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Aino Suni inszeniert in ihrem Spielfilmdebüt ein Coming-of-Age-Drama um zwei Stiefschwestern. Eine rappende Finnin trifft auf eine Balletttänzerin aus Südfrankreich. Daraus entspinnt sich ein toxisches Machtspiel, das im Chaos endet. Leider nicht zugunsten des Films.  

Heartbeast (2022)

Eine Filmkritik von Sophia Derda

Um jeden Preis toxisch

Elina (Elsi Sloan) steht im Kontrast zu ihrem Umfeld. Mit ihren giftgrünen Haare, dem stechenden Blick und der distanzierten Art hat man es mit einem Gegenüber zu tun, das allein durch sein Aussehen eine Provokation ist. Elina ist 15 Jahre alt und muss ihre Heimat Finnland verlassen. Es geht nach Südfrankreich zum neuen Freund ihrer Mutter. Dort trifft sie auf Sofia (Carmen Kassovitz), die ab sofort ihre Stiefschwester sein wird. Sofia ist 17, eine Balletttänzerin und träumt von einer professionellen Ausbildung an einer renommierten Balletthochschule. „Heartbeast“ begleitet zu Beginn das Kennenlernen der beiden, was ohne inhaltliche Versätze funktioniert und den Fokus auf die Atmosphäre lenkt. In einer dunklen Fabrikhalle tanzt Sofia zu waberndem Techno in Lederriemen gekleidet und zeigt Elina, dass klassisches Ballett nicht immer mit einem spießigen Theaterbesuch zusammenkommen muss. 

Sofia nimmt Elina fortan mit und gewährt ihr einen Einblick in ihr privates Umfeld. Sie lernt ihre Freund*innen kennen, sie gehen zusammen feiern und kommen sich näher. Es passiert, was passieren muss: Elina verliebt sich in die junge Frau. Eine große Leidenschaft der Finnin ist das Rappen, und so kommt es, dass die Gefühle für Sofia direkt in einem Song zum Ausdruck gebracht werden. Die Gefühlswelt der Teenagerin ist großspurig und unreflektiert, was man zu Beginn noch mit jugendlichem Hormonüberschuss erklären kann, und wird nach und nach immer gefährlicher. 

Die finnische Regisseurin Aino Suni reiht sich mit ihrem Spielfilmdebüt in die gegenwärtig populäre Coming-of-Age Drastik ein, die Sam Levinson mit seiner Serie Euphoria seit 2019 immer weiter auf die Spitze treibt. Jugendliche überschreiten Grenzen, sind für sich und andere eine Gefahr und leben in einer Ohnmacht, die nur mit Drogen und Sex auszuhalten ist. Auf der Suche nach der eigenen Identität sind die Jugendlichen auf sich allein gestellt und scheitern immer wieder daran. Auch Elina weiß nicht so recht, was sie mit sich anfangen soll. Behütet in einer Villa in Südfrankreich lässt es sich eigentlich aushalten, doch ihr Innerstes schreit nach Ausbruch. 

Ab da beginnt Heartbeast zu wanken. Die Verliebtheit zu Sofia entwickelt sich in Elina zu einem unendlichen Begehren, das nicht gestillt werden kann. Das schon im Titel zugewiesene „Biest“ bricht in ihr vollkommen aus, doch lässt gleichzeitig viele Fragezeichen offen. Sofia weist Elina nach anfänglicher Zärtlichkeit zurück und fokussiert sich auf ihr eigenes Leben. Was nicht überraschen sollte, da sie schon in einem der ersten Gespräche darauf hinweist, dass man einen Menschen nicht besitzen könne. Sie würde sich nicht rausnehmen, in einer Beziehung derartige Ansprüche zu stellen. Ein sehr gesunder Ansatz für zwischenmenschliche Beziehungen.

Elina scheint dieser Überzeugung aber nicht viel abgewinnen zu können und vertritt den Gegensatz. Mehr lässt sich leider nicht als Motivation für das darauffolgende Verhalten erkennen. Sehr schade, da derartige Handlungen nicht nur unglaublich grenzüberschreitend, sondern auch lebensgefährdend für das Opfer sein können. Toxischen Personen dabei zuzusehen, wie sie andere Menschen in den Ruin treiben, soll abstoßend sein, das wird auch in Heartbeast offensichtlich. Elina entwickelt sich im Laufe des Films in die Antagonistin und schafft es, alle gegen sich zu stellen, den Kinosaal inklusive. Umso skurriler, dass es ihr Umfeld eigentlich sehr gut mit ihr meint. Sie hat die Möglichkeit in einem Jugendclub zu rappen, eigene Freundschaften zu schließen und kann auf elterliche Unterstützung hoffen. Die zahlreichen Auswege werden ignoriert. 

Ganz besonders ärgerlich ist das Ende des Films, das versucht, eine letzte Drehung in die Beziehungskonstellation zu bringen. Die Blicke, die eindeutige Machtverhältnisse zeichnen und eine Faszination vermitteln wollen, sind sehr anbiedernd. Allen ist bewusst: Elina ist das Biest. Aber wurde sie von ihrem Herz getrieben? Oder doch nur von privilegierter Langeweile? EIina hat Heartbeast um den Finger gewickelt, und Aino Suni lässt ihre Figuren unfertig zurück. Die Geschichte könnte sich genauso wiederholen. Das ist ein Problem.

Heartbeast (2022)

Elina, eine 15-jährige aufstrebende Rapperin muss ihre Heimat Finnland verlassen und wegen des neuen Mannes ihrer Mutter nach Südfrankreich ziehen. Sofort fühlt sie sich zu ihrer neuen Stiefschwester Sofia, 17, hingezogen, einer charis­matischen Ballett­­tänzerin. Doch diese führt ein Doppel­leben voller Partys und Drogen. Schnell verwandelt sich ihre Freundschaft in ein toxisches Machtspiel.

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