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„Nachtkatzen“ von Valentin Merz ist eine orgiastische metafiktionale Kino-Wundertüte über einen Filmdreh in den Wäldern.

Nachtkatzen (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

„Oh, andere Welten warten auf mich!“

Sex & Crime. Darauf setzt „Nachtkatzen“ – irgendwie. Ein Erotik- und Kriminalfilm, gedreht von Valentin Merz. Und wovon handelt er? Von Valentin, der einen Erotikfilm dreht – bis das Ganze zu einem Kriminalfall wird. Denn Valentin ist plötzlich verschwunden. Vermutlich tot, ermordet. „Das ist Kino, nur ein Film“, heißt es gegen Ende beschwichtigend, als eine ältere Dame völlig entsetzt darüber ist, was mit dem armen Valentin passiert ist.

„Fangen wir an?“, lautet eine der ersten Zeilen, die in Nachtkatzen gesprochen wird. Ja, es geht los. Ein Film entsteht: „Und Action!“ Wie lässt sich Sinnlichkeit und Intimität vor der Kamera erzeugen? Na, zum Beispiel durch Zeitlupe, dramatische Musik und Overacting, wie es uns zuvor die rauschhafte Eröffnungssequenz demonstriert hat. Ein männliches Paar und eine einzelne Frau ergötzen sich mit großer Geste an jedem Tropfen einer Felsquelle. Geil. Parallel dazu gießen diverse Leute die Pflanzen in einem französischen Wald mit Milch aus Krügen.

Später wühlen sich zwei Personen im Gras. Es werden Gespräche über Sexualität geführt – zwischen einer Frau in ihren Siebzigern und ein paar sehr jungen Menschen, die dabei leicht verlegen grinsen. Dann sehen wir Fetisch-Fesselspiele. Dann die Liebe zweier Männer in der freien Natur. Aber halt: Der Stoff der Oberteile macht leider zu viele Geräusche – runter mit den Klamotten, bitte! Sex im Wald; die Tonangel ist auch im Bild.

Im schummrigen Club wird getanzt, im Gehölz in Slow Motion gerannt, als gäbe es kein Morgen, während Ti Amo in der zauberschön-schmerzvollen Version von Dalida zu hören ist. Hach, wie herrlich. Bis es ernst wird: Polizeiverhöre. Wegen Valentin. Indiskrete Fragen, offenherzige Antworten, amüsiert-irritierte Blicke der Verhörenden. Ein Leichenfund – allerdings (vielleicht) nur geträumt. Und, ziemlich überraschend: ein Schauplatzwechsel ins ferne Mexiko.

Nachtkatzen entstand ohne klassisches Drehbuch – mit erkennbarer Freude an der Improvisation. Genres, Erzähl- und Darstellungstraditionen werden durchwandert und mit Schmackes zerlegt. Vieles ist sexy, vieles unfassbar komisch. Zugleich ist jedoch auch das Bedrohliche zu spüren. Die Geschichte sei „bis zum finalen Schnitt ein Geheimnis“ für ihn geblieben, schreibt der Regisseur in einem Statement. Er habe, unter Berufung auf Rainer Werner Fassbinder, einen Film machen wollen, der den Kopf befreie. Set. Us. Free.

Ach, und wer hat Valentin nun getötet? „Ja, das würden wir alle gerne wissen“, meint eine Frau mit Riesenbrille, Haardutt und schimmernd-schwarzem Lackmantel, die vor Plakaten der B-Movies L’amant de lady Chatterley und L’invasion des morts-vivants steht und nach dem Kinobesuch mit einem Ermittler im Regen plaudert. Sie kommt zu dem Schluss: „Irgendwann werden wir alle sterben.“ Stimmt. Krimis brauchen nicht zwangsläufig eine Auflösung. Aber das queere Kino braucht mehr Filme wie Nachtkatzen. Danke!

Nachtkatzen (2022)

Eine Crew dreht einen erotischen Kostümfilm auf dem Land, als Valentin, der Regisseur, plötzlich verschwindet. Während die Polizei ermittelt, gehen die Dreharbeiten weiter, werden aber immer seltsamer. Robin, der Kameramann und Geliebte des Regisseurs, folgt einem Versprechen und gelangt an den mexikanischen Pazifik.

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