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Nach der Konferenz ist vor der Konferenz, vor allem beim Kampf gegen die globale Erderwärmung. Filip Antoni Malinowski hat den wegweisenden Pariser Klimagipfel von 2015 mit der Kamera begleitet und den Prozess der Verhandlungen exemplarisch beleuchtet.

Guardians of the Earth (2017)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Das Ringen um den Klimaschutz

Der Weltklimakonferenz Ende 2015 in Paris gelang mit ihrem Abkommen zur Begrenzung der Erderwärmung ein seit zwei Jahrzehnten angestrebter Durchbruch beim internationalen Klimaschutz. Die 195 beteiligten Staaten einigten sich auf das Ziel, die globale Erderwärmung auf weit unter 2 Grad Celsius zu begrenzen.

Vertreter der vom Klimawandel besonders gefährdeten Länder verbuchten als Erfolg, dass im Abkommen sogar die Absicht festgehalten wurde, eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius zu versuchen. Der Dokumentarfilm des in Wien lebenden Regisseurs Filip Antoni Malinowski (Maria muss packen) hat den mühsamen und fragilen Prozess der Einigung auf der 11-tägigen Konferenz festgehalten.

Sich diesen Film zweieinhalb Jahre nach Paris anzuschauen, ergibt durchaus Sinn. Das Ringen um eine substanzielle Einigung bekommt ein Gesicht, indem einzelne Protagonisten in Aktion vorgestellt werden. Der Konflikt zwischen nationalen Wirtschaftsinteressen einerseits, globaler Vernunft und Solidarität mit gefährdeten Staaten andererseits scheint in aller Härte auf. Eine sogenannte „Koalition der Ambitionierten“, zu der neben Inselstaaten der Südsee unter anderem auch die EU gehört, propagiert vehement die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius. 

Doch wie man seither wieder erfahren hat, ist Papier geduldig: Im Jahr 2016 war mehr Kohlendioxid in der Erdatmosphäre als je zuvor. 2017 kündigte US-Präsident Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen an. Deutschland hat einer Studie zufolge schon Ende März 2018 so viel Kohlendioxid ausgestoßen, wie ihm für das ganze Jahr erlaubt wäre, ohne den in Paris vereinbarten Klimaschutz zu gefährden. Die Vereinten Nationen konferieren derweil weiter, im Dezember 2018 soll es in Katowice endlich um konkrete und verbindliche Regeln für die Umsetzung der Klimaziele gehen. Wer sich für diese Konferenz interessiert, dem bietet dieser Dokumentarfilm einiges Hintergrundwissen.

Die größte Herausforderung besteht für Malinowski erkennbar darin, die Massenveranstaltung in Paris atmosphärisch einzufangen und zugleich strukturiert auf das Wesentliche zu reduzieren. 20.000 Unterhändler sind vor Ort, aber auch Aktivisten, Demonstranten, Prominente wie Arnold Schwarzenegger. Tagelang geht es in Arbeitsgruppen um strittige Formulierungen im Abschlusstext, beispielsweise um die Frage, an welche Stelle das Wort „soll“ oder doch lieber das relativierende „sollte“ gehört. Die Zögerlichen und Bremser sind schnell ausgemacht: Es sind vor allem die erdölexportierenden arabischen Länder. Aber Umweltaktivisten nehmen am Rande der Konferenz auch Australien aufs Korn, das sich das Geschäft mit den Kohleexporten nicht verderben lassen will. 

Oft entstehen die Filmaufnahmen im Gewühl der Gänge, vor den Türen der Sitzungsräume. Dazwischen werden kurze Redebeiträge und Wortmeldungen im Plenum sowie erklärende Statements ausgewählter Protagonisten geschnitten. Der beratende Experte und Moderator Saleemul Huq aus Bangladesch ist ein alter Hase, er hat an allen 21 Klimakonferenzen der Vereinten Nationen teilgenommen. Er setzt sich für die Belange der am meisten gefährdeten Länder ein und verliert zwischendurch beinahe die Hoffnung, dass die 1,5 Grad als Langzeitziel vereinbart werden können. Er hat die zögerliche Haltung der reichen Staaten und der großen Schwellenländer allzu oft erlebt.

Saleemul Huq fungiert mit seinen Kommentaren für die Kamera fast schon als Führer durch die Konferenz. Um der Gefahr zu begegnen, dass die Konferenz auf Außenstehende bürokratisch dröge oder nüchtern wirkt, streut der Film einige sehr emotionale und bewegende Szenen ein. Christiana Figueres, die damalige Leiterin der UN-Klimarahmenkonvention, kämpft während eines Redebeitrags mit den Tränen angesichts der fehlenden globalen Solidarität mit den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Staaten. Eine Archivaufnahme gilt der flammenden Rede des philippinischen Chefunterhändlers Yeb Saño auf dem Warschauer Klimagipfel 2013. Unter dem Eindruck des verheerenden Taifuns Haiyan kündigte er einen Hungerstreik an, um ein Konferenzergebnis zu forcieren. Nach Warschau wurde er aus der Delegation ausgeschlossen, in Paris zählt er nur zu den Demonstranten. 

Von einer Politik nationaler Egoismen zu internationaler ökologischer Verantwortung umzuschwenken, ist ein zäher Prozess. Doch die Zeit drängt bekanntlich. Malinowskis Film ergreift Partei für den Klimaschutz. Nicht alle Statements und Szenen erscheinen in ihrer Aussagekraft optimal ausgewählt. Das mag auch daran liegen, dass die Kamerapräsenz oft gar nicht möglich ist. Aber vielleicht hätte beispielsweise die Arbeit Saleemul Huqs näher und genauer über alle Etappen begleitet werden können. Dennoch ist der Film informativ, sehenswert und politisch wertvoll, weil er einen zum Teil geheimen Verhandlungsprozess transparenter macht, den öffentlicher Druck künftig beschleunigen könnte.

Guardians of the Earth (2017)

Im Jahre 2015 trafen sich 195 Länder der Erde in Paris zur Weltklimakonferenz. Anhand einiger Teilnehmer von dort zeigt „Guardians of the Earth“ das zähe Ringen um ein Abkommen, das die globale Erwärmung stoppen soll.

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