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Sei ganz leise oder du wirst sterben: In „A Quiet Place“ bringen Geräusche den Tod – was den Figuren des Films so einiges abverlangt.

A Quiet Place (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Sei still!

„A Quiet Place“ fängt mit der Einblendung „Day 89“ an. Was am „Tag null“ geschah und welche Konsequenzen dies mit sich brachte, erfahren wir indes nicht durch Texttafeln, sondern wird uns im Laufe des ersten Aktes in Bildern und (ganz wenigen) Tönen vermittelt.

Zu Beginn sehen wir das Ehepaar Lee und Evelyn Abbott (John Krasinski und Emily Blunt), das sich mit seinen Kindern Regan (Millicent Simmonds), Marcus (Noah Jupe) und Beau (Cade Woodward) barfuß durch eine verlassene und verwüstete Drogerie in einer menschenleer wirkenden, mit ausgehängten Vermisstenmeldungen zugepflasterten Kleinstadt bewegt. Das Quintett kommuniziert ausschließlich in Gebärdensprache miteinander – was auch daran liegt, dass die junge Regan gehörlos ist. Der Grund für die Vermeidung jeglicher Geräusche wird uns hingegen alsbald drastisch vor Augen geführt, als sich die Abbotts wieder auf dem Nachhauseweg befinden und ein von Beau unerlaubt im Laden mitgenommenes Spielzeugflugzeug plötzlich Laute von sich gibt: Aus dem Wald stürzt eine große, schnelle Kreatur herbei – und lässt die fünfköpfige Familie als verstörtes Quartett zurück.

Die Prämisse des Endzeit-Horrordramas ist damit klar: Wer nicht still ist, muss sofort sterben. Nach einem Zeitsprung zum 472. Tag werden uns durch gesammelte Zeitungsartikel sowie Notizen weitere Details zum Hintergrund der Geschichte mitgeteilt: Die Erde wurde vor nunmehr fast 500 Tagen von unbekannten Lebewesen angegriffen, die zwar blind sind, aber umso besser hören können – und Jagd auf alles machen, was Geräusche von sich gibt. Die Abbotts, die offenbar zu den wenigen Überlebenden in ihrem Gebiet zählen, wohnen in einem von Maisfeldern umgebenen Farmhaus und haben für ihren Alltag Methoden entwickelt, um dem Tod durch die Eindringlinge zu entgehen. Doch Evelyn ist hochschwanger – und die bevorstehende Geburt in Anbetracht der Umstände eine besorgniserregende Herausforderung.

Der Film arbeitet in erster Linie mit Stille, lässt uns aber niemals zur Ruhe kommen. Neben der gekonnt aufgebauten, angespannten Atmosphäre sind es vor allem die diversen Strategien des Überlebenskampfes, die A Quiet Place in den ersten zwei Handlungsdritteln überaus reizvoll machen: Während sich Horrorfilmfiguren oft allzu töricht verhalten, wodurch es schwerfällt, wirklich mit ihnen mitzufiebern, hat sich die Abbott-Familie einige bewundernswert kluge Dinge einfallen lassen, um den aggressiv-geräuschempfindlichen Aliens nicht zum Opfer zu fallen – von Fußböden mit exakten Markierungen, die jegliches Knarren verhindern sollen, bis zu einem Lichtsystem, das alle Familienmitglieder im Notfall informiert. Rot bedeutet Gefahr – und Gefahr bedeutet: Sie sind hier!

John Krasinski, der nicht nur die männliche Hauptrolle spielt, sondern mit A Quiet Place zugleich seinen dritten Langfilm in Szene gesetzt und gemeinsam mit Bryan Woods und Scott Beck das Drehbuch verfasst hat, zeigt deutliches Interesse an seinen Figuren: Die Abbotts sind Menschen, die tiefen Schmerz empfinden – über den desolaten Zustand der Welt, über den erlittenen Verlust sowie über innerfamiliäre Konflikte, an denen eine Familie auch unabhängig von einer postapokalyptischen Umgebung zerbrechen kann. Diesen Schmerz teilen die vier Mitglieder jedoch zumeist nicht miteinander, sondern versuchen jeweils, allein damit zurechtzukommen. Das zentrale, vierköpfige Ensemble verkörpert diese physische und psychische Belastung durchweg überzeugend.

Sowohl in seiner wohldurchdachten audiovisuellen Gestaltung als auch in seiner feinfühligen Figurenzeichnung erinnert A Quiet Place an John Hillcoats Cormac-McCarthy-Verfilmung The Road (2009) sowie an die guten Passagen aus M. Night Shyamalans Werken Signs (2002) und The Village (2004). Im abgelegenen Farmhaus sowie in den Wäldern und Feldern schafft Krasinski gelungene Spannungsmomente; obendrein erweist er sich als Nachwuchs-Master of Suspense, wenn er etwa mit einem Nagel, der aus einer Holztreppenstufe heraussteht, Unheil ankündigt. Mit voranschreitender Laufzeit wird der Film zunehmend zu einem Kino des Leidens – insbesondere Emily Blunt (die auch im echten Leben mit Krasinski verheiratet ist) hat in ihrer Rolle einiges zu ertragen. Der Film ergötzt sich allerdings nicht an den schmerzverzerrten Gesichtern und den Qualen seiner Figuren, sondern ist empathisch – und genau deshalb ziemlich hart, ohne auf übertriebene Grausamkeit setzen zu müssen.

Im letzten Drittel häufen sich bedauerlicherweise die Pathos-Gesten; zudem verliert der Schrecken an Wirkung, sobald wir mehr von den extraterrestrischen Wesen zu sehen bekommen. Zwar ist deren äußere Erscheinung durchaus eindrücklich – dennoch werden aus der allgegenwärtigen Gefahr letztlich recht konventionelle CGI-Kreationen und das Bedrohungsszenario mündet in eine nicht gänzlich stimmige Auflösung. Das macht aus A Quiet Place gewiss noch keine filmische Enttäuschung, verhindert aber, dass das Werk zur großen (kleinen) Genre-Sensation wird, die man in den ersten zwei Dritteln zu erkennen und zu erleben glaubt.

A Quiet Place (2018)

„A Quiet Place“ ist die dritte Regiearbeit des Schauspielers John Krasinski, der hier gemeinsam mit seiner Ehefrau im wahren Leben, der Darstellerin Emily Blunt, auch vor dem Kamera steht. Der Film handelt von einem Paar mit Kind, das auf einer abgelegenen Farm von bösen Mächten traktiert wird.

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Meinungen

Harald · 13.04.2018

Spannend? Vielleicht bis dahin, wo der Knabe mit dem Spielzeug verschwindet.
Ab da gähnende Langeweile, weil ich irgendwelchen Leuten zuschaute, die mich nicht ansatzweise berührten, bei denen es mir weitaus mehr als beim billigsten Horrorstreifen völlig egal war, was mit ihnen geschah.
Was mich zudem den ganzen Film über massiv ärgerte: die von Sicario abgekupferten Soundeffekte.

Markus · 26.08.2018

Kann mich meinem Vorredner nur anschliessen. Horror Feeling kommt keines auf ebensowenig wie eine emotionale Bindung zu den Charakteren. Anfangs noch interessiert überzeugt der Film über seinen Verlauf hinweg durch Langeweile. Kein Film den man sich ein zweites Mal ansehen möchte.