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In „Die Schneegesellschaft“ erzählt J. A. Bayona die wahre Geschichte eines Flugzeugabsturzes in den 1970er Jahren in den Anden und des anschließenden Überlebenskampfes.

Die Schneegesellschaft (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Zusammenhalt im Ausnahmezustand

Im Oktober des Jahres 1972 wollte eine Rugby-Mannschaft aus Uruguay mit ein paar Freund:innen und Familienmitgliedern nach Chile zu einem Freundschaftsspiel fliegen. Mit 45 Personen an Bord startete die Maschine – und zerschellte unterwegs an einem Berghang in den Anden in circa 4000 Metern Höhe. Zwölf Leute starben im Laufe des Absturzes; fünf weitere in der ersten Nacht. Die restlichen Überlebenden wurden mit arktischen Bedingungen konfrontiert – mit nächtlichen Temperaturen zwischen minus 30 und minus 40 Grad. Nach 72 Tagen im Eis konnten 16 Menschen gerettet werden.

Die Rettung wurde als „Wunder der Anden“ bezeichnet. Zugleich sorgte es damals für großes Entsetzen, als bekannt wurde, dass sich die Überlebenden in ihrer Not vom Fleisch der Verstorbenen ernährt hatten. Die Begebenheit wurde in Büchern, Theaterstücken und Filmen verarbeitet – etwa in der Hollywood-Produktion Überleben! (1993) von Frank Marshall, in der die Hauptrollen mit US-Jungstars wie Ethan Hawke besetzt wurden. Der spanische Regisseur J. A. Bayona hat die Geschichte nun mit Die Schneegesellschaft auf Basis des gleichnamigen Romans von Pablo Vierci abermals verfilmt. Das Ergebnis ist ein Survival-Drama und -Thriller mit klarer Konzentration auf die Dynamiken innerhalb der Schicksalsgemeinschaft.

Mit dem besonnenen Numa Turcatti (Enzo Vogrincic), der als Erzähler fungiert, gibt es eine Figur, die (zunächst) im Zentrum steht. Dennoch vermeidet es das Werk, mit Stereotypen zu arbeiten und das Personal mit den Klischees des Katastrophenfilms auszustatten. Numa ist kein Held, der tapferer als alle anderen ist; niemand wird nur durch wenige Eigenschaften als durchweg positiv oder negativ dargestellt oder auf eine dramaturgische Funktion reduziert. Verschiedene Fähigkeiten und Kenntnisse (zum Beispiel durch ein begonnenes Medizinstudium) sorgen dafür, dass jede Figur ihren Teil zum Überlebenskampf beiträgt. Darüber hinaus sind alle von der Situation überfordert, haben Ängste und spüren Wut und Frustration angesichts der verheerenden Lage.

Erfreulich ist zudem, dass der Film nicht auf das Sensationslüsterne setzt, sondern respektvoll mit den Opfern umgeht. Die Namen und das Alter aller Verstorbenen werden im Verlauf der Ereignisse eingeblendet; niemand bleibt anonym. Das Thema Kannibalismus dient nicht dazu, Schocks zu erzeugen. Vielmehr werden die moralischen Bedenken ausführlich behandelt und die Konsequenzen für die Gruppenentwicklung aufgezeigt – etwa wenn sich die Gruppe aufspaltet in jene, die sich (vorerst) weigern, auf das Verspeisen von menschlichem Fleisch als Überlebensstrategie zurückzugreifen, und jene, die dies rasch als Notwendigkeit anerkennen.

Bayona, der unter anderem mit Jurassic World: Das gefallene Königreich (2018) auch schon im Blockbuster-Bereich tätig war, demonstriert in einigen Sequenzen seine Fähigkeiten, Actionsequenzen zu gestalten und Spannung aufzubauen – beispielsweise wenn ein Sturm dazu führt, dass die Figuren in den Resten des Flugzeugwracks unter einer Schneedecke begraben werden. Den Fokus legen er und seine Co-Autoren indes stets auf die psychologischen Elemente. Wie gehen Menschen damit um, wenn sie über ein Transistorradio inmitten der Eiseskälte erfahren, dass die Suche nach ihnen aufgegeben wurde? Woher soll die Kraft kommen, dennoch weiterzumachen? Die Schneegesellschaft fängt diesen Ausnahmezustand intensiv ein, ohne ins Kitschige zu verfallen.

Gesehen beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián.

Die Schneegesellschaft (2023)

Als der Flug 571 der uruguayischen Luftwaffe, der für den Flug einer Rugbymannschaft nach Chile gechartert wurde, im Jahr 1972 auf einem Gletscher im Herzen der Anden abstürzt, überleben nur 29 der 45 Passagiere den Absturz. Da sie sich in einer der härtesten Umgebungen der Welt befinden, sind sie gezwungen, extreme Maßnahmen zu ergreifen, um am Leben zu bleiben.

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Meinungen

Angela Schaller · 21.01.2024

Also es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich bin schon völlig emotionslos und abgedroschen, oder der Film ist wirklich langeweilig 🫤 Laut Bewertungen sind alle begeisert und haben Gänsehaut - hatte ich kein einziges Mal. Naja, entscheidet am besten selbst 🤷‍♀️

Dietmar Daume · 05.01.2024

Sehr gut gelungene Neuverfilmung mit Tiefgang. Nicht der übliche leichtvetdauliche Quoten/Klischeefilm aus Hollywood.
Auch mit, leider mittlerweile typisch deutsch gewordenen, Versuchen zu erziehen; politische Botschaften und Ideologie unter die Konsumenten zu bringen hält man sich kom
plett zurück.