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Er war einer der größten und schillerndsten Entertainer aller Zeiten, doch wer war Liberace wirklich? Das versucht Regisseur Jeremy J.P. Fekete in seinem Dokumentarfilm über den Pianisten mit dem Spitznamen „Mr. Showmanship“ zu ergründen.

Look Me Over - Liberace (2020)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Hinter dem Armleuchter

Vergesst Elton John, Prince oder Boy George! Wenn es um extravagante Bühnenoutfits geht, stellt einer alle in den Schatten: schrill, schriller, Liberace. Der Pianist und Entertainer gab zu seinen besten Zeiten nicht nur 100.000 Dollar im Jahr für seine Garderobe aus, er ging auch all seinen Nachahmern voraus. Als Elvis Presley seine Auftritte in Las Vegas begann, da hatte der 1919 als Władziu Valentino Liberace geborene Musiker in der Wüstenstadt bereits eine Karriere hingelegt, die ihn im Verbund mit seiner eigenen Fernsehsendung (1952-1969) zum bestbezahlten Unterhaltungskünstler der Welt machte. Doch wer steckte hinter diesem „Mr. Showmanship“, der hierzulande vielen durch einen Film von Steven Soderbergh bekannt sein dürfte?

In Soderberghs Film, der im Original Behind the Candelabra heißt, kommt Liberace nicht immer gut weg. Kein Wunder, basiert das Drama doch auf Scott Thorsons gleichnamigem Buch, in dem Thorson seine knapp sechsjährige Beziehung zu Liberace schildert. Hinter dem Kandelaber, der prominent auf dem Piano platziert zu Liberaces Markenzeichen wurde, konnte der von der Öffentlichkeit geliebte Entertainer ein manipulativer Armleuchter sein. So lautet zumindest Thorsons Sicht der Dinge. In seinem Dokumentarfilm zeigt Jeremy J.P. Fekete nun eine andere.

Das Bild, das Fekete von Liberace zeichnet, ist das eines gleichermaßen großzügigen wie gutgläubigen Mannes. Ein Mann, der so hart für seinen Erfolg gearbeitet hat, dass er keine Probleme damit hatte, sein hart verdientes Geld mit beiden Händen auszugeben. Liberaces Lebenswandel war aber nicht ausschließlich auf Verschwendung angelegt und selbstbezogen. Er erwarb diverse Immobilien, in denen Familienmitglieder wohnten. Und seine gönnerhafte Seite zog jede Menge Raffzähne an, auf die Liberace – glaubt man den im Film interviewten Wegbegleitern – allzu leicht hereinfiel.

Wo immer möglich, kommt der Entertainer selbst zu Wort; in alten Interviews, TV-Clips, Homestorys oder Mitschnitten seiner Bühnenshows, die er stets mit denselben Worten eröffnete: „Look me over!“ Anschauen sollte ihn sein Publikum und bewundern. Schließlich hätte er sich nicht extra so herausgeputzt, um übersehen zu werden. Sagt’s und zieht eine meterlange Schleppe seines Nerzmantels hinter sich her. Dieser Mix aus Kitsch und Koketterie, mit breitem Lächeln und einem Augenzwinkern vorgetragen, kommt auch Jahrzehnte nach seinem Tod 1987 noch gut an. Zu Lebzeiten lagen ihm die Frauen (meist ältere Jahrgänge) zu Füßen, obwohl eigentlich alle hätten sehen müssen, dass er nicht auf Frauen stand.

Es sind diese Widersprüche, die Liberace bis heute zu einer faszinierenden Figur machen. Der Mann war erzkatholisch und schwul, er lebte seine Sexualität privat ungehemmt aus, unterdrückte aber jedes Wort darüber in der Öffentlichkeit. Selbst nach seinem Tod wurde lange bestritten, dass er an den Folgen einer AIDS-Erkrankung gestorben war. Feketes Film gelingt es allerdings nur im Ansatz, diese Widersprüche befriedigend aufzulösen.

Vor der Kamera nehmen ehemalige Weggefährten und einige seiner einstigen Protegés Platz, die Vergleichbares wie Scott Thorson erlebten. Auch sie teilten mit Liberace Bett und Bühne. Dort spielten sie den Chauffeur, der den Entertainer jeden Abend in der Luxuskarosse vors Publikum fuhr oder saßen mit ihm am Flügel. Ihr Urteil über Thorson fällt vernichtend aus. Thorson selbst, der während der Dreharbeiten vermutlich gerade eine Haftstrafe absaß, kommt nicht zu Wort. Stattdessen geistert er als Chimäre durch diesen Film. Der Schauspieler Lasse Skafte verkörpert ihn in nachgestellten Szenen, die Thorson im weißen Cowboy-Outfit an den Orten seines Zusammenlebens mit Liberace zeigen. Eine unglückliche künstlerische Entscheidung.

Auch sonst haut einen Jeremy J.P. Feketes Dokumentarfilm künstlerisch nicht gerade vom Barhocker. Optisch ist das eher solide Fernsehkost denn ein Kinoleckerbissen. Etwas mehr von Liberaces flamboyantem Auftreten hätte dem Film gutgetan. Und während das Publikum am Ende des Films der Bühnenpersona ein wenig nähergekommen ist, ist es über die Privatperson dahinter nicht viel schlauer.

Look Me Over - Liberace (2020)

Er war Amerikas 1. Idol, Ikone, Prunk-Pianist, Popstar, Egomane und Showgigant: Liberace. Sein Leben verlief wie im Rausch, immer auf der Überholspur der Highways zwischen Los Angeles, Las Vegas und Palm Springs. Mitten in der Wüste Kaliforniens, wo Hollywoodstars in ihrer „Privat-Oase“ an ihren Pools wilde Partys feierten, führte er ein zwiespältiges Leben zwischen Pomp und Heimlichkeit.

Liberace kannte das gesamte „who is who“ Hollywoods. Einige davon brauchte er als Alibi, einige zum Bewundern, andere zum Fördern. „Ich gebe keine Konzerte, ich veranstalte Shows.“ Getreu dieser Maxime wuchsen seine Darbietungen über die Jahre ins Unbegreifliche. Mit einem verspiegelten weißen Rolls-Royce und einem meterlangen Chinchilla-Mantel enterte er die Bühne. Jedem Kritiker an seinem Lebensstil nahm Liberace mit einem Zwinkern und einer großen Portion Selbstironie den Wind aus den Segeln: „My clothes may look funny, but they’re making me the money.“ Dabei flirtete er ungeniert breit lachend mit seinen Zuschauern und gab telegen den liebenden Sohn einer niedlichen alten Dame. Damit avancierte er zum Lieblingsschwiegersohn von Abermillionen von Müttern.

So legendär, wie seine glitzernden Auftritte, so Paradox war auch sein öffentliches Leben. Kein anderer Künstler kultivierte schwule Selbstinszenierung so offen auf den größten Bühnen Amerikas wie Liberace und verhinderte gleichzeitig sein Outing bis zu seinem Tod in Palm Springs so vehement und mit allen Mitteln.
Auch wenn vieles von seinem Traum und Image bereits zu Lebzeiten bröckelte, am Ende seiner Tage blieb davon fast gar nichts übrig.

Der Kinodokumentarfilm „Look Me Over — Liberace“ fokussiert sich an diversen Originalschauplätzen, rund 30 Jahren nach Liberaces Tod, auf sein Psychogram. Dabei liegt seine Lebens- und Erfolgsgeschichte als Teil des „American Dream“ inmitten der Bigotterie einer gespaltenen Gesellschaft im Fokus. Bis Heute zehren beide von ihrer jeweiligen Legende.

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