Lady Snowblood (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

So anmutig wie gnadenlos

Ein Frauengefängnis in der Präfektur Tokyo zur Meiji-Zeit im 19. Jahrhundert: Die wegen Mordes inhaftierte Sayo Kashima (Miyoko Akaza) liegt in den Wehen, unterstützt von ihren Zellengenossinnen. Wenn das Kind nicht lebendig zur Welt komme, droht sie gar einer Geburtshelferin an, werde sie diese töten, doch nach einer schweren Geburt ist das kleine Mädchen wohlauf, während die Mutter bald darauf verstirbt. Zuvor bedauert sie ihre kleine Tochter noch dafür, mit der Bürde des Hasses geboren zu werden, denn Sayo hat sich zielbewusst mit jedem nur verfügbaren Wächter eingelassen, um schwanger zu werden und so einen Nachkommen für ihre glühend gepflegte Rache zu gebären. Draußen schneit es, und auf diese Weise beginnt die Geschichte der so anmutigen wie gnadenlosen Lady Snowblood, deren Leben den Rachegelüsten ihrer Mutter gewidmet ist.
Da trippelt eine elegante junge Frau mit aufgespanntem Schirm graziös durch eine stille Schneelandschaft, nur scheinbar verträumt, denn als sich ihr die Sänfte eines Herrn mit seinem Gefolge nähert, spannt sich ihre Aufmerksamkeit bis zum Äußersten, und bald hat sie die Gruppe mit sparsamer Präzision eliminiert. Blut tränkt den Schnee, denn Yuki Kashima (Meiko Kaji) ist nun als junge Frau im Racheauftrag ihrer verstorbenen Mutter Sayo unterwegs, von Kindheit an in der Obhut eines strengen Samurai zur eiskalten Kampfmaschine ausgebildet. Jene kriminellen Peiniger will sie nun aufspüren und töten, die Sayo den geliebten Ehemann nahmen und sie selbst schändeten, die schließlich einen von ihnen erstach und dafür wegen Mordes verurteilt wurde. Bereits vor ihrer Geburt war Yukis Schicksal als Rächerin besiegelt, das sie nun unbeirrt verfolgt.

Nach dem gleichnamigen Manga von Kazuo Koike und Kazuo Kamimura im Jahre 1973 von Toshiya Fujita inszeniert, bewegt sich dieses stringente Rache-Epos geschickt zwischen persönlicher Geschichte und historischen Hintergründen, die zuvorderst die Einführung der Wehrpflicht in Japan thematisieren. Jene Bande, die Sayo um ihr Familienglück brachte, betrug etliche arme Bauern mit der vermeintlichen Möglichkeit, ihre Söhne vom Kriegsdienst freikaufen zu können, und Yuki wird im Rahmen ihrer Racherecherche zu einer Art politischen Figur innerhalb der bedeutsamen gesellschaftlichen Wandel der Meiji-Periode. Als ein Schriftsteller eine offensichtlich authentische Fiktion über Yukis tragische Biographie veröffentlicht, lockt dieser rasch populäre Stoff nun die restlichen Gesuchten hervor, doch bald zeigt sich, dass dieser Autor auch ganz persönlich darin verstrickt ist…

Wenn das melancholisch-sanfte Titellied „Shura No Hana“ / „The Flower Of Carnage“ ertönt, von der immens intensiv aufspielenden Hauptdarstellerin Meiko Kaji selbst interpretiert, wird sich so mancher Martial-Arts-Liebhaber zuvorderst westlicher Prägung unweigerlich an den Soundtrack von Quentin Tarantinos Kill Bill Vol. 1 erinnert fühlen, der nicht nur diesen Song aus Lady Snowblood für seinen spektakulären Rache-Zweiteiler mit Uma Thurman als mörderische Heldin verwendet hat. Vielmehr ließ sich der US-amerikanische Erfolgsregisseur umfassend vom gesamten Stoff des japanischen Klassikers inspirieren, der nun mit hübschem Booklet mit der charismatischen Meiko Kaji im Fokus der Betrachtung als Blu-ray bei Rapid Eye Movies erscheint und längst zu den legendären, anspruchsvoll gestalteten Urgesteinen des Chambara-Genres zählt.

Die visuelle Ästhetik von Lady Snowblood rankt sich um drastische Brüche und farbliche Akzente und Gegensätze im Spannungsfeld der Hauptmotive Schnee und Blut, während die Kampfszenen einer drastisch brutalen, doch schlichten Choreographie folgen, die souveräne Meisterschaft der Heldin mit dem Effekt spritzender Blutströme betonend. Aus dem unschuldigen Baby, dessen Schicksal bereits bei seiner Geburt in einem Netzwerk von Verschwörern besiegelt ist, wird die für die Rache funktionalisierte, zielstrebige Frau, deren Schuld in die moralischen Wirren der Zeitgeschichte integriert wird. Doch diese Verortung relativiert sich, als gegen Ende der Geschichte mit der Tochter eines von Yukis Opfern erneut eine unschuldige Rachegestalt auftritt, die den Kreislauf der Tragik wiederum fortsetzt. Auf diese Weise gerät Lady Snowblood zu einem tiefgründigen, vielschichtigen Drama um den gnadenlosen Mechanismus der Vergeltung, der sowohl poetisch als auch im Sinne eines absoluten Daseinszwecks stilisiert wird. Ein eindringlich und ganz hervorragend inszenierter Film, der seine weiblichen Figuren mit ungeheurer Wirkungsmacht ausstattet, während sie gleichzeitig in einer schwelenden Ambivalenz als Opfer gefangen bleiben.

Lady Snowblood (Blu-ray)

Ein Frauengefängnis in der Präfektur Tokyo zur Meiji-Zeit im 19. Jahrhundert: Die wegen Mordes inhaftierte Sayo Kashima (Miyoko Akaza) liegt in den Wehen, unterstützt von ihren Zellengenossinnen. Wenn das Kind nicht lebendig zur Welt komme, droht sie gar einer Geburtshelferin an, werde sie diese töten, doch nach einer schweren Geburt ist das kleine Mädchen wohlauf, während die Mutter bald darauf verstirbt.
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