Log Line

Es kann viele verschiedene Gründe für eine Selbstfindungsreise geben. Für die französische Studentin Marine Barnérias war es die Diagnose der unheilbaren Krankheit Multiple Sklerose. In ihrem Dokumentarfilm schildert die lebhafte junge Frau ihre Gefühle und Erfahrungen unterwegs.

Rosy - Aufgeben gilt nicht (2021)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die Krankheit in den Sack stecken

Mit Angst und Wut reagiert die Studentin Marine Barnérias auf die Nachricht, dass sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. Die lebenslustige 21-Jährige hat bald genug von Arztgesprächen, die sich nur um ihre Befunde drehen, aber nicht um ihre Gefühle und Fragen. Sie begibt sich 2016 auf eine neunmonatige Reise, um sich selbst zu finden. Unterwegs beschließt sie, das verhasste Wort „Sklerose“ nie mehr in den Mund zu nehmen. Aus den Silben „rose“ macht sie eine „Rosy“ – so nennt sie ihre Krankheit fortan, die sie in ihrer Vorstellung im Rucksack mitschleppt.

Marine Barnérias‘ Erfahrungsbericht erschien zuerst 2017 in Buchform mit dem Titel Bonjour, la vie. Aufgeben gilt nicht. Der Dokumentarfilm über ihren persönlichen Weg, mit der Diagnose MS zu leben, ist stark von ihrem lebhaften Temperament geprägt. Richtig kontemplativ wird es nie in dieser Schilderung einer inneren Entwicklung. So erinnert der Film atmosphärisch an den Spielfilm Heute bin ich blond (2012), der auf dem Bericht einer jungen, an Krebs erkrankten Niederländerin basiert, die der Krankheit Unternehmungslust entgegensetzt. Mit der schwierigen Aufgabe, die Krankheit als neue Wirklichkeit anzunehmen, ohne jedoch vorauseilend auf Träume, Ziele, ein aktives Leben zu verzichten, befasste sich auch Sabine Marinas Kleine graue Wolke, ein anderer Dokumentarfilm einer jungen, an MS erkrankten Frau aus dem Jahr 2015. Während dessen Autorin aber Kraft aus Gesprächen mit anderen Betroffenen schöpfte, will die junge Französin Marine Barnérias Abstand gewinnen. 

Mit finanzieller Unterstützung von Angehörigen, Freunden und Social-Media-Followern startet sie eine dreiteilige Reise mit dem Ziel, Körper und Geist wieder in Einklang zu bringen: In Neuseeland möchte sie ihren Körper spüren, indem sie das Land von Nord nach Süd durchquert, zu Fuß und ab und zu per Anhalter. In Myanmar möchte sie meditieren, für den Geist, und in der Mongolei will sie sich mit seelischen Dingen befassen. Auf dieser Reise wird ihr Rosy keinerlei physische Probleme bereiten. So ähnelt der Abenteuertrip thematisch den vielen anderen Reise- und Wanderberichten, die dokumentarisch oder auch fiktionalisiert – wie Spuren mit Mia Wasikowska oder Der große Trip – Wild mit Reese Witherspoon – der Selbstfindung dienten. 

Marine Barnérias durchlebt unterwegs die Krisen wie die Freuden mit jeder Faser ihres Körpers. Ihre Erkenntnisse und Erfolge kommen sprunghaft, sind oft hart erkämpft. Für ihre Follower führt sie ein Videotagebuch und findet zu jeder Situation einen witzigen, oft selbstironischen Spruch. Offen gesteht sie, dass sie die Einsamkeit in Neuseeland mit den Videoaufnahmen in Schach zu halten versucht. Das Dauermeditieren im Retreat in Myanmar bringt sie zur Verzweiflung, doch sie hält durch. In der Mongolei nimmt sie dank ihrer großen Neugier und Freude an sozialen Kontakten am Leben Einheimischer teil und reitet schließlich lange über die Steppenlandschaft mit einem Guide, der sie zu einem Stamm von Rentierzüchtern bringt. Die schönen Landschaftsaufnahmen, aber auch die Szenen im Trubel der Städte und dörflichen Feste vermitteln viel vom äußeren Reiz der Reise. 

Die Kommentare, die Marine Barnérias im Film in die Kamera spricht, macht sie mit einem Abstand von vier Jahren vom heimischen Sofa aus. Auch dabei ist sie temperamentvoll, erinnert sich an ihre Wut auf empathielose Ärzte, an die Achterbahnfahrt der Gefühle, die Rosy verursacht. Flott geschnitten, finden auch Stellungnahmen ihrer Eltern und ihrer Schwester sowie Szenen eines Marathonlaufs, an dem die Filmemacherin teilnahm, Eingang. Der Film berührt und vermittelt seine Mut machende Botschaft eindrücklich. 

Am meisten, sagt die Protagonistin einmal, habe ihr der Neurologe geholfen, der ihr trotz niederschmetternder Kernspinaufnahmen sagte, er behandele keine Befunde, sondern Menschen. Sie solle sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Heute, so ist aus dem Presseheft zu erfahren, moderiert Barnérias ein französisches Fernsehmagazin. Sie sagt: „Im Moment geht es mir gut. Was morgen früh ist, weiß ich nicht.“ Über Rosy fügt sie hinzu: „Sie ist meine Mitbewohnerin,  sie kocht ihr eigenes Süppchen in ihrer Ecke, aber ich kann sie spüren.“

Rosy - Aufgeben gilt nicht (2021)

Die 21-jährige Studentin Marine erfährt, dass sie Multiple Sklerose, eine unheilbare Autoimmunerkrankung, hat. Sie fasst den Entschluss, in drei Länder zu reisen: nach Neuseeland, um ihren Körper zu stärken, nach Myanmar, um ihren Geist zu stärken, und in die Mongolei, um ihre Seele zu stärken. Die Erfahrungen ermöglichen es ihr, einen Umgang mit der Krankheit zu finden.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen