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Die Zeichnungen des Künstlers Simon Stålenhag wurden von Amazon Prime verfilmt. Reicht die Vorlage und deren imaginative Kraft aus, um eine Serie nicht nur optisch, sondern auch narrativ auszustatten?

Tales from the Loop (TV-Serie, 2020)

Eine Filmkritik von Bianka-Isabell Scharmann

Weder noch

Drei massive Türme überragen die höchsten Baumwipfel, ein Eingangstor, bewacht von einem einzelnen Wachmann: der Loop, die unterirdische Forschungsstation, die alles Leben in Mercer, Ohio prägt, ist bis auf diese Äußerlichkeiten unsichtbar. Die Arbeit der Mitarbeiter*innen geschieht im Verborgenen. Doch die Präsenz des Loop prägt die Architektur der Häuser, die Leben der Menschen, die Energiegewinnung, die Design-Formen – jeder Aspekt ist „geloopt“.

Aus Wohnhäusern ragen Rohre heraus, die auf einen massiven Computer hinweisen sollen, seltsame antennenähnliche Gebilde stehen in der Landschaft herum, mysteriöse Kugeln liegen irgendwo im Wald und lassen den Körper tauschen, ein „Echolot“ kann dir sagen, wie alt du wirst – Tales from the Loop erschafft eine eigene Realität. Die Zeit der Serie ist ebenfalls wenig lokalisierbar, sie erinnert aufgrund der Kleidung und des Set-Designs an die 1980er, aber auch die 1960er Jahre, es gibt stark futuristische Elemente und auch das Schnurtelefon in der Wand. Die Eigenzeitlichkeit ist wirklich schön anzusehen. Doch schafft es die Serie auch, in diesem Setting durch Handlung, Charaktere und Themen zu überzeugen?

In Tales from the Loop werden Geschichten erzählt, die in großer Nähe zum Loop passieren, durch dieses beeinflusst sind – direkt oder indirekt –, basierend auf den fantastischen Science-Fiction-Zeichnungen Simon Stålenhags, einem schwedischen Künstler. Amazons Prestigeprojekt versucht, diesen Leben einzuhauchen, die Bilder mit Geschichten zu animieren und zu verbinden – ein ehrgeiziges Ziel: denn die Bilder des Künstlers laden zwar zum Betreten einer fremdartigen Welt ein, zum Hineinimaginieren, ihnen fehlt jedoch eine kohärente Narration. Sie zeigen keine fertig ausgearbeiteten Charaktere, sie erzählen keine mitnehmenden Geschichten. Wo man in Zeichnungen eines Künstlers noch Imagination investieren kann, ist dies bei einer Serie, der das Wunderbare trotz der potenziell fruchtbaren Ideen alle wirkliche Neuheit abgeht, kaum möglich.

Die Serie ist weder genug Science-Fiction, um die Fans des Genres abholen zu können, denn vieles hat man schon genug oder in verschiedener Variation gesehen: Zeitreisen, Paralleluniversen, eine Bandbreite an Robotern, außerirdische Materie, um nur einige Aspekte zu nennen. Die Denkansätze sind spannend, vieles bleibt jedoch zu vage, als dass es die Fantasie wirklich beflügeln könnte. Noch ist Tales from the Loop genug mit- und einnehmende Fabel von den großen menschlichen Themen, um die es zu gehen scheinen soll: was macht eine gute Mutter aus, Wünsche und Sehnsüchte von Teenagern, Tod, welches Leben ist lebenswert, Schicksal, Liebe. 

Denn die Struktur der Geschichten irritiert: nicht die Zeitsprünge sind problematisch, sondern die Motivation, bestimmten Charakteren einen eigenen Entwicklungsstrang zu geben, der dann lose über mehrere Folgen verfolgt wird, anderen wiederum eine ganze Folge zu widmen. Es ist weder eine Anthologie-Serie wie Black Mirror, noch eine dramaturgisch-motivierte Serie, die einer Familie folgt. Was an und für sich nicht schlimm wäre, wenn die Charaktere besser ausgearbeitet wären. Denn, dass es einem Vater und einer Mutter wirklich nicht auffällt, dass nicht ihr Sohn, sondern dessen bester Freund nun in dem Körper des Sohnes bei ihnen wohnt, das ist doch nur sehr schwer zu glauben – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.

Leider leistet sich Tales from the Loop dann außerdem das ein oder andere Geschlechterklischee, wenn ein Mann sich beispielsweise seine eigene Männlichkeit beweisen muss, seine Frau nichts weiter dazu beizutragen weiß, als ihm Vorwürfe zu machen und ihm zu zeigen, was für ein armes Würstchen er doch ist. Es gibt keinen Twist, der diese Konstellation subversive aufbrechen und entlarven würde. Dann gibt es die zu viel arbeitende Mutter (Rebecca Hall), die keine Zeit für ihre Kinder hat, den Großvater (Jonathan Pryce), der ein schwieriges Verhältnis zu seinem Sohn, aber natürlich ein gutes zu seinem Enkel pflegt – Geschichten, denen auch hier kein neuer Aspekt abgewonnen wird. Da reicht das Science-Fiction-Setting einfach nicht aus. 

Trotz der exzellenten Besetzung – Rebecca Hall (Parade’s End) und Jonathan Pryce (Die zwei Päpste) –, der Ausstattung, für die Philip Messina (Die Tribute von Panem) verantwortlich zeichnet und auch Jodie Foster, die in einer Folge die Regie übernimmt und der zugegeben wirklich schönen Musik von Philip Glass, fehlt es Tales from the Loop an etwas, man könnte es ein inneres Leuchten nennen, das versteht, uns nicht nur optisch und auditiv, sondern auch narrativ mitzunehmen. 

Tales from the Loop (TV-Serie, 2020)

Die achtteilige Serie „Tales from the Loop“ erzählt von einer Stadt, in der eine gigantische Maschine (eine Art Teilchenbeschleuniger) steht, die dabei helfen soll, die Mysterien des Universums zu enthüllen. Die Serie basiert auf den Kunstwerken und Büchern des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag.

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Meinungen

Jend Prausnitz · 04.05.2020

Das tut der Serie ein bisschen unrecht, möchte ich meinen, zumindest greifen einige der Kritikpunkte zu kurz. (Vorsicht Spoiler) Gerade Väter und Mütter, die einen Teenager im Haus haben durchaus hin und wieder den Eindruck, dass im Körper ihres Kindes ein anderer steckt. Das könnte man sicher betonter herausarbeiten, aber andere Aspekte sind hier wichtiger, eben jene Familie des besten Freundes mit der stummen Schwester, zu der er erst so eine engere Bindung entwickelt. Dann ist es auch gerade der Vater dort, der das anfängliche Geschlechterklischee überwinden lernt, und seine eigene als unzulänglich empfundene Männlichkeit als ausreichend wahrnehmen muss, von dem eben nicht erwartet wird alle zu retten. Seine Frau muss dazu nichts beitragen, was ebenfalls den gängigen Klischees entgegen läuft. Und in der letzten Folge hat diese Familie sogar ihr eigenes Happy-End im Hintergrund. Da ist genau einer der Twists, die eingefordert werden, und werden trotz der ruhigen, sich Zeit nehmenden Erzählweise übersehen.

Apropos Twist: Nach der letzten Folge unbedingt nochmal die erste schauen, also im Loop. Dann ergibt das zentrale “Tale” um Loretta (Rebecca Hall) nämlich erst wirklich Sinn, und sind alles andere, als ein hohles Versprechen. Das ist zutiefst berührend, und dafür sollte man sich entsprechend viel Zeit nehmen. Wie für die Kindererziehung auch.