Una mujer fantástica - Eine fantastische Frau (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Eine Frau geht ihren Weg

Vor vier Jahren hatte Regisseur Sebastián Lelio einen dieser unerwarteten kleinen Superhits, die die Berlinale manchmal produziert. Sein Film Gloria schlug ein wie eine Bombe. Jetzt ist er wieder da und hat mit Una mujer fantástica abermals ein intimes Portrait einer Frau mitgebracht, die er stets detailliert und liebevoll begleitet auf ihrem schwierigen Weg durch Einsamkeit, Ausgrenzung, Beschämung, aber auch Resilienz. Dieses Mal ist es die Sängerin Marina (Daniela Varga) — und die hat es noch schwerer als Gloria, denn in den Augen vieler geht sie nicht einmal als „richtige Frau“ durch.

Für Orlando (Francisco Reyes) ist sie allerdings eine fantastische Frau, die Liebe seines Lebens. Auch wenn der Altersunterschied groß ist, sind die beiden ein verliebtes Paar, das Marinas Geburtstag feiert. Doch in der Nacht wird Orlando plötzlich von Kopfschmerzen heimgesucht. Beim Versuch, ihn ins Krankenhaus zu bringen, stürzt er eine Treppe herunter. Später stellt sich heraus, dass er eine Blutung im Kopf hat. Ihm kann nicht mehr geholfen werden. Und plötzlich dreht sich alles um Marina, der nicht einmal erlaubt wird, Schock und Trauer zu empfinden. Man ruft die Polizei, die sofort die Ausweispapiere will, auf denen „Daniel“ steht. Bei solch einem Altersunterschied und dann noch in so einer „außergewöhnlichen“ Beziehung muss natürlich etwas nicht stimmen. Orlandos Bruder, der als erstes im Krankenhaus eintrifft, ist der einzige, der Empathie zeigt. Danach beginnt aber der Spießrutenlauf erst, denn Orlandos Familie, vor allem Sohn und Ex-Ehefrau, lässt ihrem Hass jetzt erst richtig freien Lauf. Das Auto soll sie abgeben, sofort aus der Wohnung ausziehen. Der Hund, den Orlando ihr geschenkt hat, wird einfach mitgenommen. Sie wird von der Beerdigung ausgeladen, beschimpft, bedroht, bespuckt.

Und Marina? Sehr oft zeigt der Film sie mit Nahaufnahmen auf ihr Gesicht. Viel öfter als üblich, fast so, als müsse der Film unbedingt und immer wieder daran erinnern, dass dies hier ein Mensch ist. Ein Mensch, in deren Augen man sehen kann, dass sie fühlt und dass sie leidet. Dies scheint auch nötig, denn ihre Umgebung spricht ihr dies immer wieder ab. Aber diese Nahaufnahmen haben auch einen zweiten Grund. Marina spricht nicht viel, oft ist sie still, während andere sie tadeln, schelten, beschimpfen und ihr sagen, was sie zu tun und zu lassen habe. Doch dies darf man nicht mit Passivität verwechseln. Im Gegenteil. Aus dieser Stille entspringt stetig und immer wieder die Kraft zu Resilienz. Marina lässt sich nicht unterkriegen. Sie wehrt sich, gibt auch Widerworte. Aber sie nimmt eben nicht an jedem Kampf teil, sondern spart ihre Kräfte für Momente, in denen es wichtig ist.

Una mujer fantástica ist abermals ein Film, der sich mit Marginalisierten der Gesellschaft beschäftigt. Ohne jemals auch nur das Wort „trans*“ auszusprechen, ist dieser Film eine hervorragende und machtvolle politische Aussage. Schon allein weil hier tatsächlich mal eine Transgender-Schauspielerin zum Einsatz kommt. Aber auch weil Marinas Situation sehr bekannt unter queeren und trans* Personen ist, die oftmals nicht rechtlich abgesichert sind und so in Notfällen keinerlei Handhabe haben. Ihre Angewiesenheit auf die Familie des Verstorbenen zeigt wiederum deutlich die (nicht nur in Chile) vorhandenen gesellschaftlichen Umgänge mit nicht-normativen Menschen. Marina wird von zwei Seiten verraten: vom Staat und von der Gesellschaft. Doch ihre Menschlichkeit und ihren Sinn für Gerechtigkeit vermag niemand ihr zu nehmen. So besteht Marina auf ihr Recht und tut alles, es zu bekommen. Daniela Vargas Performance erinnert an Marion Cotillard in Zwei Tage, eine Nacht und auch an Natalie Portmanns Jackie. Auch hier sind es starke, ruhige Frauen, die mit der Isolation kämpfen und die es sich einfach nicht leisten können zu weinen und zusammenzubrechen, denn sie haben zu viel damit zu tun, ihre Würde zu bewahren und ihr Recht einzufordern.

Denn genau wie Gloria ist dies kein Film über eine Frau, die sich herumschubsen lassen wird. Nein, Marina geht ihren Weg. Und die Zuschauer gehen ihn mit, egal wie steinig und manchmal gar brutal er wird. Am Ende werden beide emanzipiert sein: Marina, aber hoffentlich auch das Publikum.
 

Una mujer fantástica - Eine fantastische Frau (2017)

Vor vier Jahren hatte Regisseur Sebastián Lelio einen dieser unerwarteten kleinen Superhits, die die Berlinale manchmal produziert. Sein Film Gloria schlug ein wie eine Bombe. Jetzt ist er wieder da und hat mit Una mujer fantástica abermals ein intimes Portrait einer Frau mitgebracht, die er stets detailliert und liebevoll begleitet auf ihrem schwierigen Weg durch Einsamkeit, Ausgrenzung, Beschämung, aber auch Resilienz.

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