¡No!

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Mit dem Skateboard dem Ende der Diktatur entgegen

Am Ende gleitet René Saavedra (Gael García Bernal) mit dem Skateboard durch die sonnigen Straßen Santiago de Chiles. Der alleinerziehende Werbefachmann hat gerade seinen größten beruflichen Triumph erlebt. Er hat die entscheidende Werbekampagne geplant, die den chilenischen Diktator Pinochet das Amt gekostet hat. Auf dem Skateboard kann er kurz durchatmen, denn der Weg zum Sieg war lang und nicht ohne Gefahren.
Regisseur Pablo Larraín begibt sich mit ¡No! erneut in die Untiefen der jüngsten chilenischen Geschichte. Nach dem er in Post Mortem die Autopsie von Salvador Allende zeigte (sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn), widmet er sich mit ¡No! nun dem Regime des Militärdiktators Augusto Pinochet.

Ausgangspunkt ist das berühmte No-Referendum aus dem Jahre 1988. Auf internationalen Druck stellte Pinochet sich und seine Politik den Chilenen zur Wahl. Die Volk hatte die Möglichkeit mit „Si“ für Pinochet zu stimmen oder mit „No“ gegen ihn und somit für ein freies und demokratisches Chile. Da man mit massivem Wahlbetrug rechnete, kam der Sieg der Opposition für alle überraschend. Den Erfolg verdankte man zu großen Teilen extravaganten und mutigen Werbeaktionen der No-Sympathisanten.

¡No! erzählt dies als wunderbar entschleunigte Satire, mit sanften Anleihen an den Hollywoodfilm Wag the Dog. Wie in Levinsons Komödie gilt auch bei Larraín die Devise: Eine gute PR-Kampagne ist viel wirkungsvoller als ein vernünftiger politischer Diskurs. Politik ist Ware, es geht nur darum, wer sich und sein Anliegen besser verkaufen kann. Nicht umsonst wird René Saavera als Leiter der No-Kampagne engagiert. Denn er war es, der für den Coca Cola-Konzern einen erfolgreichen Werbespot produziert hatte. Und so machen sich er und sein Team daran, ein passendes Logo, den passenden Jingle und die passenden Werbespots für No herzustellen. Man entscheidet sich für den nichtssagenden, und daher wohl am ehesten Erfolg versprechenden Slogan: „La alegría ya viene“ (Die Freude kommt schon). Doch das Pinochet-Team versucht gegen die No-Kampagne vorzugehen.

Pablo Larraín bleibt trotz Genre-Wechsel seinen Stammthemen und Motiven treu. Erneut steht ein Mann im Mittelpunkt der Geschichte, den die politischen Umbrüche im Lande zwingen, sich politisch zu engagieren. Für Larraín gibt es in Zeiten des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs keine Enthaltung. Jeder muss Stellung beziehen und wird sich früher oder später schuldig machen. Das ist der Preis, den die Figuren in seinen Filmen zu zahlen haben. In Post mortem war es der stumme Gerichtsmediziner, der die toten Demonstranten gabelstaplerweise obduzieren musste und darüber schwieg, bis er eine unverzeihliche Tat beging und selbst zum Täter wurde.

In ¡No! ist es René, der sich zunächst äußerst widerspenstig seiner Aufgabe annimmt. Die Politik hat ihn nie interessiert. Er hat sich mit den Verhältnissen arrangiert und glaubt nicht, dass die No-Kampagne irgendeine Änderung der politische Lage erreichen kann. Diese Gleichgültigkeit wandelt sich erst langsam. Und mit diesem Wandel gerät sein eigener Wohlstand, seine Sicherheit und auch sein Leben in Gefahr.

Das Tolle an ¡No! ist nun, dass Larraín diesen Wandel nicht übermäßig dramatisiert. Er vollzieht sich im Stillen. Der Film betrachtet das Geschehen mit einer wohltuenden Zurückhaltung, und bleibt auch zu René, immerhin die Hauptfigur, auf Distanz. Hinzu kommt noch, dass der im 4:3 Format gedrehte Streifen komplett digital gefilmt ist und die Bilder im Gegenlicht stets grünlich-rote Umrandungen bekommen, als würde es sich hierbei um eine alte, archivierte Filmkopie handeln. In diesem — fast schon abstrakten — Lichte betrachtet, wirkt das gewonnene Referendum nur wie ein Pyrrhussieg. Denn die Abwahl des Pinochet-Regimes erkauft sich das Volk durch die Akzeptanz der Regeln des Kapitalismus. Doch auch die sind manipulierbar. Deshalb steht René in der letzten Einstellung des Films wieder am Konferenztisch. Mittlerweile wurde er befördert. Nachdem er den Chilenen die hoffnungsfrohe Illusion der Freunde verkauft hat, wird er ihnen nun auch sagen, wie diese auszusehen hat.

¡No!

Am Ende gleitet René Saavedra (Gael García Bernal) mit dem Skateboard durch die sonnigen Straßen Santiago de Chiles. Der alleinerziehende Werbefachmann hat gerade seinen größten beruflichen Triumph erlebt. Er hat die entscheidende Werbekampagne geplant, die den chilenischen Diktator Pinochet das Amt gekostet hat. Auf dem Skateboard kann er kurz durchatmen, denn der Weg zum Sieg war lang und nicht ohne Gefahren.
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Meinungen

kim · 04.04.2013

Film muss man nicht sehen, kann man aber. Gael Garcia Bernal trägt den Film, versprüht aber keinen jugendlichen Eros mehr. Fast ein Lehrfilm über das amoralische Werbegewerbe mit ein bissschen Geschichtsunterricht.
Trotz Liebesplot oder vielleicht auch wegen kommt genau eine weibliche Nebenrolle vor - it´s a man`s world.