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Freddie wurde in Korea geboren, aber als Kind von einem französischen Paar adoptiert. Als Erwachsene besucht sie zum ersten Mal ihr Geburtsland und lernt ihre biologischen Eltern kennen. Davy Chou beweist große Sensibilität im Umgang mit Themen wie Heimat, Identität und dem Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen.

Return to Seoul (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Die Heimat im Blut

Das Thema der massiven Adoption von koreanischen Kindern in den Jahren vor dem Wirtschaftsaufschwung Südkoreas ist ein sehr faszinierendes. Bisher hat es noch nicht viel Einzug in Spielfilmstoffe gefunden, doch scheint sich daran langsam etwas zu ändern. Die Auseinandersetzung kommt dabei allerdings kaum von innen. In Südkorea ist es nämlich ein Tabu. Man erinnert sich nur mit Scham an eine Zeit, in der das Land derart arm gewesen ist, dass es seine Kinder weggeben musste. Wie das nicht selten beim Menschen passiert, kann sich so ein Gefühl in Aggression und Verachtung genau denen gegenüber transformieren, die am allerwenigsten eine Schuld an der Situation tragen. Konkret bedeutet das, dass adoptierte Kinder in der südkoreanischen Gesellschaft oft als minderwertig angesehen werden. Sie stören das Bild und die Vorstellung der intakten Familie, auf der die Nation ruht. Eine gewisse Feindseligkeit allem Fremden und dem Einfluss fremder Kulturen gegenüber macht den Rest.

Zu diesem Thema wird dringend Aufklärung benötigt. Einen Schritt in diese Richtung hat die südkoreanische, insgesamt ziemlich gesellschaftskritische Serie Misty, die auf Netflix zugänglich ist, gemacht, da sie sich in einer Folge genau mit diesen Dynamiken beschäftigt. Sonst kommen die Bemühungen, wie erwähnt, bisher vor allem von außen. Ziemliche Aufmerksamkeit hat dabei zuletzt das Abschiebedrama Blue Bayou von Justin Chon erhalten. Wieder in Cannes präsentiert nun Davy Chou mit Return to Seoul eine viel komplexere und weit weniger melodramatische, wenn auch nicht unsentimentale Bearbeitung des Stoffes.

Seine Protagonistin Freddie (Park Ji-min) wurde als Säugling von einem französischen Paar adoptiert. Sie besucht erst mit Anfang Zwanzig ihr Geburtsland und entscheidet sich spontan dafür, ihre biologischen Eltern ausfindig zu machen. Eine zentrale Institution für Adoptionsfragen hilft ihr dabei und schon wenige Tage später steht sie ihrem Vater (Oh Kwang-rok) gegenüber. Während Freddie von der Situation überfordert eher auf Distanz bleibt, stürzt sich ihr Vater auf sie und schüttet sie mit Text- und Audionachrichten zu, in denen er sich die ganzen Schuldgefühle von der Seele weint. Es dauert nicht lange, bis Freddies biologische Familie (dazu gehört auch noch eine Großmutter und eine Tante) sich ermächtigt fühlt, Freddies Zukunft mitzubestimmen. Doch ob sie in Korea bleibt oder nicht, lässt sich Freddie nicht von ihnen diktieren.

Eindrücklich zeigt der Film, wie zwiespältig die Beziehung zu einem Land sein kann, das auf irgendeine Art unweigerlich zu einem gehört, aber doch nicht in Gänze. Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund oder alle, die längere Zeit in einem anderen Land als dem eigenen Heimatland gelebt haben, werden diese nie völlig überwindbare Distanz verstehen, die Freddie gegenüber Korea empfindet. Regisseur Chou weiß genau, wovon er in Return to Seoul spricht. Er ist Kind kambodschanischer Eltern, die nach Frankreich immigriert sind und ihr Ursprungsland komplett hinter sich gelassen haben. Erst als Erwachsener, ganz ähnlich wie seine Protagonistin, hat er Kambodscha besucht und kennengelernt.

Diese persönliche Nähe zum Thema ist während des gesamten Films spürbar. Sie zeigt sich in den sensiblen Dialogen und an der unprätentiösen Herangehensweise. Dass er eine westliche Sicht auf die Dinge einnimmt, legt Chou offen, nutzt diese Perspektive als zusätzliches Narrativ. Damit bleibt er seiner Protagonistin stets treu, die eine gewisse Naivität gegenüber den kulturellen Gepflogenheiten und vor allem der politischen Realität des Landes mitbringt. Ein wenig spiegelt sich das auch im stellenweise leicht ungeschickten Spiel von Park Ji-min, die hier zum ersten Mal vor der Kamera steht. Trotz einzelner Unsicherheiten überzeugt sie dennoch durch Charme, einen intensiven Ausdruck und eine beachtliche Wandlungsfähigkeit.

Letztere ist insofern sehr wichtig, da es in Return to Seoul natürlich auch um Identitätssuche geht und die Protagonistin dies gewissermaßen wörtlich nimmt. Die Geschichte entwickelt sich über mehrere Jahre, in denen Freddies Persönlichkeit immer wieder neue Facetten zeigt. Manche sind vielleicht gar etwas oberflächlich geraten, wenn es um das Abschneiden der Haare oder die Tätowierung geht, weswegen man sie auch für einen präziseren Gesamteindruck des Films hätte kürzen können. Verzichten können hätten man zudem auf ein paar zu versöhnliche Wendungen, die dem Film einen sentimentalen Einschlag geben. Ansonsten findet Chou immer wieder zu sorgfältig komponierten, kunstvollen Bildern, die vielfach Schattierungen eines melancholischen, warmen Blaus aufweisen.

Return to Seoul (2022)

Um wieder in Kontakt mit ihren Wurzeln zu kommen, macht sich die 25-jährige Freddie zum ersten Mal nach Südkorea auf, wo sie geboren wurde, bevor sie nach Frankreich kam. Die willensstarke junge Frau hat sich in den Kopf gesetzt, ihre biologischen Eltern ausfindig zu machen — und das führt ihr Leben auf gänzlich neue Pfade.

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