbindet verschiedene Liebes- und Sexgeschichten miteinander. Von der gesellschaftlichen Brisanz, die mit Schnitzlers Reigen einhergegangen ist, ist der Film indes weit entfernt. Hier ist nichts zu sehen, hier wird nichts erzählt, was man nicht bereits kennt – und auch gesellschaftliche Unterschiede werden allenfalls durch Innenräume und Ausstattung angedeutet. Stattdessen bleibt Regisseur Rudi Gaul auf harmlosen Pfaden – und es ist insbesondere der Musik von Laing und den SchauspielerInnen (allen voran Elisa Schlott) zu verdanken, dass man dem Reigen an Bettgeschichten bis zum Ende folgt. Wo das Heil am Ende dann liegt, ist ja auch klar: in Zweierbeziehungen und Ausstiegsträumen. Offline natürlich.

Safari - Match Me If You Can (2018)

Im Mittelpunkt von Rudi Gauls Film steht „Safari“, eine Münchner Dating-App, die für viele verschiedene Singles der Stadt für ganz schönes (emotionales) Durcheinander sorgt.

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Meinungen

Skells Macallan · 03.09.2018

Gesehen am Montag, 3.9.18, 20:15 Uhr im Cinemaxx Regensburg. Verhältnis Männer:Frauen im Publikum 1:5 (!). Fernab seichter Schenkelklopfer-Komödien inszeniert Rudi Gaul mit seinem hochkarätig besetzten Safari-Film eine gekonnte Sozialsatire, welche leicht und kurzweilig daherkommt und den Zuschauer wunderbar unterhält. Meine Favoriten – Krokodil und Fanny – ernteten auch beim Restpublikum die meisten Lacher. Die ausdrucksstärkste Leistung möchte ich auch der reif-lasziven und souveränen Krokodilbesetzung zuschreiben. Die Erotik ist wohldosiert und wirklich sehr ansehnlich! Bekannte Gesichter aus deutschen TV-Produktionen bereichern das im Grunde tieftraurige Biotop der virtuellen alter-egos. Hier und da ertappt man sich gar selbst als Spieler im Internet, erkennt die Absurditäten die damit einhergehen und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Toll, wie am Ende die reale Welt Oberwasser bekommt, was zu wahrhaft zukunftsträchtigen Paarungen führt. Prädikat: besonders wertvoll und empfehlenswert!

Bernd · 24.08.2018

Hab SAFARI gestern bei der Premiere in München gesehen: sehr guter und mal nicht der übliche plumpe deutsche Humor, durch die Bank weg tolle Schauspielleistung, super passender Music Score. Film kam bei der Premiere super beim Publikum an und es wurde viel gelacht.

Mein Fazit: sehr lustiger, frecher, spritziger, unterhaltsamer und toll produzierter Film.

Loretta C. · 25.08.2018

Ich war auch gestern bei der Premiere im Matthäser Filmpalast, sah somit den Film bereits zum zweiten Mal (1. Mal: Filmfestival) - und entdeckte einige Pointen, die, weil leise und nicht: platt, mir beim ersten Mal entgangen waren.
Ich schließe mich Deiner Meinung an: Der Humor ist eben gerade nicht einer, der Schenkelklopfer erzeugt. Er ist einerseits tiefgründiger, andererseits heiter-leicht. Ja, wohl nicht der typisch deutsche Humor, der in eine bestimmte klar definierte Genre-Schublade passt. Vielleicht verwirrt dies so manchen Filmkritiker, der vorgefertigte Bewertungsschubladen bedienen möchte!?
Und gestern: Das war ein toller Abend, der für mich erst um 2:00 bei der Party am Filmcasino Odeonsplatz endete.

Loretta C. · 09.07.2018

Ich habe schon lange nichts mehr gesehen, das sowohl gut unterhält als auch Anspruch hat und das tut der Film "Safari" beides. Sehr gute Dialoge, Tempo und visuell stark nimmt er den Zuschauer mit auf eine Reise durch die Betten des Dating-Heutes. Zeigte Schnitzler einen Querschnitt durch die gesellschaftlichen Schichten, ist es bei Safari das Bedürfnis des Individuums, das im Fokus steht. Das Individuum, das völlig übersättigt von den medialen Angeboten und Super-Ich-Pimpversionen eigentlich nur eines versucht: Es selbst zu sein. Gerade bei der Figur Fanny, der Hipsterin, wird es besonders deutlich. Sie sehnt sich nach einem Leben, in dem Verantwortung und bewusste Entscheidungen wieder eine Rolle spielen.
Es ist also sehr wohl ein Film von gesellschaftlicher Brisanz, der Fragen stellt, die man mit nach Hause nimmt. Und das, obwohl man eigentlich die ganze Zeit gelacht hat. Wir brauchen mehr von solchen Filmen!

Leandra · 07.07.2018

Es handelt sich um eine Gesellschaftssatire und deshalb greift sie Klischees aus dem Beziehungsalltag heraus, um diese zu offerieren. Auf Dialogebene ist ein Beispiel dafür die gespielte Toleranz der arabischen Kultur gegenüber (siehe Fanny, gespielt von Friederike Kempter).
Der Film regt zum Nachdenken über das eigene Beziehungsgeflecht - wenn auch in meinem Fall jenseits von Dating-Apps - an: Wie besorgt man sich schnell einen Kontakt, was nutzt einem unmittelbar? Schattierungen eines Kontaktes, das eigene Zurückstehen in bestimmten Momenten, ist nicht angesagt. In jedem Moment alles für sich zu nutzen ist die Devise. Das ist Beziehungs-Zeitgeist und so vermittelt der Film, gewollt überspitzt, ein treffendes Bild unser aller Bedürftigkeit.
Wer also den Denkapparat ausschaltet und nur ins Kino geht, um mit einer originellen Geschichte unterhalten zu werden, der sollte andere Filme besuchen.