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Regisseur David O. Russell ruft – und die bekanntesten Schauspieler Hollywoods kommen. Doch was nutzen die größten Stars in rauen Mengen, wenn das Drehbuch selbstverliebt einen seltsam langweiligen Plot erzählt?

Amsterdam (2022)

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Ein Dutzend Stars im Pappkarton

Nach siebenjähriger Pause meldet sich mit David O. Russell einer der großen Regisseure Hollywoods aus den vergangenen 20 Jahren zurück. Der bereits dreimal als bester Regisseur oscarnominierte Russell (zwei Nominierungen für das beste Drehbuch, adaptiert und neu, kommen hinzu) hat auch für „Amsterdam“ wieder einen anbetungswürdigen Cast zusammengetrommelt. Sein Hauptrollen-Trio Christian Bale, John David Washington und Margot Robbie wären schon genug für einen Film. Aber Russell verpflichtete auch noch Zoe Saldana, Chris Rock, Anya Taylor-Joy, Rami Malek, Mike Myers, Michael Shannon, Timothy Olyphant, Andrea Riseborough, Taylor Swift, Matthias Schoenaerts, Alessandro Nivola und quasi als Kirsche auf der Torte – Robert De Niro. Und bei dieser geballten Starpower, die Kinofans fast allein schon ins Lichtspielhaus zieht, stellt sich eigentlich nur eine Frage: Hat denn keiner von denen vorher das Drehbuch gelesen?

Denn was sich Russell dabei gedacht hat, bleibt den ganzen Film über im Dunkeln. Bereits das Genre gibt Rätsel auf. In einigen US-Medien war von einem Comedy-Thriller zu lesen, allerdings ist Amsterdam weder sonderlich lustig noch packend geraten. In seinen viel zu üppig bemessenen 135 Minuten gibt Russell seinen Schauspielern zwar die Möglichkeit, ihre Kunst zu zeigen, die Story wird davon aber nicht besser. Er schickt ein skurriles Trio auf die Jagd nach einem Mörder, baut dabei aber so gut wie nie Spannung auf. Stattdessen erstickt er seinen ohnehin schon wenig originellen Plot mit ausgedehnten, aber langweiligen Gesprächen und wenig glaubhaften Twists. Das ist umso schlimmer, weil Russells eigentliches Grundthema sowohl spannend hätte sein können als auch heute wieder relevant ist. Und der Abspann zeigt, dass Russell sich auch bewusst dafür entschieden hat. Schade, dass ihm seltsam schräge Figuren und Einfälle wichtiger waren als eine interessante Handlung.

Wer darauf ohnehin weniger Wert legt, ist mit Amsterdam aber durchaus gut bedient. Denn Russell lässt seine Schauspieler in ihren Szenen hell scheinen und setzt sie zum Teil grandios in Szene. Fast jeder der großen Stars bekommt auch einen großen Moment im Film, vielleicht der Grund für die Zusage am Projekt. Russell schafft dabei vor allem in den Rückblenden, die zu einem guten Teil in der titelgebenden Stadt spielen, einige intime Augenblicke in einer seltsam anmutenden und doch völlig homogenen Dreier-Gruppe, von denen das Publikum gern mehr gesehen hätte. Auch wenn gerade diese Szenen, und da tut sich erneut das Problem des Films auf, die Handlung des Films kaum voranbringen, weil Russell hier nur in epischer Breite das Entstehen der seltsamen Freundschaft zwischen drei sehr unterschiedlichen Menschen erzählt. Und die letztlich wenig Einfluss auf die Story nimmt.

Neben dem Schauspiel ist aber auch die Optik des Films erwähnenswert. Denn besonders einige der Sets im Film sind von betörender Schönheit oder besonders ausgefallen – und deshalb sehenswert. Das beginnt bei den Kunstobjekten und Gemälden, die Margot Robbies Charakter Valerie zum Teil aus dem Metall fertigt, das sie Verletzten des Ersten Weltkrieges aus den Körpern gezogen hat. Und geht weiter mit einigen Innenräumen und anderen Drehorten, die mit ungewöhnlichen Ideen das Auge des Publikums verzaubern. Könnte Russels Inhalt mit der Verpackung mithalten, Amsterdam wäre ein Oscarkandidat. Und das verwundert nicht. Denn Amsterdam-Kameramann Emmanuel Lubezki, der von 2014-16 dreimal hintereinander den Oscar für die beste Kamera gewann, zeigt auch hier, warum er einfach zu den Besten seines Fachs gehört. Die Leichtigkeit, mit der er Larger-than-Life-Optiken mit kleinen, fast intimen Bildern kombiniert, hebt Amsterdam in diesem Bereich auf ein hohes visuelles Niveau.

Ob David O. Russell während seiner gesamten siebenjährigen Pause an diesem Drehbuch arbeitete oder nicht, das bleibt sein Geheimnis. Fest steht, dass er eine Art Storygerüst entstehen ließ, bei dem viel zu viele Äste wuchern durften. Mit etwas Überarbeitung hätte Amsterdam daher ein deutlich besserer Film werden können. So steht der grandiosen Optik ein weitgehend schaler Inhalt gegenüber. Und die vielen kleinen, durchaus gelungenen Szenen, die zusammen doch keinen starken Film ergeben, werden Fans der Schauspieler deutlich mehr Freude machen als Zuschauer:innen, die von einem Film auch eine fesselnde Handlung erwarten. So viel qualitatives Potenzial wie in Amsterdam wurde wohl schon lange nicht mehr verschenkt.

Amsterdam (2022)

Der auf wahren Ereignissen basierende „Amsterdam“ ist romantisches Krimi-Epos über drei enge Freunde, die sich im Zentrum einer der schockierendsten geheimen Verschwörungen der amerikanischen Geschichte wiederfinden. 

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Meinungen

Jim · 30.01.2023

Ich verstehe die Kritik überhaupt nicht und die negativen Bewertungen sind für mich nicht nachvollziehbar! Der Film ist absolut sehenswert und genial!! Eine interessante Handlung muss nicht zwingend spannend sein. Insbesondere dann nicht, wenn es um ein ernstes Thema geht. Die losen Handlungsstränge und die wirre Inszenierung sind bewusst gewählt! Ebenso wie die der Genrewechsel und die überzeichneten Figuren. Viel zu oft sind die Themen Wirtschaft, Macht und Krieg auf eine viel zu plakative und künstlich dramatisierte Weise verfilmt worden und haben dabei den Zuschauern nichts anderes hinterlassen als oberflächliches Popkorn-Kino! Dieser Film ist ein kleines Meisterwerk, das die Zuschauer gleichermaßen zum Denken anregt wie auch mit künstlerischer Raffinesse verzaubert. Jegliche negative Kritik bestätigt an sich nur die Tatsache, dass mal wieder von einem weitestgehend oberflächlichen Publikum ein filmisches Meisterwerk nicht erkannt wird. Leider passiert dies auf „sogenannten“ Filmkritik-Plattformen in der heutigen Zeit immer öfter!

Polly · 30.01.2023

Dem schließe ich mich an. Der Film hat mich völlig eingenommen für diese Kriegsüberlebende und zum Teil „entstellten“ Menschen, die sich mit so viel Herz umeinander kümmern.
Dass die politischen Zusammenhänge nicht breit analysiert zum Lernen angeboten wurden, ließ an mich viel näher heran, wie viele Menschen von einer gesichtslosen Macht geopfert werden, die nie greifbar und unbesiegbar. Wie die Gier selbst.