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Ein Wunsch ist ein Traum im Konkreten. Marias und Christianes Wunsch ist es, schwanger zu werden. Der Dokumentarfilm fängt den Weg der beiden Frauen aus nächster Nähe respektvoll ein.

Der Wunsch (2024)

Eine Filmkritik von Niklas Michels

Gemeinsamer Kraftakt

Der Wunsch gewinnt den Publikumspreis Dokumentarfilm auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2024. “Neue Patientin; Querschnittsgelähmt; Junge Frau.” Das sind die ersten Worte, die Christiane – Krankenschwester – über Maria hört. Die beiden Frauen verlieben sich und 2013 beginnt ihre Odyssee: der Kinderwunsch.

Dokumentarfilmerin Judith Beuth – die auch mal selbst durch das Bild huscht – und ihre Kamera werden episodisch fester Bestandteil in der Wohnung von Christiane und Maria. Über 10 Jahre hinweg wird Sie das Paar begleiten. Eine stille Lebensfreude sprudelt aus den beiden. Zarte Blicke wie in einem Jacques Demy Film; die Welt scheint Ihnen gut zu sein.

Die erste Option ist ein Samenspender. Die Spendersuche eröffnet Gletscher im Zwischenmenschlichen. Ein vorsichtiges Abtasten, Fassen von Vertrauen und Befürwortung. Nach einiger Zeit verwerfen Sie die Option und greifen auf eine Samenbank zurück.

Ein wichtiges Thema macht einen Film nicht zu einem guten Film, es hebt höchstens die Messlatte, die es zu erfüllen gilt. Der Wunsch ist unverbraucht und besitzt Aktualität, ohne sich dabei an der Relevanz des Themas festzuklammern. Die intimen Gedanken über Schwangerschaft sind bei Regisseurin Beuth gut aufgehoben. Nur minder lenkt sie das Gespräch, Christiane und Maria leiten vielmehr den Blick der Kamera.

Zwischen erzählerischen Sprüngen und Wartezeiten, die wie tote Zeit ereignisreiche Episoden separieren, laufen unberührte Naturaufnahmen, die das Verstreichen von Monaten oder Jahren signalisieren. Eine weitere Ebene eröffnen sie allerdings nicht. Anders ist dies bei kurzen, beinah clipartig Animationen, die Gedanken aufgreifen, abbilden oder weiterführen.

Regisseurin Beuth unterschätzt dabei die Kraft der Erzählungen ihrer Figuren. Die Verbildlichung anhand von Zeichnungen hätte es gar nicht gebraucht. Übelnehmen kann man dies dem Film aber nicht. Eine spezifische Animation sticht heraus: wie Tetris Blöcke fallen Hindernisse vom Himmel, aus Steinen auf den Schultern wird ein Turm vor der Nase.

Keine Träne zu vergießen, fällt schwer. Der Publikumspreis zeigt das Mitgefühl der Zuschauer:innen. Die Geschichte der zwei Frauen berührt im Kinosaal, beim Weg heraus, aber sicher auch noch Wochen danach, in Gesprächen und Gedanken.

Dabei fordert Der Wunsch immer wieder Mitleid ein. Die Steine auf den Schultern des Paares werden größer. „Kein Frühlingsspaziergang“. Fragen beantworten wird schwerer, lächeln auch. Es lässt sich die Frage in den Raum stellen, ob ein Film, in seiner Form, in seinem Inhalt, durch Schlagabfolgen von Tragödien zu reiner Trauer-Pornografie kulminiert. Diese Frage muss differenziert betrachtet werden: In der Fiktion, zum Beispiel The Whale (2022) von Darren Aronofsky, entsteht die quälende Trauer häufig als Intention. In Der Wunsch wäre jede Nicht-Trauer offensichtlich Zynismus gewesen.

Jahre vergehen. Ohne Erfolg. Alter schreitet voran; 43, 44, 45. Die Kameralinse schaut nicht mehr lächelnd zurück. 46 bildet die absolut letzte Chance, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden. Plötzlich hat man da zwei Menschen vor sich, die man sicher in den Arm nehmen möchte – doch eigentlich möchte man sagen „Gebt es auf, es ist zu spät“. Erschreckend, sich dabei zu erwischen, großen Begriffen wie dem der „biologischen Uhr“ zu folgen. So sah man als Zuschauer:in zu Beginn noch mit rosaroter Brille. Dass der Film diese Subversion des Publikums erreicht, ist seine größte Stärke.

Der Film Die unendliche Erinnerung (2023), nominiert für den Oscar „Bester Dokumentarfilm 2024“, von Maite Alberdi, verfolgt ein ähnliches Ziel. Eine Kamera begleitet ein Ehepaar in ihrem Umgang mit der Demenzkrankheit. Was Alberdis Film so besonders macht, ist der inhärente Optimismus der Geschichte. In Beuths Film sind die Figuren optimistisch, doch die filmisch eingefangene Realität stellt dies auf die Probe und findet keine anderen Noten als Moll.

So möchte Beuth zwischen den Zeilen Zwischenmenschlichkeit beobachten, Liebe, die auffängt und herausfordert. Doch es gelingt nicht immer, generelle Beobachtungen anzustellen. Die Kamera als Empirie – zu parteiisch und wir als Publikum sind in diesem Fall zu involviert, um auf ein großes Ganzes zu abstrahieren.

Der Wunsch hat etwas Verbissenes. Film und Beziehung sind zu trennen, tut man dies, fallen erzählerische Leerstellen auf. Warum kommt Adoption nicht infrage? Wie hat sich der politische Apparat in den 10 Jahren verändert? Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Die große emanzipatorische Wende 2017 (Ehe für Alle) wird überdeckt von Arztterminen und dem Warten auf Anrufe. Beuth gelingt eine wunderschön verwackelte Ästhetik, die nicht näher am Menschen dran sein könnte, doch was die Liebe im Innersten zusammenhält, geht zwischen den Tränen des Publikums verloren.

Der Wunsch (2024)

Der Dokumentarfilm „Der Wunsch“ begleitet das Liebespaar Maria und Christiane über einen Zeitraum von 10 Jahren auf ihrer emotionalen Reise, sich einen Lebenswunsch zu erfüllen: ein gemeinsames Kind. Die Regisseurin, Jugendfreundin von Maria, erzählt einfühlsam, wie das Paar dabei mit immer größer werdenden Herausforderungen umgeht. Die Hürden im deutschen Gesundheitssystem, die eigene biologische Uhr und die emotionalen Höhen und Tiefen, die das Paar erlebt, setzen ihre Beziehung mehr und mehr unter Druck. Über Jahre unternehmen beide immer neue Versuche, schwanger zu werden, recherchieren neue Möglichkeiten, probieren neue Techniken, stellen sich finanziellen Herausforderungen. Maria, die seit einem Unfall in ihrer Jugend querschnittgelähmt ist, zweifelt zunehmend, während Christianes Kinderwunsch unverändert stark bleibt. (Quelle: Kloos & Co.)

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