Wuthering Heights (2011)

Taktiles Körperkino

Fans von Emily Brontes Buch „Die Sturmhöhe“ werden von der aktuellen Verfilmung dieses Literaturklassikers vielleicht enttäuscht sein. Denn die britische Regisseurin Andrea Arnold entfernt sich radikal von der bisher üblichen Art diesen Stoff in Bilder zu packen. Sie interessiert sich nicht für Zeitgeist und Ausstattung, sondern versucht an den ewig gültigen Kern dieser Geschichte über verschmähte Liebe, Rache und Erniedrigung zu gelangen. Ihre Vision der „Wuthering Heights“, das ist daher vor allem ein im 1.33 Format gedrehtes, entdialogisiertes und bildgewaltiges Realismusexperiment. Das wirkt zwar roh und ungewohnt, aber genau darin liegen der ganze Reiz und die Leistung dieses Werkes.

Arnolds Ansatz besteht zunächst darin, die Vorlage von ihren romantischen Ausschweifungen zu befreien, ohne dabei den Ablauf oder die Struktur der Erzählung zu verletzten. Die Geschichte um den Waisenjungen Heathcliff (Solomon Glave / James Howson), der von einer britischen Großgrundbesitzer-Familie aufgezogen wird, sich unglücklich in deren Tochter Cathy (Kaya Scodelario / Shannon Beer) verliebt und dann in einen Kreislauf von Klassenunterdrückung, Verachtung und Verrat gerät, bleibt erhalten. Nur erzählt Arnold dies allein durch Bilder. Die Figuren bewegen sich in der gewaltigen und allwissenden Natur wie verlorene Punkte auf einer weißen Fläche. Arnold reichen wenige Einstellungen, um die Liebe zwischen den beiden Kindern zu skizzieren, um zu zeigen, dass diese Gefühle nicht erwünscht sind und gegen ungeschriebene Gesetze verstoßen. Wenn die hypnotisch-kalten Bilder des Kameramanns Robbie Ryan mal verwackelt-dynamisch und dann wieder klar und poetisch den Bewegungen der Charaktere folgen, werden die komplexen Konflikte und Beziehungen zwischen den Figuren allein auf ihre pure Körperlichkeit heruntergebrochen.

Wie schon in ihren vorherigen Werken arbeitet Arnold mit Newcomern vor der Kamera. Sie nutzt die Unerfahrenheit der nicht-professionellen Darsteller, um ihre Natürlichkeit und Unschuld in die Geschichte einzuweben. Zudem hat sie beschlossen, die Rolle des Heathcliff mit einem schwarzen Schauspieler zu besetzen, was die politische Komponente des Films erhöht. Die Unterdrückung und Beleidigungen die Heathcliff erfährt und wie er sich Jahre später an der ganzen Familie samt seiner geliebten Cathy rächt, erhält so eine eindrückliche Aktualität, die es schwer macht, während des Films nicht an die Jugendkrawalle in England zu denken, deren Ursachen in diesem Stoff aus dem 19. Jahrhundert fast vorweggenommen zu sein scheinen.

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass sich die Regisseurin von Red Road und Fish Tank mit ihrem neuesten Film auch stilistisch weiterentwickelt hat. Zwar bleibt sie weiterhin ihrem realistischen – manchmal sogar hyperrealistischen – Inszenierungsanasatz treu, doch weicht dieser in Wuthering Heights einem Minimalismus, der stark an die aktuellen Arbeiten einer Kelly Reichardt (Meek’s Cutoff) erinnert. Arnolds Konzept kann sich zwar nicht über die gesamte Länge des Films behaupten, doch dieser beeindruckt dennoch vor allem durch die ungeheure Sensibilität, mit der die Filmemacherin es schafft, Emotionen und Leidenschaften zu visualisieren. Nahaufnahmen von Handgelenken, Nackenhaaren, Pferderücken und Laub im Schlamm – das reicht, um an den Kern der Vorlage und damit auch zum Wesen aller Dinge vorzudringen.

(Festivalkritik Venedig 2011 von Patrick Wellinski)

Wuthering Heights (2011)

Fans von Emily Brontes Buch „Die Sturmhöhe“ werden von der aktuellen Verfilmung dieses Literaturklassikers vielleicht enttäuscht sein. Denn die britische Regisseurin Andrea Arnold entfernt sich radikal von der bisher üblichen Art diesen Stoff in Bilder zu packen. Sie interessiert sich nicht für Zeitgeist und Ausstattung, sondern versucht an den ewig gültigen Kern dieser Geschichte von verschmähter Liebe, Rache und Erniedrigung zu gelangen.

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