Brawl in Cell Block 99 (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Fanservice statt Psychologie

Die Erwartungen der GenreliebhaberInnen, diese Filmkritikerin eingeschlossen, waren groß nach S. Craig Zahlers ganz hervorragendem Bone Tomahawk. Ist Brawl in Cell Block 99 ebenso gut oder geht der Film hier den klassischen Weg vieler Zweitlingswerke, die mit ihren starken Vorgängern nicht mithalten können? Die Antwort darauf liegt eindeutig in der Hauptfigur.

Und diese, Bradley Thomas (Vince Vaughn), ist schon eine Überraschung. Einfach aus dem Grund, weil sie Vince Vaughn nach zahlreichen eher mittelmäßigen Komödien einen Neuanfang erlaubt, bei dem er sich von einer ganz anderen Seite zeigen kann. Und so wird aus dem zwei Meter großen, bulligen Schauspieler ein ernster, stiller Mann, der versucht, sein Leben auf die Reihe zu kriegen. Doch Bradley hat es nicht einfach. Gleich zu Beginn des Filmes wird der ehemalige Boxer in seinem eh schon beschissenen Job bei einem Abschleppdienst gefeuert und erwischt dann seine Frau Lauren (Jennifer Carpenter) beim Fremdgehen. Bradley ist sehr bemüht, sich unter Kontrolle zu behalten, doch man merkt, dass unter all seinem kontrollierten Auftreten unendliche Wut schlummert sowie ein Verlangen danach, mit seinen riesigen Händen und seiner Kraft alles zu zertrümmern. Dieses Bedürfnis lässt er dann nur an Laurens Auto aus. Danach spricht er, ganz kontrolliert, mit ihr über die Zukunft der Beziehung. Die beiden lieben sich, doch der Verlust ihres Kindes hat sie voneinander entfernt und die ökonomische Lage macht die Dinge noch schwerer. Und so beschließt Bradley, bei einem Freund anzuheuern, der mit Drogen dealt. 18 Monate später wohnen beide in einem schicken Haus, Lauren ist wieder schwanger und alles könnte gut gehen. Doch Menschen wie Bradley haben kein Glück. Kurz vor der Geburt des Kindes geht ein Drogendeal mit einem neuen mexikanischen Kunden schief und Bradley landet im Knast. Sieben Jahre hat er bekommen und er plant diese, ganz kontrolliert, abzusitzen und dann zurück zu Frau und Kind zu gehen. Doch dann bekommt er Besuch von einem dubiosen Typen (herrlich wie immer: Udo Kier). Dieser zeigt ihm Bilder von Lauren, die entführt wurde. Bradley soll dafür sorgen, dass er in ein anderes Gefängnis, Red Leaf, kommt, um dort in Zellenblock 99 einen Typen kaltzumachen. Tut er es nicht, wird ein koreanischer Arzt dem Kind im Mutterleib die Gliedmaße amputieren. Und so tut Bradley wie ihm geheißen und beginnt von da an seine unglaublichen Aggressionen und seine Kraft zu nutzen, um sich durchzuschlagen und seine Frau zu retten.

Was hier jedoch gleichsam geschieht, ist das Kippen seiner Balance aus Kontrolle und Wut. Denn wie man schon von Anfang an spürte, steckt in Bradley eben auch ein hassendes, schäumendes Biest. Brawl in Cell Block 99 ist das, was man gern als slow burner bezeichnet. Der Film köchelt lange, lange Zeit so vor sich hin. Nur langsam entspinnt sich die Geschichte und diese Langsamkeit, zusammen mit der steifen, restriktiv-kontrollierten Art Bradleys, sorgen für ein fast schon surreales Ambiente und Erlebnis, welches ein wenig an die schwelenden Konflikte und die aufkochende Wut von Michael Douglas in Falling Down erinnert, wenn man sie mit ein wenig Surrealismus à la Quentin Dupieux (Wrong) würzt. So ganz kann man den Finger nicht draufhalten, doch das stetige Gefühl, dass etwas nicht ganz stimmt, ist da und gibt dem Film einen interessanten Drive. Zumindest für eine Weile, denn die Vorhersehbarkeit der Ereignisse nehmen dem Ganzen relativ schnell das gewisse Etwas. Und vor allem Bradley, der anfänglich noch enigmatisch war, entschlüsselt sich schnell und entwickelt sich dann nicht weiter. Vielmehr zeigt er nur mehr und mehr sein sadistisches, wütendes Inneres, das er im Namen der Rettung von Frau und Kind nun so richtig ausleben kann. Doch auch hier – diese Entwicklung ist sehr vorhersehbar und umso enttäuschender ist es, dass hinter dem Enigma nichts weiter steckt. Kein Psychodrama wird hier aufgebaut, keine Konflikte, Ambivalenzen oder wenigstens eine ehrliche Psychopathie. Nein, hier wird auf einfachste Weise die rigorose Aggressivität Bradleys mit einem moralischen Kern versehen, der mehr Schein als Sein ist und über den auch nicht weiter nachgedacht wird.

Denn ab da ist das Werk doch zu beschäftigt, sich in Gore und Hypergewalttätigkeit zu baden und den Fans dergleichen ein Gelage an spritzendem Blut, gebrochenen Körpern und vor allem zertretenen Schädeln zu bieten. Nun ist auch diese Filmkritikerin kein Kind von Traurigkeit, wenn es um Gewalt im Film geht, nur ist es eben wie mit allem im Leben und im Kino: Wenn es sich stetig wiederholt und das ohne tieferen Sinn, dann wird es irgendwann einfach langweilig. Und so stürzt Zahlers Werk dann doch mehr und mehr in klischierte Genregesten und wird zu einem Fanservice, anstatt mit seinen Möglichkeiten im Psychologischen oder auch Philosophischen zu arbeiten. Und so tappt Brawl in Cell Block 99 doch irgendwie in die Zweitlingswerk-Falle. Aber alle guten Dinge sind drei, heißt es ja nicht umsonst.
 

Brawl in Cell Block 99 (2017)

Die Erwartungen der GenreliebhaberInnen, diese Filmkritikerin eingeschlossen, waren groß nach S. Craig Zahlers ganz hervorragendem „Bone Tomahawk“. Ist „Brawl in Cell Block 99“ ebenso gut oder geht der Film hier den klassischen Weg vieler Zweitlingswerke, die mit ihren starken Vorgängern nicht mithalten können? Die Antwort darauf liegt eindeutig in der Hauptfigur.

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