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Wieder einmal leistet sich Ana Lily Amirpour („A Girl Walks Home Alone At Night“) einen sehenswerten Ausflug in obskure Genregefilde und wirbelt dabei die Konventionen munter durcheinander.

Mona Lisa and the Blood Moon (2021)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mit der Kraft des Willens

Anscheinend sind Jahre vergangen, seitdem die mittlerweile 22 Jahre alte und angeblich aus Nordkorea geflohenen Mona Lisa (Jong-seo Jun, die in Burning brillierte) in einer gottverlassenen Psychiatrie irgendwo in Louisiana vor sich hin vegetiert und vom Aufsichtspersonal drangsaliert wird. Und nichts deutet darauf hin, dass sie jemals aus ihrem Dämmerzustand erwachen könnte — und selbst wenn, dann wäre von der schmächtigen jungen Frau in ihrer Zwangsjacke wohl kaum eine Gefahr zu erwarten. Doch dann kommt der Abend und die Nacht, in der sich alles ändert: Die schlecht gelaunte Wärterin hat die Rechnung ohne die geheimen Superkräfte Mona Lisas gemacht, die kaum selbst etwas weiß von ihrer telekinetischen Begabung und die deshalb mindestens ebenso erstaunt ist über das, was gerade passiert, wie die Aufseherin, die doch nur mit sadistischer Lust die Nägel der Patientin schneiden wollte. Jedenfalls genügt eine leichte Kopfbewegung, und die Nagelschere steckt plötzlich im Oberschenkel der Peinigerin. 

Allerdings vermitteln gerade diese Anfangsszenen einen vielleicht falschen Eindruck von dem, was dann folgt. Das Blutigste an dem Film ist der titelgebende Blutmond, der — so lässt sich zumindest vermuten — möglicherweise verantwortlich ist für die übernatürlichen Kräfte, die da plötzlich in der bis dahin lethargischen jungen Dame zum Vorschein kommen. Diese helfen ihr jedenfalls dabei, dem Psychiatrieknast zu entfliehen und sich ins nahe New Orleans durchzuschlagen, wo sie auf die Stripperin Bonnie (Kate Hudson) trifft, die sie bei sich aufnimmt. Was freilich nicht ganz uneigennützig geschieht, denn Bonnie wurde Zeugin von Mona Lisas spektakulären Fähigkeiten — und die will sie zum eigenen Vorteil ausnutzen. Die folgenden Raubzüge und Diebstähle rufen allerdings bald die lokale Polizei in Gestalt des Cops Harold (Craig Robinson) auf den Plan, während sich Mona Lisa mit Bonnies zehnjährigem Sohn Charlie (Evan Whitten) anfreundet, der in ihr endlich eine vertrauenswürdige Bezugsperson findet.

Coole Neonbeleuchtungen, die Schwüle Louisianas und der abgerockte Charme des French Quarter on New Orleans, die man in diesem Film förmlich mit den Händen greifen kann, abgefahrene Klamotten, kaputte, aber sehr originelle Herumtreiber*innen, etwa der DJ und Nebenverdienst-Dealer Fuzz (Ed Skrein), dazu ein bombastisch-treibender Soundtrack aus Techno und Heavy Metal sowie viele Zitate und Versatzstücke, die einem seltsam vertraut vorkommen — das alles formt Ana Lily Amirpour zu einem nächtlichen Fantasy-Märchen, bei dem vor allem die sich zwischen Mona Lisa und Charlie anbahnende Freundschaft rührt. 

Zwar wird hier vieles nur angedeutet und manches schlichtweg unter den opulenten Sound- und Bildteppich gekehrt, aber gerade diese Bruchstückhaftigkeit passt gut zum schrägen, märchenhaften Grundton dieses wilden und sehr unkonventionellen Films, der sich für den Besuch einer Spätvorstellung geradezu aufdrängt. Mona Lisa and the Blood Moon erreicht weder die Frische von A Girl Walks Home Alone at Night noch die Härte von dessen Nachfolger, dem kannibalistischen Endzeitdrama The Bad Batch, aber dennoch ist Amirpours dritter Langfilm ein weiterer Beweis für ihr großes Talent, dem Genrekino eine gehöriger Frischzellenkur zu verpassen, und fühlt sich in etwa so an, als wäre Terminator 2 vom Schrottplatz der Filmgeschichte mittels einer heftigen Infusion zu neuem Leben erweckt und Arnold Schwarzenegger durch eine Postpunk-Heroine ersetzt worden.

Mona Lisa and the Blood Moon (2021)

Nachdem sie aus einer Psychiatrie entkommen konnte, kämpft eine junge Frau mit übersinnlichen Fähigkeiten um ihr Überleben in einer chaotischen Welt und trifft dabei auf ungewöhnliche Verbündete.

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