The Raid (2011)

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Eine einfache Geschichte - in Höchstgeschwindigkeit

Die Aufgabenstellung ist denkbar einfach und erinnert in ihrer Schlichtheit an die Missionen in einem Ego-Shooter-Computerspiel: Dringe in ein Hochhaus ein, säubere die einzelnen Stockwerke von den herumlungernden Ganoven und mache ihren Boss dingfest. Für die bis an die Zähne bewaffnete Spezialeinheit der indonesischen Polizei ein klarer Auftrag – doch der erweist sich mit der Zeit als harte Nuss. Nicht nur deshalb, weil das Hochhaus in Wahrheit eine tückische Falle ist, in der hinter jeder Ecke neue Gefahren lauern, sondern auch deshalb, weil der vermeintliche Auftrag allein auf dem Mist eines einzigen Mannes gewachsen ist. Was wiederum zur Folge hat, dass niemand weiß, wo sich das SWAT-Team grade befinden und dass man auf Verstärkung nicht hoffen kann. Während die ersten Stockwerke schnell eingenommen sind, setzt ab Etage 5 erbitterter Widerstand ein – schnell ist das Team erheblich minimiert und es beginnt ein erbarmungsloser Kampf, bei dem es bald schon ums nackte Überleben geht.

Zugegeben: Die Handlung des indonesischen Action-Krachers klingt überschaubar und weitgehend überraschungsfrei, die Dialoge beschränken sich aufs Notwendigste und außer einem Polizisten bekommt keiner der Kämpfer irgendeine tiefergehende Figurenzeichnung verpasst – und ehrlich gesagt stört das auch kaum. Denn all diese vermeintlichen Schwächen bilden vielmehr die eigentliche Stärke des Films. Weil durch den Verzicht auf eine auch nur annähernd komplexe Narration mehr Raum und Zeit bleibt für das, was diesen Film auszeichnet – Actionszenen und feinste Martial-Arts-Einlagen en masse und so viele kunstvolle „Kills“, dass man als Zuschauer förmlich ein einen Adrenalinrausch hineingezogen wird, der einen bis zur letzten Minuten nicht mehr loslässt.

Zwar ahnt man seit der Eingangssequenz, bei der sich der junge Polizist Ram (Iko Uwais) von seiner schwangeren Frau verabschiedet, dass ausgerechnet das vermeintliche Greenhorn zum eigentlichen Helden der Geschichte avancieren wird. Und dass ausgerechnet dieser kampfgewandte junge Mann verwandtschaftliche Verbindungen zu einem der Leibwächter des Gangsterbosses Tama (Ray Sahetapy) hat, erscheint nicht unbedingt glaubwürdig. Allerdings lassen die blitzschnellen und in ihrer brutalen Unmittelbarkeit überaus realistischen Kampfeinlagen sowie die dichte, klaustrophobische Atmosphäre in den engen Fluren des Hochhauses erzählerische Klischees schnell vergessen.

Es gehört beinahe schon zu den schönen Pointen (oder Zufällen), dass The Raid nun in Deutschland just in der Woche auf DVD erscheint, in der mit Die Nacht der Giraffe ein anderer Film aus Indonesien erscheint. Zwar könnten die beiden Werke kaum unterschiedlicher sein, eines aber haben sie beide gemeinsam: Sie vermitteln eine Ahnung davon, dass das bislang weitgehend unbekannte Filmland Indonesien über ein enormes Potenzial und über eine gewaltige Bandbreite verfügt, die von knallhartem Actionkino bis zu selbst für Arthouse-Verhältnisse schrägen Dramen reicht. Insbesondere von der Konsequenz, mit der Evans seine Genreperle bis zum Ende durchzieht, kann sich eine arrivierte Filmszene in Deutschland einiges abschauen.
 

The Raid (2011)

Das hätte sich Gareth Evans auch nicht träumen lassen: Da wird er engagiert, mal eben eine Dokumentation über „Pencak Silat“ (ein Sammelbegriff für verschiedene Kampfsporttraditionen der indonesischen Inselgruppe) zu drehen – und plötzlich wohnt er in Jakarta und hat kurze Zeit später mit „Merantau“ (2009) und „The Raid: Redemption“ (2011) bereits zwei kultverdächtige Martial-Arts-Langfilme am Start. Erster wanderte in Deutschland direkt in die Videotheken. Doch „The Raid“ bekommt erfreulicherweise eine Kinoauswertung.

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