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„Star Trek: Lower Decks“ widmet sich nicht den Entscheidungsträger_innen, sondern den niedrigen Rängen auf einem Schiff der Sternenflotte – und liefert animierte, detailverliebte SciFi-Comedy.

Star Trek: Lower Decks (TV-Serie, 2020)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Underdogs der Sternenflotte

Die Besatzung des Raumschiffs Enterprise drang immer wieder in Galaxien vor, „die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“ – und wir erlebten die Abenteuer in erster Linie aus Sicht der Ranghöchsten mit: des Captains, des Ersten Offiziers, des Arztes. Auch in den Star-Trek-Serien, die auf „Raumschiff Enterprise“ (1966-1969) folgten, standen stets die Crew-Mitglieder im Zentrum, die Entscheidungsgewalt besaßen, die wirksam auf der Schiffsbrücke agierten, im Maschinenraum, auf der Krankenstation oder bei oftmals gefährlichen Außenmissionen. Wir nahmen die Rollen der unverzichtbaren Held_innen ein, die intergalaktische Konflikte mal mit Intuition, mal mit Intellekt lösen mussten, die sich kraftvoll gegen Bedrohungen zu wehren wussten und zumeist höchst edel als Retter_innen aus jeder Situation hervorzugehen vermochten.

Aber was ist eigentlich mit den Personen am Bildrand, die zwar über keinerlei Autorität verfügen, doch zweifelsohne ihren kleinen Beitrag zum Gelingen einer Mission beitragen? Die sogenannten Ensigns, die frisch von der Sternenflotte kommen und sich erst noch beweisen müssen? Über die meisten von ihnen erfährt man im Star-Trek-Universum kaum etwas. Einige wenige, etwa Wesley Crusher in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (1987-1994), erhielten eine größere Bedeutung; im 2017 gestarteten Ableger Star Trek: Discovery wurde Ensign Sylvia Tilly jüngst gar kurzerhand zur Ersten Offizierin befördert. Jedoch blieben dies Ausnahmen – überdurchschnittlich Begabte, Wunderkinder, die zur Not in der Lage sind, das ganze Schiff durch supernerdige Einfälle zu retten. Die eher unscheinbare Krankenschwester, der stille Ingenieur – Figuren wie diesen waren und sind in der Regel nur die Ränder vorbehalten. Einzig in einer Episode der siebten Staffel von Das nächste Jahrhundert rückten sie einmal in den Mittelpunkt. Der Titel der Folge lautete Lower Decks – so wie nun auch die neueste Serie des Star-Trek-Franchises heißt.

Star Trek: Lower Decks ist ein Zeichentrickformat. Bereits in Die Enterprise (1973-1974) begab sich das Franchise kurzzeitig in animierte Gefilde, allerdings recht erfolglos. Unter der Leitung von Mike McMahan gelingt der Transfer des Live-Action-Kanons in gezeichnete Welten indes überaus stimmig. In den zehn Episoden der ersten Staffel mixt die Serie Comedy mit SciFi-Spannung und bewegt sich dabei gekonnt zwischen Futurama-Anarchie und klassischen Star-Trek-Elementen. Bei aller Albernheit wird der Geist von Gene Roddenberry, dem Erfinder des Stoffes, nicht verraten. Es geht nach wie vor um Erforschung, Friedensstiftung, Zusammenhalt – nur läuft alles etwas weniger erhaben, zuweilen in derberer Sprache als gewohnt ab.

Das zentrale Quartett der Serie besteht aus der Rebellin Beckett Mariner, dem ehrgeizigen, aber ziemlich tollpatschigen Brad Boimler, der neuen Krankenstationsmitarbeiterin D’Vana Tendi und dem Ingenieur Samanthan Rutherford, der gerade erst Cyborg-Implantate erhalten hat. Die vier Rookies dienen auf der U.S.S. Cerritos im Jahre 2380 – eine Dekade nach dem Ende von Das nächste Jahrhundert und knapp zwei Dekaden vor den Geschehnissen in Star Trek: Picard. Sie stehen unter dem Kommando von Captain Carol Freeman, der Mutter von Mariner (was beide jedoch vor der restlichen Crew zu verheimlichen versuchen). Zum Team zählen ferner Commander Jack Ransom, Erster Offizier und Möchtegern-Womanizer, Lieutenant Shaxs, cholerischer Sicherheitschef und Bajoraner, und Dr. T’Ana, ein grummeliges Katzenwesen und Herrscherin über die Krankenstation.

Das Personal ist zugespitzt gestaltet, darf im Laufe der Staffel aber auch immer mal wieder überraschende Facetten offenbaren. Das Außergewöhnliche an Star Trek: Lower Decks ist zum einen die verblüffende Gewöhnlichkeit der Aufgaben, denen die vier Hauptfiguren nachzugehen haben: Statt wichtige Entscheidungen zu treffen, müssen sie den Konferenzraum säubern, den Müll entsorgen, technische Mängel beheben oder Tests durchführen. In die großen Missionen werden sie häufig eher zufällig (teilweise sogar unfreiwillig) hineingezogen. Zum anderen sind nicht nur die vier Protagonist_innen deutliche Underdogs, auch das Schiff gehört nicht unbedingt zur Spitze der Sternenflotte: „Rarely going where no one has gone before“, lautet eine ironische Werbezeile zur Serie, die das Pathos von Raumschiff Enterprise untergräbt. Die U.S.S. Cerritos ist – anders als die Enterprise – weniger für den Erst- als vielmehr für den Zweitkontakt mit neuen Spezies zuständig.

Dieser erfrischend unaufgeregte Ansatz hält McMahan und dessen Team selbstverständlich nicht davon ab, auf wilde Action-Momente gänzlich zu verzichten. Es kommt unter anderem zum Ausbruch einer Epidemie und zur Attacke von erbosten Aliens, die sich durch ein Missverständnis beleidigt fühlen. Oft werden indes auch einfach die Beziehungen der Figuren verhandelt – etwa die Freundschaft zwischen Mariner und Boimler, einem typischen odd couple. Das Holodeck wird derweil für originelle Ideen genutzt, wenn sich Mariner zum Beispiel als Antagonistin imaginiert und gegen die eigene Mannschaft vorgeht. Die Episoden wimmeln von Hinweisen auf den Star-Trek-Kanon, mal inmitten der Schnellfeuerdialoge, mal in winzigen Details im Hintergrund – und mal in Form erfreulicher Gastauftritte, so etwa von Über-Bösewicht Q (gesprochen von Original-Schauspieler John de Lancie). Trotz aller Insider-Gags bietet Star Trek: Lower Decks aber auch für Neulinge gute Unterhaltung, die zwischen liebevoller Dekonstruktion des Originals, sympathischem Humor und gekonnter Animation ihren eigenen Weg findet.

Star Trek: Lower Decks (TV-Serie, 2020)

Zeichentrickserie über die Unterstützungsmannschaft eines der weniger bekannten Schiffe der Sternenflotte.

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Meinungen

Chris · 27.01.2021

Die Comedy-Serie die mehr Star Trek ist als Discovery und Picard zusammen.
Eigentlich echt traurig. Aber als Fan von VOX und TNG fand ich Lows Decks super...