xXx: Die Rückkehr des Xander Cage (2017)

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Guns, Girls und Politkritik

Die erste konfuse Anspielung in xXx: Die Rückkehr des Xander Cage ist Samuel L. Jacksons: „We’re not living in the time of terror. We’re living in the time of peril.“ Die Aussage ist so inhaltsleer, man könnte darin eine Persiflage auf medial abgenutzte Aussagen zum aktuellen Weltgeschehen herauslesen. Es bleibt unklar, wer die eigentlichen Opfer einer Zeit der Gefahr sind und worin sich Gefahr und Terror genau unterscheiden. Es könnte sich hierbei um einen gut pointierten Witz handeln, eventuell aber auch bloß um ein schlechtes Drehbuch. Schon im ersten Film der Triple-X-Reihe konnte man nur schwer erkennen, wie ernst er eigentlich gemeint war. Da die Actionszenen meist generisch und übertrieben waren, musste man vermehrt annehmen, es handele sich um eine Parodie. Vielleicht machte man sich mit selbst für die damalige Zeit ungewöhnlich schlechtem CGI, übertriebenen Stunts und einem Drehbuch, das in fast jeder Zeile Angriffsfläche bot, über den modernen Actionfilm lustig. Vielleicht ist es wirklich so gewesen. Vieles deutet jedenfalls darauf hin, dass man mit der xXx: Die Rückkehr des Xander Cage nicht nur an diese Tradition anschließen, sondern noch viel weiter gehen wollte.

Xander Cage (Vin Diesel), Extremsportler und Geheimwaffe der NSA, wurde lange totgeglaubt. Tatsächlich hat er sich auf Sinnsuche begeben und ein Vagabundenleben voller Zweifel und Fragen gelebt. Doch 14 Jahre nach seinem letzten Einsatz wird Cage nun von der CIA gebraucht: Eine vermeintliche Terroristengruppe ist im Besitz einer Apparatur, die Satelliten beliebig auf die Erde stürzen lassen kann und den plakativen, jedoch nicht wirklich treffenden Namen „Die Büchse der Pandora“ trägt. Xander Cage soll sie wiederbeschaffen, und zwar mit einem Team anderer extrem lebender Außenseiter. Bei seiner Arbeit wird jedoch das Triple-X-Team vom Rebellenführer Xiang (Donnie Yen) behindert, der anderes mit der Büchse vorhat.

Man könnte einen Film wie diesen leicht verwerfen, seine Handlung belächeln und den überskizzierten Stil für Mist erklären. Doch er wirft in seinen Strukturen und Darstellungsformen viele Fragen auf, die man stellen muss, wenn man den Film und seine Zuschauer ernst nehmen will. Und das sollte man. xXx: Die Rückkehr des Xander Cage bedient sich vieler widersprüchlicher sozialer und kinematografischer Ansätze, die in einer Dreiteilung sichtbar werden.

Im ersten Drittel des Films sind überzeichnete Actioninhalte, schlechter Schauspielstil und eine klassische männliche heteronormative Perspektive die vorherrschenden Elemente. Die Geschichte um die „Büchse der Pandora“ ist von vorneherein wenig glaubwürdig und die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Ereignissen sind ungeklärt. Doch das stört nicht weiter, ohnehin sind inhaltsgetriebene Sequenzen bloße Platzfüller zwischen den Actionszenen. Leider wirken auch sie uninspiriert und zusammenhangslos.

Die weiblichen Charaktere werden, gleich ob Mitglieder des Teams oder Statisten, als Babes porträtiert, die meisten von ihnen aus unerklärlichen Gründen von Xander Cage sexuell angezogen. Es wird viel Haut gezeigt – die Frauen werden mehrheitlich ausgestellt, um in der sexualisierten Darstellung angeschaut zu werden. Man ist beinahe erstaunt über diesen unverfrorenen Sexismus. Und was das weibliche Actionpotenzial angeht, so bleiben für die Triple-X-Frauen nur die langweiligen hinteren Plätze. Die Schauspielerin Ruby Rose verkörpert als öffentliche Figur die Coolness innerhalb moderner fließender Geschlechterdarstellungen, wird jedoch in xXx: Die Rückkehr des Xander Cage als Scharfschützin nur aus der Ferne aktiv. Die technische Expertin (Nina Dobrev) hat Angst vor Waffen. Die CIA-Agentin (Toni Collette) will sich nicht die Finger dreckig machen und die weibliche Gegenfigur zu Xander Cage, Extremsportlerin Serena (Deepika Padukone), muss trotz eigenen Kampfgeschicks von Cage gerettet werden. Eine Welt, in der Männer noch echte Männer sein können und Frauen bloß ein Abziehbild des männlichen Ideals sind. Das gefällt heute immer noch erstaunlich vielen.

Die erste Fraktur in diesem Narrativ erzeugt eine Stimmung der governmental paranoia und einen naturalistischen Stilwechsel. Die CIA wendet sich gegen das Triple-X-Team und will es eliminieren, um die Büchse der Pandora für sich behalten zu können. Eine logische Konsequenz, kann man heute geheimdienstliche Institutionen nicht mehr als vertrauenswürdige Arbeitgeber umspielen wie vor 13 Jahren. Man wird gewissermaßen daran erinnert, dass man niemandem trauen kann: Nicht seiner Regierung und auch nicht den Geschehnissen auf der Leinwand. Alles was vorher gezeigt wurde, erscheint deswegen vielmehr als eine Lüge. Stattdessen dominieren nun Donnie Yens Martial-Arts-Choreographien und der klassische Actionstil wie man ihn aus den 1980er Jahren noch kennt. Yen, eine der wichtigsten Figuren der klassischen Hong Kong Martial-Arts-Filme, ein erfahrener Schauspieler und Kampfszenen-Choreograph, kreiert beeindruckende Bewegungsabläufe, die an Kampfszenen aus Klassikern wie A Touch of Zen erinnern. Die entscheidende Schießerei wird ebenso in einem bodenständigen Stil inszeniert. Die Frauencharaktere übernehmen dabei aktive Rollen. Die Figuren von Rose und Padukone beherrschen den Schusswechsel im Nahkampf, die technische Expertin lernt sich selbst zu verteidigen und selbst die CIA-Agentin findet in ihrer neuen bösen Identität eine handelnde Rolle. Dabei bleibt der Kleidungsstil der Frauen überraschend alltagstauglich.

Doch im kritischen Moment, in dem man glaubt, Triple-X würde gegen den Staat verlieren, wird der Realismus von einem märchenhaften Stil gebrochen. Das letzte Drittel ist nicht einmal innerhalb der Triple-X-Reihe ansatzweise glaubwürdig. Vielmehr ist es eine Traumsequenz. Die teilweise lebensgefährlichen Verletzungen sind in Minuten verheilt, die Helden frisch frisiert und unversehrt. Eine weitere Flucht in eine vermeintlich sichere Traumwelt.

Vielleicht sind diese Stilwechsel ein Zufall, eventuell einem schlechten Regiestil oder einem schwachen Drehbuch geschuldet. Doch dafür sind die Zeichen vielleicht auch zu deutlich. xXx: Die Rückkehr des Xander Cage ist auf den ersten Blick ein oberflächlicher Film. Doch zwischen den Bildern verharrt etwas. Es ist vielleicht nicht gleich erkennbar, aber wenn man genau hinsieht, ist es da. xXx: Die Rückkehr des Xander Cage ist ein, wenn man so will, in höchstem Maße politischer Film. Er verpflichtet sich zu nichts, er will nicht erziehen. Und doch hat er etwas zu sagen. Auf einer Metaebene hat xXx: Die Rückkehr des Xander Cage viele problematische Aspekte des modernen Zeitalters und auch die Abgründe der aktuellen amerikanischen Lebensrealität recht genau abgebildet. Um wessen Realität es sich dabei handelt, sei dahingestellt. Möglicherweise zeigt sich hier die Gedankenwelt eines potentiellen Trumpwählers, wenn es einen Archetyp von ihm überhaupt gibt. Vielleicht würde diese Realitätsrezeption dann in etwa folgendermaßen aussehen: Sich erst von außen mit falscher Information berieseln lassen. Dann erschrocken am eigenen Leibe die Wahrheit erfahren. Und wieder aus der Realität fliehen. Nur nicht hinsehen. Alles wird gut. Oder vielleicht doch nicht?
 

xXx: Die Rückkehr des Xander Cage (2017)

Die erste konfuse Anspielung in „xXx: Die Rückkehr des Xander Cage“ ist Samuel L. Jacksons: „We’re not living in the time of terror. We’re living in the time of peril.“ Die Aussage ist so inhaltsleer, man könnte darin eine Persiflage auf medial abgenutzte Aussagen zum aktuellen Weltgeschehen herauslesen.

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