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Sie scheinen füreinander bestimmt: Während einer Hochzeit knistert es. Nyles und Sarah verbringen die Nacht zusammen – mit fatalen Folgen.

Palm Springs (2020)

Eine Filmkritik von Bianka-Isabell Scharmann

Die Sprengkraft einer Frau

„Ever and ever, forever and ever you’ll be the one“ – die erste Zeile aus Demi Roussos Klassiker erklingt, während der Schriftzug „Palm Springs“ in Gelb auf Pink, das in seiner Struktur an einen Teppich erinnert, eingeblendet wird. Poppige Farben, die direkt den Ton für die Kostüme und einige Ausstattungsgegenstände geben, die die Protagonist*innen auf unwiderrufliche Art und Weise miteinander verbinden. Erste ironische Untertöne werden hier angeschlagen, deren volle Bedeutung erst im Verlauf des Films klar wird.

Mit der Note auf „one“ erscheint eine Ziege im Bild, die zwischen braunen Gräserbüscheln und immergrünen Sträuchern im Wind steht. Forever and ever läuft weiter, die Landschaft gerät in den Blick, Yucca-Palmen und viel braun sind zu sehen. Plötzlich beginnt es zu wackeln. Staub steigt auf, Risse bilden sich im Boden. Und ein rotes Glänzen entweicht. Hat sich das Tor zur Hölle gerade aufgetan? 

Szenenwechsel: „Wake Up“ haucht eine weibliche Stimme und Nyles’ (Andy Samberg) Auge öffnet sich. Es ist der Tag der Hochzeit der Schwester seiner Freundin Misty (Meredith Hagner). Der Tag beginnt, Nyles und Misty haben routiniert Sex mit (k)einem Finale; Nyles im Pool auf einem Plastikpizzastück in Hawaiihemd und Badehose. Dann die Hochzeitszeremonie, während der sich Nyles, weiterhin in demselben Outfit, eine Bierdose öffnet. Eine Brautjungfer kommt ins Bild, die irgendwie gequält aussieht. Irgendetwas scheint hier schon off zu sein, irgendetwas passt nicht. 

Die Brautjungfer ist Sarah (Cristin Milioti), die Schwester der Braut Tala (Camila Mendes), die während des Essens nach Mistys zusammengegoogelter Rede auch ein paar Worte sagen soll – und kneift. Nyles eilt ihr zu Hilfe – warum nimmt eigentlich niemand Anstoß an seinem Outfit? – und liefert. Später beeindruckt er Sarah erneut, indem er eine geradezu hellseherische Choreografie auf der Tanzfläche hinlegt. Es kommt wie es kommen muss, die beiden verziehen sich in die Wüste. Und dann trifft Nyles plötzlich ein Pfeil in die Schulter: „I thought I smelled you, you piece of shit“ schreit Nyles. Eine Jagd beginnt, die am Eingang zu einer rot schimmernden Höhle endet, in der Nyles sowie Roy verschwinden. Da Roy aussieht wie eine moderne Inkarnation eines Racheengels, liegt der Gedanke nahe, dass sich hier wirklich das Tor zur Hölle befindet. 

„Wake up“ haucht eine Frauenstimme, „it’s going to be a beautiful wedding“ eine Männliche – der Tag der Hochzeit, erneut. Nicht nur Nyles Auge öffnet sich, auch Sarah schreckt aus dem Schlaf hoch. Sie hat Nyles Warnung, nicht in die Höhle zu treten, in den Wind geschlagen. Spätestens hier wird klar, dass forever and ever wörtlich und als Drohung, weniger als Versprechen zu verstehen ist: Palm Springs ist ein Time-Loop-Film, der Tag der Hochzeit wird unendlich wiederholt. Oder wie es Nyles Sarah erklärt: Gestern ist heute und heute ist gestern und morgen wird auch heute sein. 

Sarahs Phasen der Trauer sind dann Anlass für wahnwitzige bis mörderische Aktionen, die sie und Nyles – wer hätte es gedacht – zusammenbringen. Doch während Nyles sich mit seiner Situation abgefunden zu haben scheint, abgesehen von dem ein oder anderen Attentat durch Roy, der mit ihm gefangen ist, und ihn der Gedanke, die Unendlichkeit des immer selben und doch anderen an der Seite Sarahs zu verbringen, glücklich macht, wird Sarah von Schuldgefühlen geplagt. Sie will raus. 

Nach den ersten Anspielungen auf biblische Themen und Personen, nachdem klar wird, welcher Struktur der Film folgt, ist man sehr auf die Lösung gespannt – die dann doch ganz anders kommt als gedacht: weniger apokalyptisch als wissenschaftlich fundiert. Die Ziege erhält hier ihren ganz besonderen Auftritt. Der „Sündenbock“, oder wie es im Englischen heißt „Scapegoat“ (!), bekommt hier eine ganz neue Wendung. 

Es fällt schwer, Palm Springs nicht ebenso wie viele andere Filme, die in den letzten Wochen im Kino angelaufen sind – allen voran Tenet – oder nicht angelaufen sind, im Kontext der Corona-Pandemie zu lesen. Tenet ist weniger inhaltlich als industriell ein Symbol für dieselbe, ebenso Mulan. Palm Springs hingegen ist eher ein Film, der thematisch die Struktur der Pandemie, die Erfahrung des Durchlebens imaginativ zu bearbeiten scheint, so dass man fast von einem prophetischen Film sprechen könnte. 

Doch eine solche Lesart sagt mehr über die Situation aus, in der der Film aktuell rezipiert wird als über Palm Springs an sich. Natürlich sollen Filme in ihrem jeweiligen kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Kontext gelesen werden – das müssen sie sogar. Und bestimmt kann Palm Springs für viele wie Medizin wirken, die sich auch so fühlen, als ob sie in einem Time-Loop stecken und gerne die ein oder andere Ziege in die Luft sprengen würden. Palm Springs ist aber mehr als ein Film, der erst Eskapismus zu bieten und dann eine Lösung offerieren zu scheint: Er untersucht menschliche Beziehungen, vor allem Liebesbeziehungen; und fragt letztendlich auch nach moralisch richtigem Handeln. Biblische Metaphern, philosophische Positionen zwischen Nihilismus und Philosophien der Zeit stehen hier neben Genre-Gags und Spielereien, ohne dass das abgedroschen, didaktisch oder zu bekannt daherkommt. 

Palm Springs bietet einen erfrischenden Twist auf den allzu bekannten Plot der Time-Loop-Filme, wie – der Titel muss fallen an dieser Stelle – Und täglich grüßt das Murmeltier, in dem Phil (Bill Murray) aus der Schleife nur entkommen kann, weil er ein besserer Mensch wird. Es geht um mehr als darum, ein besserer Mensch zu werden. Karma hilft nicht weiter. So kann man auch über die anderen kleinen Stereotypisierungen der Nebenfiguren hinwegsehen. Denn Palm Springs ist zum Glück komplexer, auch in der Zeichnung der Protagonist*innen. 

Wo noch die erste Szene, Nyles Warnung in den Wind zu schlagen, stark an den Sündenfall erinnert, ist es letztendlich Sarah, die diese Narration aushebelt und die Gefangenschaft in der sich verändernden Unveränderlichkeit aufsprengt. Hier erscheint die Macht zur Veränderung weiblich, trotz des sehr stark männlichen Teams rund um Regisseur Max Barbakow. Eine profunde Aussage für einen Film, die man erst herausziehen kann, wenn man sich auf die Windungen und Verwicklungen hinter den poppigen Farben einlässt.

Palm Springs (2020)

Als sich der sorglose Nyles und die widerstrebende Brautjungfer Sarah bei einer Hochzeit in Palm Springs begegnen, wird es schnell kompliziert, denn die beiden entwickeln Gefühle füreinander, denen sie nicht entkommen können.

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Meinungen

Hans im Glück · 26.11.2021

Persönlich denke ich, da wurde in der Rezension etwas viel in den Film hineininterpretiert.

Insgesamt ist er ein netter Zeitverteib, bei dem allerdings fast alles schon einmal in einem anderen Film gesehen wurde.
Wenn man etwas Seichtes mit regelmäßigen Gags sucht, ist man bei dem Film optimal aufgehoben.
Leider ist das Ende sehr konstruiert. Ein so beschriebener Charakter hat einfach nicht die Kompetenz, sich durch das Aneignen von extremem Wissen so selber zu helfen.