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„Nur noch schnell die Welt retten“ ist heute für den Verbraucher beinahe ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Obwohl einem die Megaindustriekonzerne unentwegt ihr verkaufsträchtiges Leitideal von „fairer und nachhaltiger“ Produktion entgegenfeuern, steckt dahinter vor allem eines: Massenbetrug.

Die grüne Lüge (2018)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Der Weichmacher

„Mir wird gesagt, dass ich die Welt retten kann.“ Werner Boote spricht in seinem neuen Dokumentarfilm Die grüne Lüge – wie gewohnt – aus dem Off und agiert dabei ebenso gerne vor der Kamera als so eine Art „Michael Moore der Alpenrepublik“, wie er in seiner österreichischen Heimat gerne tituliert wird.

Das kann man stilistisch nun mögen oder nicht, genauso wie das muntere, reichlich blumige Zitieren aus Antoine de Saint-Exupérys Der kleine Prinz im Abspann des Films. Was allerdings fest steht, ist der große Erfolg dieser sehr speziellen Regiemethode, die dem von vornherein besonders öffentlichkeitswirksamen Dokumentarfilmsubgenre „Umweltzerstörung und Ressourcenverbrauch“ in den vergangenen 20 Jahren insgesamt gehörigen Auftrieb verschafft hat.

Filmästhetisch – wie politisch – nicht unähnlich zu ebenfalls überaus engagierten wie erfolgreichen Filmemacherkollegen wie Bertram Verhaag (Code of Survival), Erwin Wagenhofer (We feed the world) oder Markus Imhoof (More than Honey), gehört er quasi zu den Guten in der Branche. Unentwegt, mit großer Freude am Aufklären wie Wachrufen eckt er mit seinen Filmen (z.B. Plastic Planet/Alles unter Kontrolle/Population Boom) bei vielen an. Manche Konzerne, Lobbyisten oder Verbände laden ihn länger schon nicht mehr ein oder erteilen ihm bereits vorab keine Drehgenehmigung. Auch manche Politiker in seinem Geburtsland sind nicht durchwegs positiv auf ihn zu sprechen, weil er eben Film für Film die großen Menschheitsthemen unserer Zeit extrem breitenwirksam in Angriff nimmt.

Seit langem schon treibt ihn in diesem Zuge speziell die rasante Nachfrage nach neuen Lebensmitteln (z.B. Palmöl), nach neuem Ackerland (in Südamerika oder Südostasien) wie neuen Energie- und Antriebsformen (wie dem Elektroauto) um. Nach seiner intensiven Beschäftigung mit den Megathemen Plastikmüll, Überbevölkerung und Überwachung hat er sich nun für Die grüne Lüge mit den PR-Heilsversprechen internationaler Konzerne auseinandergesetzt, die gegenwärtig unentwegt von „nachhaltiger Produktion“ und „fairen Arbeitsbedingungen“ in den massenhaft armen Herstellungsländern schwärmen. Selbstverständlich würden dabei nie sinnlos Ressourcen verbraucht, Menschen vertrieben oder Produktionsabfälle unsauber entsorgt – so werben zumindest IKEA, Coca Cola, Nestlé und Co. auf ihren Unternehmensseiten und Fachveranstaltungen.

Dass das ganze natürlich ziemliche Augenwischerei ist, ist so neu nicht, wird aber in Bootes durchaus unterhaltsam inszenierten Aufklärungsfilm – positiverweise ohne all zu viel Predigerton oder zig Zahlenkolonnen – erhellend in Szene gesetzt. Mit gestandenen O-Ton-Gebern, unter denen besonders der Weltweise und Globalisierungskritiker Noam Chomsky hervorsticht: „Die reichsten acht Menschen besitzen so viel wie die halbe restliche Menschheit. Die Macht über alle wichtigen Entscheidungen liegt bei denen, die das Kapital haben“, heißt es da zum Beispiel ebenso klar wie besorgniserregend aus dem Munde des emeritierten MIT-Professors aus Boston.

So einfach ist das – und so schwer lässt sich daran im ersten Moment etwas ändern. Seiner Meinung nach müsste man die Hebel allerdings zuallererst nicht bei den Konzernen selbst, sondern vielmehr generell im politischen System wie in den Köpfen der Menschen ansetzen, um die derzeit gut 7,6 Milliarden Erdenbürger irgendwie noch vor dem Totalkollaps bewahren zu können: Nur genügend Mut bräuchten die Menschen im Grunde dazu, weil bisher noch jede Menschheitsgeisel – egal ob Sklaverei oder die lange Zeit furchtbar schlechte gesellschaftliche Stellung der Frauen – irgendwann durch den Feuereifer einzelner RevolutionärInnen („Erfolge passieren nicht von allein!“) zumindest weitgehend beseitigt werden konnte.

„Machen Sie doch einen Film!“, ruft er Werner Boote während des Gesprächs vor der Kamera zu. Genau den hat der Österreicher nun zusammen mit der Münchner „Greenwashing“-Expertin Kathrin Hartmann im ARD-Faktencheck-Modus abgeliefert. Überwiegend ohne trockene Didaktik, immer etwas frotzelnd im Ton und sich gleichzeitig etwas naiv vor der Kamera gebend, ist Die grüne Lüge alles in allem ein richtiger und wichtiger Beitrag zu unserem nach wie vor relativ unkritischen Einkaufsverhalten geworden sowie zu den geradezu zynischen Machenschaften vieler Unternehmensriesen (wie BP, Unilever oder RWE) im Hintergrund der globalen Produktionskette, die ausschließlich umsatzorientiert handeln. So einfach ist das – und gleichzeitig so schlimm!

Die grüne Lüge (2018)

Nachhaltigkeit, Transparenz und fairer Handel sind im Zeitalter des „Bio-Booms“ aktueller denn je… „Die grüne Lüge“ thematisiert sowohl Nachhaltigkeitsaspekte im alltäglichen Leben des Konsumenten, als auch Innovationen und neue Trends mit dadurch verbundenen globalen Herausforderungen auf diesem Gebiet.

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Meinungen

wignanek-hp · 30.03.2018

Ein unglaublich wichtiger Film, der viel Stoff zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten bietet und das lange über den Kinobesuch hinaus. Boote und Hartmann verstehen es zudem, ihren Film mit einer guten Portion Humor zu versehen, so dass er nicht zu düster wird. Zwischendurch bekommt man eine unheimliche Wut auf die Menschen, die diese Umweltschweinereien zu verantworten haben, man versteht aber auch, dass es keine leichten und einfachen Lösungen des Problems gibt. Das finde ich sehr wichtig, denn zu oft sind die einfachen Lösungen auch nur wieder "grüne Lügen" und zwar in die eigene Tasche.

Wignanek-hp · 21.03.2018

Der Film ist unbedingt sehenswert. Man geht mit Gewinn aus dem Kino und hat viel Stoff zum Nachdenken.