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Seit „Lone Survivor“ (2013) stehen Regisseur Peter Berg und Hauptdarsteller Mark Wahlberg für Actionkino mit politischer Brisanz. Ihr jüngster Agententhriller „Mile 22“ mit Lauren Cohan und Iko Uwais ist ein heillos hektisches Desaster.

Mile 22 (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Patrioten sterben einsam

Als Regisseur ist Peter Berg nicht zimperlich. Schon sein Debüt „Very Bad Things“ (1998) spritzte Blut, Gift und Galle. Im Verlauf seiner Karriere hat der Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent seinen Sinn für (schwarzen) Humor indes irgendwo auf der Strecke gelassen. Ironische Brüche wie in „Welcome to the Jungle“ (2003) oder „Hancock“ (2008) sind Berg spätestens fremd, seit er seinen Wunschdarsteller Mark Wahlberg gefunden hat. In seinem jüngsten Machwerk, anders kann man die vierte Zusammenarbeit der beiden nicht nennen, lässt Berg nun endgültig das winzige Feigenblatt fallen, mit dem er seine politisch eindeutigen Botschaften bislang bedeckte.

Diesbezüglich lohnt ein Blick zurück. Im direkten Vorgänger, dem actiongeladenen Terrordrama Boston (2016), gönnt Berg dem von Wahlberg gespielten Polizisten Tommy Saunders kurz vor dem Finale eine kleine Verschnaufpause. An die Pritsche eines Pick-ups gelehnt unterhält sich Saunders mit einem Kollegen. Der will wissen, ob man Anschläge wie den im Film rekonstruierten, auf den Boston Marathon verübten verhindern könne. Saunders kommt vom Privaten aufs Allgemeine und zieht folgenden Schluss: „Wenn dich der Teufel so voll erwischt, bleibt dir nur eine Waffe, um dich zu wehren: Das ist die Liebe.“ Sie sei das Einzige, an das der Teufel nicht herankäme. „Was sollen wir tun, sie jagen, sie fassen, töten? All das? Sie kriegen uns trotzdem. Ich denke, so was wird sich nie vollkommen verhindern lassen.“

Mile 22 führt es nun trotzdem vor, das Jagen und Töten. Gefasst wird keiner, denn die Geheimorganisation Overwatch, für die der hochbegabte wie hochaggressive Elite-Agent James Silva (Wahlberg) arbeitet, macht wie Bergs Film keine Gefangenen. Unter satellitengesteuerter Supervision von James Bishop (John Malkovich) werden Silva, Alice Kerr (Lauren Cohan), Sam Snow (Ronda Rousey) & Co. immer dann herangezogen, wenn die Diplomatie mit ihrem Latein am Ende ist und sich das Militär die Hände nicht schmutzig machen will oder darf. Vor jedem Einsatz aufs Neue entlassen, handeln die sogenannten „Geister“ ohne nachweisbare Verbindung zur Regierung. Ihr Ziel ist so simpel wie ihre Weltsicht: Statt mit der noch in Boston geforderten Liebe begegnen sie Hass mit Hass. Bergs Inszenierung wiederum ist so simpel wie seine Hauptfigur: wutschnaubend und hypernervös.

Schon die kurze Exposition, in der die technisch hochgerüsteten Kämpfer ein Safehouse des russischen Geheimdiensts FSB hochnehmen und nach Erlaubnis von oben alle Bewohner exekutieren, gibt die Richtung vor. Jacques Jouffret, bislang vornehmlich als Steady Cam Operator tätig, läst seine Kamera keine Sekunde lang stillstehen. Melissa Lawson Cheung und Colby Parker Jr. montieren seine Bilder zu einem wahren Schnittgewitter. Unentwegt wechseln die Ansichten, von Satelliten- und Wärmebildaufnahmen mitten hinein ins Geschehen und wieder zurück. Ist visuell doch einmal zu wenig los, drückt die Tonspur aufs Tempo. Dann wummern die Bässe und Wahlbergs James Silva belfert seine belehrenden Monologe in einem Affenzahn.

Diese künstlich erzeugte, kaum überzeugende Dynamik ist schnell enervierend. Und so können einem die titelgebenden 22 Meilen Strecke, die in kurzen 94 Minuten zurückzulegen sind, unendlich lang werden. 16 Monate nach der Erstürmung des Agentennests inmitten der USA müssen Silva & Co. nun in Südostasien den Überläufer Li Noor (Iko Uwais) von der amerikanischen Botschaft auf ein Flugfeld verfrachten. Doch auf dem Weg durch die wuselige Megacity geht alles schief. Ein Angriff auf offener Straße entwickelt sich zum Häuserkampf. Vertrautes Terain für The Raid-Darsteller Iko Uwais, der unter Bergs Regie in viel zu hektisch choreografierten Kampfeinlagen nur einen Bruchteil seines Könnens abrufen kann. Auch Wahlberg überzeugt als besserwisserisches Nervenbündel nicht recht. Zurück bleibt eine Schneise der Verwüstung, an deren Ende auch die Protagonisten innerlich verwüstet sind, wenn sie es nicht schon immer waren.

Immerhin macht Lauren Cohan eine deutlich bessere Figur als ihre männlichen Kollegen. Seit der zweiten Staffel von The Walking Dead killt sie als Maggie Greene Zombies. Das kann auch im Kampf gegen Terroristen nicht schaden. Seriengestählt metzelt sie sich ihren Weg. Während Jennifer Garner im vergangenen Jahrzehnt in Bergs Operation: Kingdom (2007) zwischen den Kämpfen noch in Tränen ausbrach, gibt Cohan ihre Söldnerin bis zum Schluss beinhart und knochentrocken. Einzig im Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex wird sie weich. Mehr fällt dem von Schriftstellerin Lea Carpenter verfassten, mit drei Erzählebenen und einer perfid-stupiden, hanebüchenen Schlusspointe heillos überfrachteten Drehbuch allerdings nicht ein.

Teufel und Engel, Böse und Gut, Schwarz und Weiß – so dichotom ist die Sicht auch unter Bergs jüngster Regie. Mühte er sich in der Vergangenheit noch, sie durch vereinzelte kritische Stimmen oder positiv gezeichnete Charaktere auf des Gegners Seite zu kaschieren, legt er sein reaktionäres Weltbild dieses Mal völlig ungeschminkt offen. Von Polizisten, Politikern und Diplomaten hält Protagonist James Silva überhaupt nichts. Der Zweck heilige die Mittel, eine Regierung dürfe zur Rache fähig sein. Punkt, aus, keine Widerrede! Für seinen Vorgesetzten Bishop verkörpern Männer und Frauen seines Schlags schlicht eine „höhere Form des Patriotismus“.

Wer aus dieser Konstellation eine Kritik am System abliest, hat mehr Fantasie als Lea Carpenters eindimensionales Drehbuch. Wer Mile 22 gar eine Absage an den Hurrapatriotismus vergleichbarer Actionvehikel und älterer Filme Bergs attestiert, sollte noch einmal genau hinsehen. Natürlich ist die Gewalt in Mile 22 schmutzig und widerwärtig, aber dennoch ein bluttriefendes, ultrabrutales Spektakel. Natürlich sterben die (vermeintlichen) Patrioten allein gelassen, aber eben doch einen selbstlosen Heldentod mit Silvas warmen Worten im Ohr und Granaten und Gewehrmagazinen in der Hand, standhaft bis zur letzten Patrone. In solch einem Szenario gibt es freilich keine strahlenden Sieger. Wahlbergs uneinsichtige, sich in ätzendem Zynismus suhlende Figur ist aber auch kein Verlierer.

Mile 22 (2018)

Ein amerikanischer Spezialagent  versucht, einen mysteriösen Polizisten mit vertraulichen Informationen außer Landes zu schmuggeln und wird dabei von einer geheimen Kommandoeinheit unterstützt. Um erfolgreich zu sein, muss 22 Meilen bis zum einem Flugplatz zurücklegen, wo ein Fluchtflugzeug auf sie wartet. Doch der Weg dahin ist gefährlich und die Feinde mächtig und zahlreich. Denn der Skandal, den er aufdecken könnte, hat gewaltige Dimensionen.

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Meinungen

Matt57 · 18.05.2020

Blöde Ballerei, absolut verzichtbar.