Frank (2013)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Es war einmal eine Band, die hieß The Soronprfbs

Haben wir nicht alle gewisse Vorstellungen von einem Künstler? Er sollte talentiert sein, nahezu genial, eine traumatische Kindheit überlebt haben und nun eine gewisse Exzentrik pflegen, die ihn weithin sichtbar als Künstler kennzeichnet. Auf Jon Burroughs (Domhnall Gleeson) trifft all das nicht zu. Er wohnt bei seinen verständnisvollen und fürsorglichen Eltern in einer Kleinstadt in England, arbeitet im Büro und versucht in seiner Freizeit typische lyrische Popsongs zu schreiben, die oftmals verdächtig nach Madness klingen und nicht gerade tiefsinnige Texte haben. Dann kommt ihm der Zufall zur Hilfe. Als er an einer Bushaltestelle steht, beobachtet er, wie ein Notarzt und die Polizei zum gegenüberliegenden Strand kommen. Ein Mann versucht, sich im offenen Meer zu ertränken. Jon erfährt, dass er der Keyboarder der Band The Soronprfbs ist – und wird kurzerhand als Ersatz engagiert. An dem Abend begegnet er zum ersten Mal Frank (Michael Fassbender), einem Mann, der mit einem Pappmaché-Kopf herumläuft. Frank verkörpert alles, was ein Künstler sollte. Und so zögert Jon nicht lange als er die Gelegenheit erhält, mit der Band nach Irland zu reisen.

Lenny Abrahamsons Film Frank basiert auf der Lebensgeschichte des verstorbenen englischen Kultmusikers Chris Sievey, der seit Anfang der 1980er Jahre bis in die 1990er Jahre als Frank Sidebottom aufgetreten ist und dabei einen Pappmaché-Kopf trug. Seiner Vita nach stammt er aus dem Dorf Timerpely und wollte als Musiker Karriere machen. Auch in diesem Film ist Frank eindeutig der Star. Von Michael Fassbender gespielt, ist Franks Gesicht fast nie zu sehen, sondern er trägt den Kopf sogar beim Duschen. Niemand weiß, warum Frank diesen Kopf trägt, aber seine Freunde akzeptieren ihn als Franks Kopf – nicht als Exzentrik oder Stilmittel, sondern als Teil von ihm. Dabei vermag das ausdruckslose Papp-Gesicht in traurigen Momenten einen Schuss Komik und in lustigen Momenten einen Hauch Melancholie in die Geschichte zu transportieren. Das gelingt vor allem, weil Frank zwar der zentrale Charakter ist, er aber aus Jons Perspektive betrachtet wird. Wie Nick Carraway in The Great Gatsby bietet Jon die verlässlichere Sichtweise und gewährleistet zudem, dass Franks Exzentrik nicht alles andere überschattet, sondern in ihren Nuancen wahrgenommen wird.

In Lenny Abrahamsons Film treffen typische Kreativitätsklischees auf den Wunsch eines jungen Mannes, als Singer-Songwriter Karriere zu machen. Sobald Jon erkannt hat, dass er in Irland ist, um an dem Album der Band mitzuwirken, lässt er sich völlig auf die Exzentrik der Bandmitglieder ein: Sie machen sphärische, elektronische Musik mit leicht dadaistischen Texten, springen und suchen Klänge. Der französische Bassist Baraque (François Civil) kann Jon nicht leiden und beschimpft ihn ständig, dessen Freundin, Schlagzeugerin Nana (Carla Azar) hält ihn für gefährlich, die geheimnisvoll-aggressive Clara (Maggie Gyllenhaal) bedroht ihn. Einzig Frank und Bandmanager Don (Scoot McNairy) scheinen ihm mit Offenheit zu begegnen, doch das reicht Jon, schließlich ist er völlig in seiner Bewunderung für Frank gefangen. Er filmt die Proben der Band, ihre Versuche, einen Klang zu entwickeln, und ihre abgedrehten Methoden, ihre Kreativität weiterzuentwickeln, und stellt diese Videos ins Netz. Dabei treffen Jons eigene, konventionelle Songschreibversuche auf wenig Verständnis, aber er hat das Gefühl, etwas Großem beizuwohnen und teilt diese Einschätzung auf den gängigen Social-Media-Kanälen fleißig mit. Die Aufrufzahlen und Follower steigen, deshalb glaubt Jon, dass es dort draußen noch mehr Fans von „The Soronprfbs“ gibt – und „seine“ Band nun gemocht wird.

Als die Band ein Angebot erhält, beim SXSW-Festival in Texas aufzutreten, verlässt sie den geschützten Raum in Irland und trifft auf die Realität. Frank scheint zunehmend überfordert, aber Jon verspricht ihm, dass alle sie lieben würden – so wie sie sind. Das ist sein Ziel, er will, dass die The Soronprfbs gemocht worden. Dabei tritt immer deutlicher zutage, dass Jon seine Individualität aus dem Zusammensein mit den Bandmitgliedern, insbesondere Frank, zieht. Er glaubt, er sei kreativ, weil er sich mit Kreativen umgibt. Dabei versteht er nicht, dass er niemals Claras Unabhängigkeit erreichen wird, solange er sich vergleicht – und bereit ist, sich anzupassen, um gemocht zu werden. Doch die „Likeability“, die nicht nur von Jon, sondern vielen anderen oftmals als so wichtig geachtet wird, wird letztlich zur physischen und psychischen Bedrohung. Dabei verkörpert Michael Fassbender eindringlich einen Menschen, der ohne Musik nicht existieren kann.

Letztlich endet Frank mit der versöhnlichen Erkenntnis, dass es völlig ausreichend ist, in dem eigenen Schaffen Ruhe und Wohlgefühl zu finden, und Kreativität mehr aus Versuchen denn Erfolgen besteht. Und das ist eine schöne Aussage in einer Welt, in der manche schon Nerdiness und Individualität vorgaukeln, um gemocht zu werden.
 

Frank (2013)

Haben wir nicht alle gewisse Vorstellungen von einem Künstler? Er sollte talentiert sein, nahezu genial, eine traumatische Kindheit überlebt haben und nun eine gewisse Exzentrik pflegen, die ihn weithin sichtbar als Künstler kennzeichnet. Auf Jon Burroughs (Domhnall Gleeson) trifft all das nicht zu.

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Meinungen

Kim · 27.08.2015

Also, ich weiß sogar nicht wie ich diesen Film bewerten soll. Ich bin rein in der Annahme, dass es sich um eine Komödie handelt. Ich würde den Film eher als Sozialdrama bezeichnen.
Maggie Gyllenhaal ist wie immer toll, Michael Fassbender wohl auch.
Botschaft des Films: Der mittelmäßige Durchschnitt macht jede Genialität kaputt. Kunst ist etwas anderes als Bekanntheit.
Der Held sieht das am Ende ein und entschuldigt sich bei seinem Hauptopfer.

@PollySees · 30.06.2015

Ein schräger Film mit viel melancholischem Humor. Hervorragend besetzt mit Gleeson, dem überambotionierten Musiker, der sein mangelndes Talent mit Begeisterung für die Sache ausgleicht, Maggie Gyllenhaal als wunderbar durcheknallte Mischung einer Femm e Fatale und einer Marina Abramovic und schließlich natürlich auch Michael Fassbender, der trotz eines riesigen Pappkopfes eine wunderbare Körpersprache entwickelt die es zusammen mit seiner Stimme unnötig machen seine Mimik zu sehen (auch wenn er sie gerne verbal beschreibt um den anderen behilflich zu sein.)
In unserer Sneak- Gruppe waren sich zwar alle einig, dass es sich um einen prinzipiell guten FIlm handelte, aber vielen war er, vor allem in der zweiten Hälfte zu langatmig und uninteressant.
Ich persönlich fand ihn durchweg überzeugend. Die Entwicklung, vor allem der beiden Haupt-Protagonisten, das langsame Verstehen, sich auf einander zu bewegen, die Erkenntnis dass beide im Grunde den gleichen Wunsch haben, nämlich unbedingt gemocht und bewundert zu werden und die schwere Erkenntnis, dass sie eigene Wege gehen müssen um dieses Ziel zu erreichen - diese Entwicklung hat die Zeit und die Ruhe verdient, die der Film bietet, alles andere hätte an den Haaren herbei gezogen und übereilt gewirkt.
Lediglich die Nebenlinie des Social Media, die Twitter-Feeds etc. wirkten in meinen Augen etwas gewollt "auf modern gemacht" und hätte es nicht gebraucht.
Insgesamt ein Film, der etwas ähnlich wie "Love and Mercy" zeigt, wie nahe Genie und Wahnsinn beieinander liegen und der den Begriff der "Kunst" in seinem vollem Spektrum zeigt, wobei er diese, wie auch seine Charaktere, bei aller Skurilität und Durchgeknalltheit immer ernst nimmt und nicht der Versuchung unterliegt, sich über sie lustig zu machen.
(Kritiken zu aktuellen und kommenden Filmen in 140 Zeichen bei twitter.com/PollySees )