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Der deutsche Filmemacher David Wnendt hat mit internationalem Cast den Roman „The Sunlit Night“ von Rebecca Dinerstein adaptiert – und lässt Jenny Slate durch ein tragikomisches Tohuwabohu wuseln.

The Sunlit Night (2019)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Hoch im Norden

Bei Frances (Jenny Slate) läuft es gerade überhaupt nicht gut. Kurz nachdem die New Yorker Künstlerin ein Stipendium ausgeschlagen hat, um mit ihrem snobistischen Freund Robert (Dan Puck) nach Japan zu ziehen, macht dieser einfach Schluss mit ihr. Und die Verkündung, dass Frances’ Schwester Gaby (Elise Kibler) heiraten wird, geht direkt mit der unfeierlichen Mitteilung einher, dass ihre Eltern Levi (David Paymer) und Mirela (Jessica Hecht) sich scheiden lassen. Fortan wohnt Frances mit ihrem Dad in dessen Mini-Atelier – und weiß, dass sich schleunigst etwas ändern muss in ihrem Leben.

Der Auftakt von The Sunlit Night ist derart verspielt, verstolpert, verquasselt und verpeilt, dass es wirklich eine Freude ist. Der 1977 in Gelsenkirchen geborene Regisseur David Wnendt, der sich mit Werken wie Kriegerin (2011) und Feuchtgebiete (2013) an Tabuthemen gewagt hat, liefert mit der Leinwandadaption von Rebecca Dinersteins gleichnamigem Roman (auf Basis eines Skripts der Autorin selbst) ein recht unerwartetes internationales Debüt. Der provokante Tonfall seiner Vorgänger weicht einem typischen US-Indie-Vibe mit betont schrulligen Figuren. Zuweilen mag das um eine Spur zu gefällig sein. Dennoch zeigt Wnendt auch hier, dass er ein Gespür für originelle Bilder und für eine empathische Inszenierung hat. Alles in The Sunlit Night ist ein bisschen zu überzeichnet, ein bisschen zu artifiziell, um der Wirklichkeit nahezukommen. Und doch macht es glücklich, Frances bei der Selbstfindung zuzuschauen.

Ihr Drang, New York und all ihre Sorgen rasch hinter sich zu lassen, führt Frances auf die Lofoten-Inseln in Norwegen. Nordlicht, Mitternachtssonne, ländliche Ruhe und niedliche Tiere („Da – eine kleine Ziege!“) statt urbanem Chaos im Big Apple – Frances findet alles „so schön, dass es als Gemälde zu kitschig wäre“. Aber sie ist nicht zum Vergnügen hier, sondern soll gemeinsam mit dem mürrischen Maler Nils (Fridtjov Såheim) innerhalb von 30 Tagen eine Scheune streichen. Gearbeitet wird zwölf Stunden am Tag – und nachts ist es leider viel zu hell, um schlafen zu können. Der ungemütliche Wohnwagen, den Nils Frances als Schlafplatz zur Verfügung stellt, macht die Sache nicht besser. Dann taucht allerdings der trauernde Yasha (Alex Sharp) auf, dessen Vater hier im Wikinger-Stil bestattet werden soll. Die schockverliebte Frances sieht in ihm Caravaggios Knaben mit dem Früchtekorb – und will, wie sie selbst sagt, „sein Früchtekorb sein.“

Die Romanze zwischen Frances und Yasha weist ähnliche Stärken und Schwächen wie der restliche Film auf. Auch hier mutet alles zu aufgesetzt an, um gänzlich glaubhaft zu sein. Die Spielfreude, die Jenny Slate und Alex Sharp ausstrahlen, ist hingegen absolut einnehmend und lässt die Klischees beinahe vergessen. The Sunlit Night steckt voller hübscher Einfälle: von der surrealen Atmosphäre in einem riesigen Supermarkt bis zur Skurrilität eines Wikinger-Museums. Hinzu kommen so viele charmante Nebenrollen, dass die zwei am prominentesten besetzten Parts bisher noch nicht einmal erwähnt werden konnten: Gillian Anderson als Yashas exzentrische Mutter und Zach Galifianakis als Wikinger-Fan. Irgendwo zwischen dem fröhlich ausufernden literarischen Kosmos von John Irving und modernem Indie-Kino sorgt die Romanverfilmung für sympathische Unterhaltung und ist, ganz nebenbei, eine weitere Talentprobe für die noch immer sträflich unterschätzte Dramedy-Könnerin Jenny Slate.

The Sunlit Night (2019)

Für die Künstlerin Frances beginnt der Sommer katastrophal: Ihr lange geplantes Kunstprojekt scheitert, ihr Freund wirft sie aus dem gemeinsamen Haus in den Hamptons, und während ihre jüngere Schwester glückselig ihre Verlobung zelebriert, verkünden ihre Eltern das Ehe-Aus. Schwankend zwischen Panik und Frustration nimmt Frances kurzerhand eine Kunstresidenz in Norwegen an und verbringt die nächsten Wochen den abgelegenen Lofoten, auf denen die Sonne niemals untergeht. Doch in der Abgeschiedenheit der Berge wird Frances ungewollt von der Liebe eingeholt.

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