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Die junge Generation probiert sich an Outdoortrips, die in keinem Katalog zu finden sind. Ab und zu wird aus einem solchen sportlich gefärbten Naturerlebnis auch ein guter, selbstgedrehter Dokumentarfilm.

Kurs Südwest – Das Abenteuer meines Lebens (2023)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Das Kanu, der Fluss und der Ozean

Einen Studenten zieht es hinaus in die Welt, genauer gesagt, auf dem Kajak die Rhone entlang zum Mittelmeer und darauf bis nach Gibraltar. So lautet zumindest zunächst sein Plan, den er dann unterwegs ändert, um über die Loire auf den Atlantik zu gelangen. Mit sympathischer Offenheit verrät Lukas Borchers in seinem Dokumentarfilm gleich zu Anfang, dass ihm das Paddeln auf dem Atlantik rasch über den Kopf wachsen sollte. Der 25-Jährige setzt die letzte Etappe seines Fluss- und Seeabenteuers auf einem Segelschiff fort. Nach vier Monaten und 2000 Kilometern auf dem Wasser kommt er schließlich wie vorgesehen pünktlich zu Weihnachten wieder zu Hause an. Von dieser Tour aus dem Jahr 2019 erzählt Borchers in seinem spannenden, unterhaltsamen Film.

Der ungebrochene Trend, Amateurfilme über persönliche Outdoortrips zu drehen, bringt Werke unterschiedlicher Qualität hervor. Manche Ich-Erzähler suchen die Herausforderung vor allem in sportlichen Leistungen, andere wollen sich fremde Territorien erschließen oder verlassen die eigene Komfortzone, um sich selbst zu erfahren. Ob das Ganze auch einen sehenswerten Kinofilm ergibt, hängt von vielen Faktoren ab. Wichtig scheint die Fähigkeit zur selbstkritischen Distanz zu sein, um sich nicht in langen Schilderungen technischer Pannen oder seelischer Kontemplation und Krisenbewältigung zu verlieren, die lediglich von privater Bedeutung sind.

Lukas Borchers, der sich während seines Studiums der Wirtschaftsinformatik in Göttingen im Herbst 2019 eine Auszeit für die Kajaktour nimmt, macht im Grunde alles richtig. Er berichtet selbstkritisch und humorvoll von Höhen und Tiefen, nimmt seine Umgebung mit offenen Augen wahr. Viele Tageserlebnisse werden so präsentiert, dass sich das Publikum in das Geschehen mit offenem Ausgang einbezogen fühlt. Ein unbekümmerter, frischer Abenteuergeist, wie er beispielsweise auch Anderswo. Allein in Afrika von Anselm Pahnke aus dem Jahr 2018 prägte, sorgt für filmisches Vergnügen.

Was bringt Borchers an Erfahrung mit für seinen ehrgeizigen Kajaktrip? Wie er im Voice-Over erzählt, hat er mal eine kleine Tour auf der Donau unternommen, dann schnell noch die Eskimorolle gelernt und ein wenig auf der Nordsee geprobt. Was er nicht weiß, will er sich unterwegs beibringen. Einerseits ist er jugendlich unbekümmert, andererseits aber zeigt er sich im Verlauf auch oft gut informiert und lernfähig. Angenehm kurzweilig stellt er sein Equipment vor und demonstriert im Zeitraffer das Packen und Auspacken. In Genf fährt er Anfang September auf der Rhone los, und ja, dort warten schon gleich unvorhergesehene Hindernisse in Form zahlreicher Staudämme. Diese müssen mühsam umgangen werden, und auch Borchers, der sich keinen straffen Plan auferlegt hat, erweist sich als Kind seiner schnelllebigen Zeit, wenn er damit hadert, dass ihn die Umgehungsprozedur stets ein bis zwei Stunden kostet. Spannend wird es unter anderem, wenn die Kamera mit dem Kajak beim Passieren eines Steinwehrs kentert und man sekundenlang nur chaotische Luftblasen unter Wasser sieht.

Borchers nimmt sich Zeit, auch kleine Städte zu besichtigen oder Nachmittage am Atlantikstrand zu verbringen. Zur Ausstattung des gut organisierten Studenten gehört auch eine Drohnenkamera, die für herrliche Landschaftsaufnahmen sorgt. Das Navigieren wird, sobald an Tag 39 der Atlantik erreicht ist, zum regelrechten Seefahrer-Abenteuer. Die Gezeiten, die Brandung, das Wetter erfordern sorgfältige Planung und Routenberechnung. Wenn Borchers dann in seinem faltbaren Kanu eine Bucht durchquert und sich klarmacht, dass die rettende Küste etliche Kilometer entfernt liegt, wird ihm mitunter „gruselig“ zumute. Weil er schließlich an seine Grenzen kommt, wechselt er in La Rochelle auf ein Segelschiff, auf dem er als Teil einer Crew von sieben bis zwölf Leuten noch eine Weile die spanische Küste entlangfährt. Auch dieser Abschnitt bietet interessante Eindrücke und er kontrastiert außerdem wirkungsvoll mit der Einsamkeit des Kanutrips. Diese Expedition auf dem Wasser vermag auch als filmische Aufbereitung zu überzeugen.

Kurs Südwest – Das Abenteuer meines Lebens (2023)

Rauskommen, den Alltag hinter sich lassen und einmal ein großes Abenteuer erleben – der Student Lukas Borchers macht seinen Traum wahr und begibt sich mit seinem Kajak auf eine Reise durch Südeuropa. Er paddelt von Genf über die Rhône und die Loire einmal quer durch Frankreich. In Saint-Nazaire erreicht er den Atlantik und paddelt entlang der Küste gen Süden. Als die Bedingungen im Herbst zu schwierig und gefährlich werden, setzt er seine Reise über die Biskaya auf einem alten Segelschiff fort. Das Ganze ohne nennenswerte Erfahrungen im Seekajakfahren oder Segeln, dafür mit teils unerwarteten Hindernissen wie den Staumauern an der Rhône und den berüchtigten Stürmen auf der Biskaya. Immer mit dabei: Die Kamera, um alle Eindrücke und Erlebnisse unmittelbar festzuhalten.

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