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Wilde Verfolgungsjagden, groteske Körper: norwegisches CGI-Kinderkino, das sich was traut.

Zwei Freunde und ihr Dachs (2015)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Hat es auch Methode, ist’s doch Wahnsinn

Man könnte so tun, als habe dieser Film eine stringente, klar umrissene Handlung: Die zwei Freunde Knutsen und Ludwigson machen die Bekanntschaft von Amanda. Amanda ist in Not, und deshalb machen sich die beiden gemeinsam mit ihrem ungewöhnlichen Haustier auf, um ihr zu helfen – vor allem aber ihrem Vater, der von dem wahnsinnigen Rasputin festgehalten wird. Er will den Wissenschaftler zwingen, ihm ein Serum zu produzieren, mit dem er die Gedanken und Bewegungen von Menschen kontrollieren kann.

So erzählt, klingt Zwei Freunde und ihr Dachs geradezu geradlinig und dabei aber auch wie für Kinder eher ungeeignete Genrekost. Rasmus A. Sivertsens Film allerdings hat zwei Titelfiguren, die ihre gute Laune eigentlich nur kurz ablegen, um ausgiebig zu schreien (zum Beispiel weil sie gerade in einen Abgrund stürzen) oder sich zu streiten sowie einen Titeldachs, der beträchtliche Teile des Films schweigend verbringt, um dann in wohlgesetzten Worten von zwei Ratten die Krönung zum König anzunehmen und seine neuen Untertanen, ebenfalls von Rasputin unterjocht, in die Freiheit zu führen.

Und damit zeigt sich schon eine leichte Ahnung davon, wie schräg dieser Film wirklich ist. Knutsen und Ludwigson sind zwei mehr als eigenartige Charaktere, die auf die Reise in ihrer Schienendraisine zur Sicherheit auch mal den Garderobenständer einpacken (man kann ja nie wissen). Sie verfallen spontan in Gesang, auch wenn sie in dem Seitenarm des Eisenbahntunnels, den sie bewohnen, eigentlich niemand hört – außer natürlich das Kinopublikum, das sie auch am Anfang direkt ansprechen … um es dann für den Rest des Filmes bis zum Abspann wieder zu vergessen.

Zwei Freunde und ihr Dachs ist voll von solchen Momenten, die etwas bezugslos im Raum stehen bleiben. Auf der Reise zu Rasputins Schloss folgt einer Verfolgungsjagd die nächste, dazwischen Abstürze und Abenteuer – und dann sitzen die zwei Herren samt Amanda plötzlich auf einem Vergnügungspark im Rachen eines künstlichen Wals fest, wo erstmal freundlich-wirre Unterhaltungen mit den örtlichen Geistern einsetzen. Und das ist noch nicht das bizarrste, was an dieser Stelle passiert.

Sivertsen Animationsstudio Qvisten ist auch für so wunderbare Stop-Motion-Kinderfilme wie Louis & Luca – Das große Käserennen oder den musikalisch ähnlich eingängigen Im huckligen buckligen Wald verantwortlich; durch den Übergang zu rein computergenerierten Bildern in Zwei Freunde und ihr Dachs lässt Sivertsen sich aber nicht zu fotorealistischer Anschaulichkeit drängen, sondern nutzt sie im Gegenteil dazu, das Konzept von Körperlichkeit aufzulockern und fast schon dekonstruktiv ins Groteske zu ziehen.

Da wird einem von Rasputins Schergen eine geradezu übertrieben und phallisch verlängerte Nase abgebissen (und wieder angeklebt), die Untertanen des Möchtegern-Diktatoren tragen seltsam zweigeteilte Köpfe auf ihren Schultern, und auch die Gesetze der Physik dürfen in diesem Universum eher als Denkanstöße denn als unumstößlich gelten. So weit, so wunderbar und bizarr.

Leider werden die äußerlichen Schwenks in Handlung und Naturgesetzen nicht mit ähnlich unvorhersehbaren Charakteren ergänzt; und auch nicht durch überhaupt nur minimal komplexe Figuren. Knutsen und Ludwigson sind halt schräg, streitend und eigentlich guten Willens, Amanda ist resolut und pragmatisch, ihr Vater außer als Wissenschaftler völlig nutzlos, die Schergen sind Schergen, die Untertanen auch ohne Gedankensteuerungsserum eher einfallslos. Und Rasputin, ach Rasputin schreit halt rum.

Überhaupt muss sehr oft Geschrei als Platzhalter für echte Emotion herhalten – das kann Sivertsen, das kann Qvisten Animation besser. Und so ist leider Zwei Freunde und ihr Dachs wenig mehr als eine Aneinanderreihung von mal witzigen, mal brillanten, mal sehr, sehr langweilig-überdrehten Szenen. Die ganze Sequenz um den künstlichen Wal etwa ist zum Glucksen großartig, der actionreiche Showdown mit Rasputin – inklusive Raketenstart und Weltraumausflug – zwar groß angelegt, aber nur fad.

Andererseits: So einen norwegischen Irrsinn, den sollte sich Pixar erst einmal trauen.

Zwei Freunde und ihr Dachs (2015)

Die junge Dame Amanda fällt auf ihrer Flucht den beiden Freunden Knutsen und Ludwigson im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße. Ihr Vater, ein genialer Wissenschaftler, wird von dem Bösewicht Rasputin gefangen gehalten. Dieser möchte ihn zwingen, ein Gedankenkontrollserum zu erfinden. Zusammen mit ihrem cleveren Dachs müssen die beiden Freunde den Eisenbahntunnel in dem sie leben hinter sich lassen, und Amanda helfen, ihren Vater zu retten.

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