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Eine Griechin und eine Französin begegnen sich in den Straßen Istanbuls und setzen ihre Reise gemeinsam fort. Sie ist unberechenbar, aber voller Musik. Deshalb ist auch Tony Gatlifs neuer Film wieder mehr Musikvideo und Dokumentation als Spielfilm.

Djam (2017)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Mit Frechheit punkten

„Djam“ beginnt mit seiner großen Stärke – der Musik. Wie aus dem Nichts taucht Hauptfigur Djam hinter einem Zaun auf und singt eines dieser Lieder, die zum Rembetiko gehören, einer griechischen Volksmusik, die Kraft hat, Willensstärke und Lebensfreude versprüht, aber auch von Schmerz zeugt.

Für Djam (Daphné Patakia) liegt der Schmerz in ihrer Familiengeschichte. Ihre Mutter ist nach Paris ausgewandert, deshalb spricht Djam auch so gut Französisch und andere Sprachen, kann sich überhaupt gut auf der Welt bewegen. Aber ihre Mutter, eine großartige Rembetiko-Sängerin, ist viel zu früh gestorben und fehlt ihr. Djam lebt mittlerweile bei ihrem Onkel Kakourgos (Simon Abkarian) auf Lesbos und hilft mit, wo sie kann. Der ehemalige Seemann betreibt ein Restaurant, liebt sein Schiff aber über alles.

So schickt Kakourgos eines Tages die junge Djam nach Istanbul, weil er ein Ersatzteil für sein Boot braucht. Djam macht sich also auf in die Türkei und trifft dabei auf die 19-jährige Französin Avril (Maryne Cayon), der das Geld gestohlen wurde und die nicht weiß, wohin sie nun soll. Sie folgt Djam und gemeinsam machen sie sich auf die Reise durch Istanbul und wieder zurück nach Lesbos, eine Art kleine Odyssee mit vielen Begegnungen, die mal schön, mal ärgerlich, mal lästig sind – und immer begleitet die beiden die Musik.

Avril kommt aus einem Pariser Vorort und wollte in die Türkei, um dort als Freiwillige in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten. Als sie mit Djam auf Lesbos ankommt, wird sie erstmals mit der erschütternden Wirklichkeit konfrontiert. Das wird allerdings nicht großartig im Dialog oder durch die Geschichte ausgebreitet, sondern lediglich in – überwältigenden – Bildern gezeigt. Bilder, die für sich sprechen und in wenigen Einstellungen die humane Misere der Krise aufzeigen.

Tony Gatlifs Stil ist ein dokumentarischer: Er zeigt eine Frau aus Griechenland, zu deren Alltag es gehört, über die Grenze zu gehen, kleinen Handel zu betreiben, spontan zu sein, mit Frechheit zu punkten und immer aufzuzeigen, wie schön Freiheit sein kann. Der Film begleitet seine Hauptfigur auf ihrer Reise, die sie mit verschiedenen Menschen zusammenbringt, und ist dabei relativ unspektakulär. Djam zeigt, wie das Leben von Djam ist – natürlich mit Höhen und Tiefen, aber ohne dramaturgischen Spannungsbogen oder gesetzten Highlights. Das ist einerseits überzeugend, andererseits aber verliert der Film auch immer wieder an Schärfe, gerade wenn er das Flüchtlingsgeschehen im Mittelmeer thematisiert oder die Behörden das Restaurant von Kakourgos räumen lassen. An manchen Stellen des Films fragt man sich daher, um was es eigentlich geht. 

Eines ist klar: Es ist die Musik, die auch Tony Gatlifs neuen Film trägt. Immer wieder wird der Film zum Quasi-Musikvideo: Meist es ist Djam, die abtaucht in die Welt der Musik, ein Lied singt, weil gefeiert wird, weil sie die Stimmung aufgreifen oder etwas erreichen will – oder auch einfach, weil ihr danach ist. Und es ist vor allem Daphné Patakia, die in der Rolle der Djam beeindruckt: Sie hat eine unglaubliche Ausstrahlung, im Gesang mehr noch als im Schauspiel. Allerdings singt sie nicht einfach nur, sondern wird aus dem Off instrumental begleitet, was dem Ganzen noch mehr Stärke verleiht.

Herzstück des Films – der Geschichte wie der Filmmusik – ist der Rembetiko, ein Musikstil aus der Volksmusik Griechenlands und der osmanischen Musiktradition, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts in den Subkulturen von Athen, Piräus und Thessaloniki entwickelt hat. Gatlif versteht ihn als eine „Musik der Ungeliebten, der Menschen, die darauf stolz sind, wer sie sind. Subversive Musik, deren Texte Worte sind, die heilen.“ Er verbindet diesen Musikstil eng mit seiner Figur Djam, die genau das ist: subversiv, aber auch stolz darauf, das zu sein, was ist sie – auch wenn es manchmal weh tut.

Djam (2017)

Die junge Griechin Djam wird von ihrem Onkel Kakourgos nach Istanbul geschickt, um dort ein rares Ersatzteil für ein Boot zu besorgen. Dort trifft sie auf die 19-jährige Französin Avril, die als Freiwillige in die Türkei kam, um in der Flüchtlingshilfe zu arbeiten, doch ohne Geld und Kontakte ist die junge Frau verloren in der großen fremden Stadt. Djam beginnt sich um Avirl zu kümmern — und dies ist der Beginn einer Reise voller Musik, wundervoller Begegnungen und Freude am Teilen …

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Meinungen

Harald · 02.05.2018

Phantastischer Film.
Schwer beeindruckt, von allem.