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Wenn die 15-Jährigen im Zentrum dieses Films auf die Straße treten, müssen sie mit Zoff und Gewalt rechnen. Regisseur David Wnendt entführt mit der Adaption des Romans von Felix Lobrecht in eine Welt, welche die Wohlstandsgesellschaft gerne übersieht.

Sonne und Beton (2023)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Eine Jugend im Problemviertel

Lukas (Levy Rico Arcos) ist 15 und wohnt im Blockviertel Gropiusstadt im Berliner Bezirk Neukölln. Dass ihn die Security am Morgen nicht in seine Problemschule hineinlässt, weil er keinen Schülerausweis vorzeigen kann, nimmt er nicht weiter tragisch. Lukas verabredet sich mit seinem Freund Gino (Rafael Luis Klein-Heßling). Aber dieser ruft auch den angeberischen Julius (Vincent Wiemer) hinzu, der nach Lukas’ Erfahrung Ärger magisch anzieht. Widerwillig geht er mit den beiden durch den Park, in dem die Dealer ihre Drogen verkaufen, Julius kann die Klappe nicht halten und schon wird Lukas zusammengeschlagen. Als sein verwitweter, arbeitssuchender Vater (Jörg Hartmann) sein übel zugerichtetes Gesicht sieht, sagt er wie immer nur: „Der Klügere gibt nach!“

Ein deutscher Spielfilm über eine Jugend im Plattenbau ist schon eine ziemliche Rarität. Der ebenfalls in der Berliner Gropiusstadt angesiedelte Christiane F. — Wir Kinder vom Bahnhof erschien 1981, also vor über 40 Jahren. Und dass sich Filmproduktionsfirmen überhaupt für das Aufwachsen an sozialen Brennpunkten interessierten, lag sicherlich – damals wie auch jetzt bei Sonne und Beton – am Erfolg der jeweiligen Buchvorlagen. Lukas und seine Freunde gleiten zwar nicht wie Christiane F. in die Tragödie der Heroinsucht ab, aber ihr Alltag zwischen viel Frust und Erlebnishunger kann auch ganz schön krude sein.

Felix Lobrecht hat in die 2003 spielende Handlung seines gleichnamigen Romans viel von seinen eigenen Jugenderlebnissen eingebaut. Diese authentische Sichtweise ist auch im Film zu spüren, für den Lobrecht zusammen mit dem Regisseur David Wnendt (Kriegerin, Feuchtgebiete) auch das Drehbuch schrieb. Die Gefahr, dass wie so oft im deutschen Film die Erwachsenen hinter der Kamera mit pädagogischer, interpretatorischer Besserwisserei – ähnlich wie Lukas’ Vater – die Erfahrungswelt jugendlicher Protagonisten verfehlen, schien also von Anfang an gebannt. Vor Ort gedreht, mit Deutsch-Rap unterlegt und in den vier Hauptrollen mit Jugendlichen besetzt, die zum ersten Mal vor der Kamera stehen, gelingt dem Film auch in der Tat ein hohes Maß an Authentizität, die für fesselnde Unterhaltung sorgt.

Lukas und seine drei Freunde Gino, Julius und Sanchez (Aaron Maldonado-Morales) sind grundverschieden. Lukas wirkt noch ziemlich kindlich und hat stets Skrupel, wenn die anderen auf krumme Ideen kommen. Der linksliberale Vater, der sich über ein neues Jobangebot als Hausmeister an der Uni freut, ist ihm im Gespräch keine Hilfe. Aber immerhin verpasst er ihm nicht ständig ein blaues Auge, wie Ginos betrunkener Vater seinem Sohn. Gino wirkt meistens bedrückt, während die Situation in seinem Elternhaus unaufhörlich eskaliert. Der draufgängerische Julius wirkt nicht nur auf Lukas unberechenbar, weil er oft handelt, ohne die Folgen zu bedenken. Julius interessiert sich wie Sanchez für Mädchen und Partys, aber beides scheint für sie schwer erreichbar zu sein – auch weil sie kein Geld haben. Als die Freunde mal in Julius’ verdreckte Wohnung hineinschauen, sind sie geschockt: Er lebt bei seinem älteren Bruder, der sich mit seinen Kumpanen rund um die Uhr auf dem Sofa zudröhnt. Am besten scheint es daheim noch Sanchez zu haben, mit seiner alleinerziehenden, aber liebevollen Mutter (Franziska Wulf). Sanchez hat schließlich eine Idee, wie sie alle das Geld für angesagte Klamotten und sonstige Wünsche auftreiben könnten. Und so dringen Lukas, Julius und er nachts in ihre Schule ein, um die Computer zu stehlen, die dort zum ersten Mal angeschafft werden konnten.

Mit dem beeindruckend gespielten Jungs-Quartett – insbesondere Levy Rico Arcos  und Vincent Wiemer prägen sich nachhaltig ein – geht die Schilderung des oft kaputten und gefährlichen Milieus einher. Die Schlägereien, in die die Freunde geraten, sind brutal. Der Unterricht in der Klasse hat im Dauerlärm der Chaos stiftenden Schüler*innen keine Chance. Zum Milieu gehört auch die unverfälschte Sprache – von „Bitches“, „Technik-Alis“, „Arabs“ ist die Rede und fast jeder zweite Satz beginnt mit „Ich schwöre“. Die Freunde geben sich mit Alkopops die Kante, kiffen, schauen auf dem Dach eines Blocks völlig erledigt in den neuen Morgen. Oder sie freuen sich, wenn sie einer brenzligen Lage durch Davonrennen entkommen. Es fehlt nicht an Dialogwitz und Situationskomik auf ihrem abenteuerlichen Weg durch Missgeschick, Verwegenheit und Durchlavieren. Ihren Triumphzug einer Shoppingtour krönt Regisseur Wnendt mit dem Witz, dass dem vor dem Schultor postierten Sicherheitsmann die Kippe aus dem Mund fällt, als Lukas in seinen neuen Turnschuhen vorbeistolziert.

Wnendt inszeniert mit einem gewissen Hang zum Aufpeppen, als benötigte die ohnehin spannende Handlung noch die verstärkende Wirkung eines Energydrinks. Wenn Lukas in der Not davonrennt, wackelt die Kamera extrem, als der türkische Dealer Cem (Lucio101) einmal ein paar Sätze sagt, sind diese mit stakkatohaften Schnitten getaktet. Ein andermal gibt es sogar einen animierten Trip in menschliche Blut- und Nervenbahnen, um die Wirkung eines Medikaments zu illustrieren. Diese Stilmittel bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen gelungener Spiegelung eines intensiven jugendlichen Lebensgefühls und seiner Verkehrung in poppige Künstlichkeit. Aber Wnendt verliert die Bodenhaftung nicht, dafür sorgt auch schon immer wieder Lukas’ besorgtes Kindergesicht. Und so fiebert man mit diesen Jungs mit auf ihren pubertären Abenteuern in einem Alltag, in dem der gutbürgerliche Sicherheits- und Geborgenheitsanspruch außer Kraft gesetzt ist.

 

Sonne und Beton (2023)

Ein heißer Sommer. Vier Jungs in den Hochhausschluchten Berlins. Eine folgenschwere Entscheidung. Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller-Roman des Stand Up-Comedian Felix Lobrecht.

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Meinungen

Miri · 17.03.2023

Der Film ist nicht für 12jährige geeignet, nur Gewalt, der Trailer reicht schon..somit wird die Jugend mit solchen Filmen noch mehr verdorben, da die solche Filme als Vorbild nehmen! Filme in denen Gewalt vorkommt, sollten generell verboten werden!

Heidi · 11.03.2023

Dieser Film ist für alle 12 -16 jährigen gut geeignet, der Film an sich ist sehr spannend und wer kein Blut oder Schlägereien sehen kann sollte den Film lieber nicht sehen.
Ich würde den Film weiter empfehlen.