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David Wagner erzählt in „Eismayer“ die auf Tatsachen beruhende Geschichte eines eisernen Vizeleutnants aus Österreich – und wie dieser unverhofft die Liebe findet.

Eismayer (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ein Offizier und Macho Man

Wenn sich Filme mit militärischen Milieus befassen, kann das zuweilen gehörig misslingen. Es kann zum Beispiel dazu führen, dass die Disziplin und Strenge romantisiert werden, wie etwa in Taylor Hackfords melodramatisch erzähltem „Ein Offizier und Gentleman“ (1982). Oder dass das Ganze zu einem gewollt coolen, überlangen und teuren Hochglanzwerbespot für die Ausbildung beim Militär mutiert, beispielsweise in Tony Scotts „Top Gun“ (1986) oder in Ridley Scotts „Die Akte Jane“ (1997). In komödiantischen Herangehensweisen können der Drill und das fragwürdige Männlichkeitsbild wiederum durch billige Scherze verharmlost werden, wie dies unter anderem in Boaz Davidsons „Eis am Stiel 4 – Hasenjagd“ (1982) oder in Granz Henmans „Kein Bund für’s Leben“ (2007) geschieht.

Eismayer, das Langfilmdebüt des 1982 im Speckgürtel um Wien geborenen Drehbuchautors und Regisseurs David Wagner, begeht all diese Fehler nicht. Der Stoff, der auf einer wahren Begebenheit basiert, nimmt seine Figuren (und sein Publikum) ernst und strebt eine authentische Darstellung des Österreichischen Bundesheers an. Die Titelfigur, Vizeleutnant Charles Eismayer, könnte leicht als Karikatur vorgeführt werden. Das Skript, die Inszenierung und nicht zuletzt der versierte Hauptdarsteller Gerhard Liebmann (Blutgletscher) sind jedoch nicht daran interessiert, das Verhalten des gnadenlos harten Ausbilders einfach nur bloßzustellen. Ebenso geht es aber auch nicht darum, ihn zum unerwarteten Helden zu machen. Vielmehr zeichnet das Werk das ambivalente Bild eines Mannes, der sich selbst jahrzehntelang verleugnet hat.

Er sei „ein kompletter Psychopath“, heißt es relativ zu Beginn über den Protagonisten. Eismayer fordert von seinen Auszubildenden absoluten Gehorsam und einen körperlichen Einsatz, der keine Grenzen kennt. Privat führt er ein Leben, von dem er glaubt, dass es in Anbetracht seiner Stellung das einzig adäquate ist: Mit seiner Ehefrau Christina (Julia Koschitz) und seinem Sohn entspricht er dem bürgerlichen Ideal. Im Verborgenen geht er derweil seiner körperlichen Hingezogenheit zu Männern nach – durch schnellen Sex ohne Gefühle.

Dann taucht der Rekrut Mario Falak (Luka Dimić) auf und landet in Eismayers Truppe. Der junge Mann macht kein Geheimnis daraus, dass er schwul ist. Er tritt selbstbewusst auf und lässt sich vom brüllenden „Schleifer“ überhaupt nicht einschüchtern. Stattdessen provoziert er Eismayer immer wieder – bis dieser nachgibt. „Ich bräuchte jemand, der mir meinen Fernseher anschließt“, meint Eismayer betont beiläufig – und bald wird daraus eine überraschende Liebesgeschichte, die durch eine Lungenkrebserkrankung noch eine Umkehrung der anfänglichen Rollen- und Kräfteverteilung erfährt.

Wagner, der selbst Rekrut beim Österreichischen Bundesheer war und sein Ensemble eine kurze militärische Ausbildung als Vorbereitung für den Film absolvieren ließ, fängt die Sprache und den Habitus des gezeigten Umfeldes glaubhaft ein. Eismayer setzt sich unter anderem mit toxischer Männlichkeit auseinander und verfolgt ein ziemlich ungewöhnliches Coming-out. Er ist indes kein Thesenfilm zu diesen Sujets, sondern eine erfreulich komplexe Charakterstudie, die weder um unsere Sympathien buhlt noch sich am Abstoßenden ergötzt. Der Film geht der Angst seiner Hauptfigur auf den Grund und erfasst präzise deren Auswirkungen in all ihrer Widersprüchlichkeit.

Eismayer (2022)

Vizeleutnant Eismayer ist der gefürchtetste Ausbildner beim österreichischen Bundesheer und führt ein Doppelleben als Vorzeige-Macho in der Öffentlichkeit und als Schwuler im Geheimen. Als ein junger Soldat einrückt, der offen schwul ist, und Eismayer sich in ihn verliebt, stellt er die Welt von Eismayer auf den Kopf. Basierend auf wahren Begebenheiten.

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