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Nazis in New York und Al Pacino in einer seiner wenigen TV-Rollen versprechen eine außergewöhnliche Mischung. Wer verbirgt sich hinter den Hunters?

Hunters (TV-Serie, 2020)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Schach den Faschisten

Nicht nur in der Liebe und im Krieg, auch in der Kunst ist alles erlaubt. Und so müssen Nazis in der Popkultur schon seit geraumer Zeit für alles, zwischen ernstem Drama und übler Exploitation, zwischen Tatsachenberichten und alternativen Geschichtsverläufen, herhalten. Die Prämisse der neuen Amazon-Serie klingt vielversprechend: Eine diverse Truppe bringt im Jahr 1977 in den USA untergetauchte Nazis zur Strecke, die im Verborgenen ein Viertes Reich planen. Jordan Peeles Name auf der Produzentenliste lässt auf Twists und Gänsehaut hoffen. Die von David Weil erdachte Serie trifft allerdings selten den richtigen Ton.

Die Ausgangslage erinnert an Quentin Tarantinos Inglourious Basterds (2009), nur mit Schlaghosen statt Uniformen. Und tatsächlich setzt auch Hunters auf einen Mix aus Referenzen und Revisionismus, mischt dem seltsamen Gebräu allerdings noch eine ordentlich Portion Comic unter. Wenn gleich zu Beginn ein ehemaliger Schlächter, der unter dem Decknamen Biff Simpson (Dylan Baker) bis in höchste politische Kreise um US-Präsident Jimmy Carter vorgedrungen ist, während einer Gartenparty Gäste und Familie massakriert, dann ist das näher an Amazons Comicadaptionen Preacher und The Boys als an der Serienumsetzung von Philip K. Dicks faschistischem Alternativuniversum The Man in the High Castle.

Offiziell läuft Hunters als Drama, ist dazu aber allzu comichaft inszeniert. Die knallbunten Bildergeschichten bilden auch im weiteren Verlauf den Referenzrahmen. Protagonist Jonah Heidelbaum (Logan Lerman) arbeitet tagsüber in einem Comicshop, nachts vertickt er Cannabis, um sich und seine Großmutter, die Holocaust-Überlebende Ruth (Jeannie Berlin), über Wasser zu halten. Als Ruth im eigenen Wohnzimmer von einem Maskierten erschossen wird, sinnt Jonah auf Rache.

Wer jetzt an Peter Parker denkt, liegt nicht ganz falsch. Die Hauptfigur aus den Spider-Man-Heftchen zitieren Jonah und seine besten Kumpels Arthur (Caleb Emery) und „Cheeks“ (Henry Hunter Hall) ebenso, wie die drei Jungs über den gerade in den Kinos gestarteten Star Wars (1977) und die Abenteuer von Batman diskutieren. Ist Bösewicht Darth Vader nicht doch ein good guy? Und was unterscheidet ihn von einem Milliardär wie Bruce Wayne, der sich in seiner Freizeit im Fledermauskostüm über das Gesetz stellt?

Scherzhafte Konversationen wie diese geben die Richtung vor. Denn schon bald stellt sich auch für Jonah die Frage, auf welcher Seite von Recht und Ordnung er steht. Durch den steinreichen Meyer Offerman (Al Pacino), der mit Ruth das Konzentrationslager überlebte, stolpert Jonah mitten hinein in einen Plot voller Lügen und Geheimnisse. Bald kleben ihm die FBI-Agentin Millie Malone (Jerrika Hinton) und der Killernazi Travis Leich (Greg Austin) an den Hacken, und die Handlung spaltet sich in drei Erzählstränge auf.

Hunters ist reich an Zitaten und Zeitkolorit, jedoch arm an Takt und Ton. Die Kostüme sitzen, die Ausstattung ist stimmig. Und wenn die Kamera wiederholt zu Vogelperspektiven ansetzt, sind wir mitten drin im schwülen Summer of Sam, als David Berkowitz New York City mit einer Mordserie überzog. Dementsprechend beschäftigt ist die Polizei. Für den Mord an einer alten Jüdin findet sie weder Zeit noch Interesse.

Von den Ermittlern enttäuscht schließt sich Jonah Offermans Vigilanten an. Kurze Einspieler in bester Exploitation-Manier stellen die kuriose Gruppe vor, die das Gesetz selbst in die Hand nimmt. Das alte Ehepaar Murray (Saul Rubinek) und Mindy Markowitz (Carol Kane) ist für Technik und Überwachung zuständig, der abgehalfterte Schauspieler Lonny Flash (Josh Radnor) für Verführungs- und Verwandlungskünste und Vietnam-Veteran Joe Torrance (Louis Ozawa) fürs Grobe. Nonne und Ex-MI-6-Agentin Harriet (Kate Mulvany) zeichnet für die Planung und die Black-Power-Aktivistin Roxy Jones (Tiffany Boone) für Fälschungen und für die Säuberung der Tatorte verantwortlich. Eine wild zusammengewürfelte Truppe, eine Art Comicversion von Kobra, übernehmen Sie (1966-1973) auf Speed, die mal Nazis entführen und meucheln, mal einen Bankraub in schönster Heist-Movie-Hommage durchziehen.

Würden Serienschöpfer Weil, seine Drehbuchautoren und Regisseure es dabei belassen, wäre Hunters ein Mordsspaß. Über Nazis zu lachen oder seine Rachefantasien an ihnen in der Fiktion auszuleben, kann äußerst befreiend sein. Doch Hunters koppelt seine blutige Farce immer wieder an die Gräuel des Zweiten Weltkriegs rück. Um die Nazis einzuführen, blicken Weil & Co. in die Konzentrationslager und verheben sich in diesen kurzen Szenen gewaltig. 

Popkulturzitate und halluzinierte Tanzeinlagen stehen neben Sadismus und Massenmord, gelungene Pointen neben gnadenlos missratenen und völlig unterschiedliche Herangehensweise an die Charaktere sich gegenseitig im Weg. Hauptdarsteller Logan Lerman legt seinen Charakter bierernst, Kollege Josh Radnor seinen parodistisch an. Und Schauspielschwergewicht Al Pacino irrlichtert irgendwo dazwischen.

Dadurch schwankt diese Serie nicht nur beständig im Ton, sie degradiert die Opfer des Holocaust auch zu Randfiguren, deren Leid nur der Motivation der Hauptcharaktere dient und deren Tode ähnlich austauschbar wie die der Altnazis geraten. Das gewaltsame Ableben Letztgenannter fällt ebenso fragwürdig aus. Von einem geschmacklosen Mord unter der Dusche (der allerdings nicht bis zum Ende gezeigt wird) bis zu einem irritierenden Verhör eines von Barbara Sukowa gespielten Leni-Riefenstahl-Verschnitts ist alles vertreten. Ob Sukowas Szene verstören, Ekel erregen oder doch Lachen hervorrufen soll, ist bis zuletzt nicht klar und treibt einem tiefe Sorgenfalten ins Gesicht.

Das Intro dieser Serie zeigt ein Schachbrett, auf dem sich die Nazis und ihre Jäger gegenüberstehen. Welche unerwarteten Züge Hunters noch nehmen wird, lässt sich nur erahnen. In den ersten fünf Episoden, die für die Presse vorab zu sehen waren und dieser Kritik zugrunde liegen, deutet sich der perfide Umsturzplan der Nazis zumindest an. Hinter ihrem weiblichen Colonel (Lena Olin) steht wohl ein noch mächtigerer General. Und nicht alle von Offermans Racheengeln scheinen die zu sein, für die sie sich ausgeben.

Die übrigen fünf Folgen dürften ähnlich blutig und ambivalent ausfallen. Brillant inszeniert, aber ohne Gespür für Zwischentöne. Ein zwiespältiges Vergnügen.

Hunters (TV-Serie, 2020)

Die von Jordan Peele mitproduzierte Serie „Hunters“ folgt einer Gruppe von Nazi-Jägern im New York City des Jahres 1977. Diese heften sich an die Fersen von Neonazis, die Umsturzpläne schmieden, um ein Viertes Reich in den USA zu erschaffen.

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