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Wer sind die jungen Leute, die regelmäßig bei Fridays for Future mitmachen, Demos organisieren und Aktionen planen? Wie gehen sie mit der Größe der Bewegung um und mit Enttäuschungen, die auf hochgesteckte Erwartungen folgen? Die Dokumentarfilmerin Kathrin Pitterling hat sich in Berlin umgesehen.

Aufschrei der Jugend – Fridays for Future inside (2021)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Für das Klima auf die Straße

Es dauerte nur wenige Monate, bis aus den freitäglichen Schulstreiks der 15-jährigen Schwedin Greta Thunberg eine weltweite Jugendbewegung für den Klimaschutz erwuchs. Der rasante Aufstieg von Fridays for Future vollzog sich im Jahr 2019. Allein in verschiedenen deutschen Großstädten versammelten sich jeweils Zehntausende überwiegend junger Menschen zu den großen Klimademonstrationen. Dann brach 2020 die Corona-Pandemie an und machte weitere Kundgebungspläne erst einmal zunichte. Doch die globale Jugendbewegung kam, entgegen mancher Prophezeiungen, nicht zum Erliegen. Der Dokumentarfilm von Kathrin Pitterling hat Fridays for Future in Berlin über einen Zeitraum von 18 Monaten während dieser beiden entscheidenden Jahre begleitet. 

Wie es der Untertitel – Fridays for Future Inside – ankündigt, gewährt der Film Einblicke in die Organisationsstrukturen der basisdemokratischen Bewegung, in der sich Schüler*innen und Student*innen engagieren. Gedreht wurde in Berlin nicht nur auf den großen Demos, sondern auch in Sitzungen von Arbeitsgruppen und Organisationskomitees. Die einzelnen Phasen, welche die Protestbewegung durchläuft, werden sichtbar, von der ersten Euphorie über die Herausforderungen, die das explosive Wachstum mit sich bringt, bis hin zur unausweichlichen Ernüchterung wegen der zögerlichen Reaktion der Politik. 

Die jungen Leute – einige von ihnen sind anfangs gerade erst 14 oder 15 Jahre alt – sprechen darüber, wie sie mit der Arbeitsbelastung umgehen, mit Hasstiraden in den sozialen Medien, oder wie sich ihre Sichtweise im Laufe der Monate bei Fridays for Future verändert hat. So stellt sich der Film mit einem neuen, vertiefenden Zugang neben Dokus mit Überblickscharakter wie beispielsweise Now oder das Porträt der Initiatorin I am Greta. Als Fernsehfilm wurde Aufschrei der Jugend erstmals Ende 2020 gesendet und gewann den ARD-Wettbewerb Top of the Docs 2020. Nun kommt er 2021 auch als Director’s Cut in einer rund zehn Minuten längeren Fassung in die Kinos. 

Famke stößt mit 15 Jahren zur Bewegung und hilft Demos organisieren. Mit ihrer Freundin kichert sie gerne, wie Mädchen ihres Alters das nun mal tun. Fridays for Future ist 2019 eine oft fröhliche Angelegenheit, Aufbruchstimmung und jugendliche Unbeschwertheit vermischen sich und beweisen, dass politisches Engagement Spaß machen kann. Der 14-jährige Silvan fährt mit dem Skateboard zur Vollversammlung. Dort wird Kritik laut, dass das Kernteam zu oft in den Medien sei und sich zu sehr abschotte. Das Wachstum der Bewegung hat zu einer neuen Unübersichtlichkeit geführt, immer mehr junge Leute wollen mitorganisieren. Wie verteilt man Aufgaben, wie koordiniert man, wie sollen Beschlüsse gefasst werden? 

Nach ihrer Rede auf der Hauptversammlung von Volkswagen wird die 17-jährige Clara mit Hasskommentaren im Netz konfrontiert. Sie will keine Interviews geben, kann sich der Medienanfragen aber kaum erwehren. Auch Luisa Neubauer, Gründerin und prominentestes Gesicht von Fridays for Future in Deutschland, steht für den Film Rede und Antwort. Sie spricht von Enttäuschungen über die Politik, motiviert aber immer wieder die jungen Aktivist*innen und Demonstrant*innen, nicht aufzugeben. In den Gruppen der regelmäßigen Mitarbeiter*innen, deren Zahl ein Mitglied auf rund 60 schätzt, wird nun auch diskutiert, ob man sich radikalisieren soll. Aber solche Gedanken verwerfen die Urheber gleich wieder selbst: Diese Generation ist nicht die von 1968, sondern ungleich friedfertiger und überdies demokratisch besser geschult. Der Student Moritz, der immer als Ordner auf Demos zu tun hatte, sagt Ende 2019, er sei „richtig platt“ und werde nun eine Pause einlegen. Zu Anfang des Jahres 2020 findet Silvan, „der Hype ist vorbei“. Der 15-jährige Elias hingegen sagt nun erst recht: „Fridays for Future ist mein Leben!“ 

Manche Aktivist*innen kommen und gehen wieder, andere stoßen neu hinzu. Ständig gibt es neue Probleme zu bewältigen, wie den Umgang mit den Corona-Beschränkungen. Dann entsteht 2020 die Idee einer Online-Demo. Fridays for Future hat mittlerweile längst bewiesen, dass ihr Idealismus keine Eintagsfliege ist, sondern über einen langen Atem verfügt. Es gäbe schon jetzt viel neuen Stoff für weitere dokumentarische Chroniken. Sicher wird dieser sehenswerte, informative Film nicht der letzte über diese Protestbewegung sein, die den schwerfälligen politischen Apparat durchaus schon in Bewegung gesetzt und den älteren Generationen bewusst gemacht hat, wie dringlich der Schutz des Klimas ist. 

Aufschrei der Jugend – Fridays for Future inside (2021)

2020 erschüttert Corona das Weltgeschehen. Die Klima-Krise? Verdrängt aus dem öffentlichen Diskurs. Die jugendlichen Aktivist*innen von Fridays for Future sehen sich ihrer wirkungsvollsten Protestformen beraubt. Aber sie geben nicht klein bei. Unermüdlich forschen sie nach neuen Möglichkeiten, die Politiker zum Umdenken zu bewegen. Doch von rechts hagelt es Anfeindungen und auch der innere psychische Druck ist immens. 

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Meinungen

Verka · 28.10.2021

Ein Glück, dass 23% der Erstwähler die FDP gewählt haben und mit dem blanken Hass, der diesem selbstgerechten Held auf dem Plakat ins Gesicht geschrieben ist, wohl wenig am Hut haben.