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Rebecca Hall glänzt in einem psychologischen Thriller: Als traumatisierte Mutter muss sie ihre Tochter vor den Schatten ihrer eigenen Vergangenheit schützen und verliert dabei zunehmend die Kontrolle.

 

Resurrection (2022)

Eine Filmkritik von Mathis Raabe

Aus dem Bauch heraus

Dieses Jahr habe ich bereits zwei neue Filme mit Kaiserschnitt-Szenen gesehen – sicherlich ein Ereignis, das nur alle paar Mondfinsternissen eintritt. Die erste war noch dazu eine dokumentarische Szene im herausfordernden „De Humani Corporis Fabrica“, der aus dem Inneren menschlicher Körper gefilmt ist, an denen gerade operiert wird. Die zweite ist durch visuelle Effekte entstanden, aber kaum weniger viszeral. Sie entstammt „Resurrection“, an dem Filmemacher Andrew Seman eine Weile gearbeitet hat: Schon 2019 landete sein Drehbuch auf der Black List, einer jährlichen Veröffentlichung der laut Umfragen besten noch unverfilmten Stoffe, die in Hollywood kursieren.

Durch den Film schleppt sich in einer beeindruckenden Performance Rebecca Hall als Margaret, eine Frau, die gerne die Kontrolle hat. Beruflich ist sie scheinbar erfolgreich, als Anwältin oder etwas ähnliches, bei dem man in Glasbüros sitzt und Hosenanzüge trägt. Als Solomutter von Abbie ist sie aber übervorsichtig und streng. Schnell stellt sich das Gefühl ein, dass ihre eigenen Angstzustände das Problem sind, und das Leben ihrer fast 18-jährigen Tochter nicht wirklich gefährlich. Margaret scheint Abbie geradezu „abhärten“ zu wollen gegen die Welt.

Dann wird klar, dass ihre Angst nicht unbegründet ist: Ein Mann namens David, gespielt von Tim Roth, taucht in der Umgebung auf. Er scheint Margaret bekannt zu sein und ihr enormes Unbehagen zu bereiten. Sie geht zur Polizei, die aber an diesem Punkt noch nicht helfen will, lässt ein neues Schloss einbauen und besorgt sich eine Pistole. Dann spricht sie David an. Er gibt vor, sie nicht zu kennen, erwähnt aber ihren Namen und den ihrer Tochter. Die Inszenierung macht klar, dass David sie manipulieren und gaslighten will. Den alten Grusel-Genretrick, Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Erzählerin zu säen, wie in Henry James’ Turn of the Screw oder der Verfilmung The Innocents (1961), hebt der Film sich lange auf.

In einem knapp achtminütigen, ungeschnittenen Monolog verrät Margaret schließlich, was in der Vergangenheit passiert ist: David hat sie, als sie in etwa so alt war wie ihre Tochter jetzt, über lange Zeit manipuliert und missbraucht, schließlich geschwängert und dann ihr Kind getötet. Eine arme, verstörte Praktikantin in Margarets Büro muss sich diese traumatische Geschichte anhören, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal Margarets eigene Tochter kennt. Kein Wunder, dass sie entscheidet, diesen Mann töten zu müssen. Es beginnt ein Katz- und Maus-Spiel. Immer wenn Margaret die Aggressorin sein und die Kontrolle zurückerlangen will, ist David ihr doch wieder einen Schritt voraus, weil er weiß, wie er ihr Trauma triggern kann – vor allem durch Dinge, die auf das gemeinsame Kind verweisen und bei ihr noch immer Mutterinstinkte zu wecken scheinen. Hier beschreitet der Film die interessantesten neuen Gefilde: Mutterinstinkte für ein totes Kind? Nein. David behauptet, das Kind sei noch am Leben. Er habe es gegessen. Es lebe seitdem in ihm. Dass David sich damit selbst zur Mutter stilisiert, die ein Kind im Leib ernährt, sorgt für viele besonders abstoßende Momente.

Auch wenn der Film den Zuschauenden nicht weismachen will, Margaret bilde sich das alles nur ein, zeigt er doch, wie sie zunehmend krank wird. Bald ist auch Abbie verstört vom erratischen Verhalten ihrer Mutter. Aus dem typischen „Schreib mir, wenn du sicher angekommen bist“ wird ein „Schreib mir einmal stündlich, dass du sicher bist“. Ist Trauma vererbbar? Die traumatisierte Mutter Margaret jedenfalls findet schwer den richtigen Umgang mit ihrer Tochter, weil sie es nicht schafft, ihr die Wahrheit zu sagen. Dadurch sieht Abbie auch bald nicht mehr ein, sich aus Sicherheitsgründen zu Hause einsperren zu lassen – eine gefährliche Gemengelage, die eine psychologisch enorm bedrückende zweite Hälfte des Films erzeugt.

Nicht jedes Motiv ist ganz nachvollziehbar in diesem psychologischen Thriller, vor allem Margarets Beharren, sich keinerlei Verbündete zu suchen. Rebecca Halls Performance durchläuft aber eine beeindruckende Entwicklung, während ihre Figur immer instabiler wird, und trägt den Film bis zu seinem glorreich blutig und surreal gestalteten Ende.

Resurrection (2022)

Margaret führt ein erfolgreiches und geordnetes Leben, hat eine Tochter namens Abbie und balanciert perfekt die Anforderungen ihrer beruflichen Karriere und ihre Rolle als Alleinerziehende aus. Als sie mehrere Male auf einen Mann aus ihrer Vergangenheit trifft, wird ihr schnell klar, dass dies mehr als ein unglücklicher Zufall ist.

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