Blutgletscher

Eine Filmkritik von Sebastian Selig

In eisiger Höh

Ganz dort oben, wo sich das deutsch-sprachige Kino leider nur viel zu selten hintraut. Dort wo der Wind etwas frischer pfeift und die Nächte noch wunderbar rau sind. Wo die schneeklare Sicht den Blick auf die ganze Wucht der hier tatsächlich noch richtig hoch aufragenden Massive freigibt. Ganz dort oben, am Rande dieses schroffen Abgrunds steht diese eine zugige Wellblechhütte. Darin versammelt ein paar introvertierte Klimaforscher und Gerhard Liebmann, diese schauspielerische Naturgewalt (der genau für diese am Blutgletscher mit dem Österreichischen Filmpreis für den „Besten männlichen Darsteller“ ausgezeichnet wurde). Liebmann ist Janek, kümmert sich hier oben um alles und will als einziger auch von dem Berg am liebsten gar nicht mehr runter. Ein grimmiger Kerl, aufs Liebevollste verbittert und kurz davor sich aufzugeben.

Doch dann ändert sich einiges, mutiert die ganze Situation. Das gigantische Eisfeld, der Gletscher, verfärbt sich blutrot. Die Natur wird unruhig. Seltsames Getier kratzt mit mörderisch scharfen Klauen an der wenig stabilen Hütte, wie bald auch an den Herzen der darin mit einem Mal sehr Gefangenen. Ausgerechnet heute, als alle sowieso schon so aufgeregt sind, weil die Ministerin Bodicek (großartig: Brigitte Kren) hier einmal auf der Station medienwirksam nach dem Rechten sehen will. Alles eskaliert.

Und es ist Blutgletscher verdammt hoch anzurechnen, dass er daraus dann keinen Witz macht. Marvin Kren gelingt hier wahrlich so etwas wie ein kleines Wunder: ein Monsterfilm, so bitter und groß, wie das seit John Carpenters Ding aus einer anderen Welt nicht mehr geglückt ist. Einer dieser viel zu selten gewordenen Filme, der sich echt was traut. Der nicht die einfache „ist alles sowieso nur lustig gemeint“-Ausflucht nimmt, sondern seine Figuren und damit auch uns Zuschauer wirklich ernst nimmt und packt.

Wir sind diesem Film nicht egal und er ist es uns auch nicht. Er lädt uns nicht dazu ein, sich höhnisch über die Gefahr und die darin Verwickelten zu stellen, sondern lässt uns richtig mitleiden. Mitfiebern. Mit ums Überleben ringen.

2010 ist das Marvin Kren schon einmal gelungen. In Berlin. Da hat er uns ganz aus der Berlin-typischen Hinterhof-Architektur heraus einen wunderbar beklemmenden, fiebrig spannenden Zombiefilm geschenkt. Rammbock, ursprünglich als „Kleines Fernsehspiel“ konzipiert, das dann doch so groß war, dass es zunächst erfolgreich auf Festivals lief und später dann sogar noch regulär auf DVD erschien. Letztere DVD sei an dieser Stelle zudem gleich doppelt innig empfohlen, da sich auf dieser auch Krens mehr noch in der Tradition von Michael Haneke und Ulrich Seidl stehende Kurzfilm Schautag befindet, der einem ebenfalls mit ziemlich Wucht in die Glieder fährt.

Und genau das ist der Kosmos, der sich hier auftut: bitteres österreichisches Kino, wie es sehr viel schöner nicht geht und gleichzeitig auch noch ein verdammt spannender Monsterfilm mit richtig großen Kinobildern. BLUTGLETSCHER, du rockst.
 

Blutgletscher

Ganz dort oben, wo sich das deutsch-sprachige Kino leider nur viel zu selten hintraut. Dort wo der Wind etwas frischer pfeift und die Nächte noch wunderbar rau sind. Wo die schneeklare Sicht den Blick auf die ganze Wucht der hier tatsächlich noch richtig hoch aufragenden Massive freigibt. Ganz dort oben, am Rande dieses schroffen Abgrunds steht diese eine zugige Wellblechhütte.

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