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Hal (Timothée Chalamet) säuft und vögelt sich durch das England des 15. Jahrhunderts bis ihn seine Bürde doch erreicht. Er wird Heinrich V. und erbt ein zerstrittenes Land und den Thron an einem Hof, an dem Berater und Vipern nicht zu unterscheiden sind. Nur einen Freund hat „The King“: Falstaff (Joel Edgerton).

The King (2019)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Vanitas

Ein ganz anderer König wird er werden, verkündet der junge Hal (Timothée Chalamet) am Todesbett seines Vaters, Heinrich IV. Er erbt ein Land, das erschöpft ist von Kleinkriegen zwischen Schottland, Wales und England und das keine Lust mehr hat auf die Paranoia seines Oberhaupts. Doch wer solche Proklamation ausstößt, der zieht unweigerlich den Fluch auf sich und wird vielleicht doch so enden, wie der eigene Vater. Schließlich basiert auch David Michôds Film „The King“ im Kern auf den shakespearschen Texten aus Heinrich IV. & Heinrich V.

Doch das macht das Werk noch lange nicht zu einem weiteren Shakespeare-Historienfilm. Vielmehr dient die Figur und ihre Geschichte nur als Rahmen einer kompletten Neuinterpretation, die sich zwar alter Ideen bedient, diese aber erneuern und ins 21. Jahrhundert bringen will. So ist der Umgang mit den historischen Fakten eher entspannt, die Nutzung der Sprache ebenso. Einmal runderneuert quasi, um eine Geschichte zu erzählen von Männern, die Macht haben und deren Eitelkeit und Größenwahn zusammen mit einem gute Schuss Paranoia nichts anderes bringt als den Tod und das Elend und das Leid der eigenen Leute. So gesehen kommt The King zur rechten Zeit, als Parabel, die an so manchen derzeitigen Machthaber erinnert.

Dabei will er, Hal, gar kein König sein. Lieber hurt und säuft er sich durch die Gassen Englands, zusammen mit seinem Kumpel Falstaff (Joel Edgerton), einem abgewrackten Ritter, der unter Richard dem II. diente. Gänzlich abwenden kann er sich von seiner Familie jedoch nicht, auch wenn diese lieber den Mantel des Schweigens über das schwarze Schaf der Familie legt. Als sein Vater, Heinrich IV (Ben Mendelsohn) im Sterben liegt und dieser den jüngeren Bruder Hals in einem seiner sinnlosen Kriege verheizt und verloren hat, muss er ihn doch antreten, den Weg, den er nie wollte. Hal findet sich wieder an einem Hof voller Speichellecker und Vipern, die ihn für unwürdig halten. Einzig sein Berater William Gascoigne (Sean Harris) scheint auf seiner Seite. Doch wem kann man schon wirklich trauen?

Hal selbst will vor allem Frieden. Für sich selbst und für das Land, das unter seinem Vater in unzähligen Kleinkriegen fast ruiniert wurde. Doch sein Plan wird durchkreuzt vom französischen König, der ihm einen Assassinen auf den Hals hetzt. Isoliert, irritiert und zerfressen von Selbstzweifeln aber auch gekränktem Stolz holt sich Hal seinen Freund Falstaff in sein Team, denn er ist der Einzige, dem er trauen kann. Zusammen ziehen sie in den Krieg, bei dem sie alsbald auf den völlig fanatischen französischen Prinzen Dauphin (Robert Pattinson) treffen, der Hal abermals kränkt und bei der Ehre packt.

Michôds The King gelingt die Erneuerung des Stoffes im Grunde schon, konzentriert er sich doch vor allem auf eine Handvoll unterschiedlicher Männer, die mit dem bisschen Macht, die sie haben sehr unterschiedlich umgehen. Doch genau hier merkt man, dass die alte Garde um Mendelsohn, Harris und Edgerton doch mehr Ambivalenz und Tiefe in ihrer Darstellung zu bieten hat, als Chalamet und teils auch Pattinson es tun. Ihre Figuren sind alt und zerfressen vom Chaos des Lebens und den Höhen und Tiefen, den Ungereimtheiten und Banalitäten, die in Krisen umschlagen. Sie haben viel gesehen und gehen damit unterschiedlich um. Während Falstaff hier viel weniger fetter Säufer und viel mehr reflektierter Kriegsunwilliger ist, bringen vor allem die Figuren des schlangenzüngigen Beraters Gascoignes und des prototypischen Wahnsinnigen Heinrich IV. alle Varianten des Elends ins Spiel, die Menschen befallen, wenn sie sich von Macht und Krieg und Tod korrumpieren lassen. Doch tragen soll und muss diesen Film dann doch die Hauptfigur des widerwilligen Königs, die ganz bei Chalamet liegt.

Doch funktionieren mag das nur bedingt. Sein Heinrich V. ist vor allem einer, der mit versteinertem Gesicht in verzweifelter Denkerpose sitzt und schaut. Oder, der vor Hass eiskalt erstarrt und in seinem Namen Unheil verteilt. Doch so recht wollen sich die vielen und ihn zerreißenden inneren Momente, die man aus den Shakespeare-Originalen kennt, so nicht transportieren lassen. Vielmehr scheint dieser Heinrich schaumgebremst, stoisch und allzu wenig seelisch ambivalent. Und auch sein Gegenpart, Prinz Dauphin, hilft hier nicht weiter. Im Gegenteil. Pattinsons Prinz, der mit französischem Akzent in Englisch spricht, ist so dermaßen stark als Wahnsinniger gezeichnet, dass er zur Parodie seiner selbst gerät.

Hinzu kommt, dass Michôd auf Bildebene nichts zu erneuern weiß. Stets in entsättigten, schmutz-grauen Farben gehalten, wiederholt der Film das klassische Repertoire des Bilderreigens, den man aus solchen historischen Filmen kennt. Da hilft auch nicht viel, dass die großen Kämpfe im Schlamm und in Zeitlupe ausgetragen werden, es ist und bleibt der gleiche Brei, der sich bei aller Erneuerung im Spiel und in der Sprache alt und entfernt anfühlt und sich nicht so recht transportieren will. Dies zieht sich durch den ganzen Film, der vielversprechend frisch beginnt, um dann doch ganz klassisch zu werden und zu bleiben. Und so bleibt er eher klein, dieser Heinrich V., eher medioker und nicht wirklich kinogroß und gewaltig.

Das kann man schade finden. Oder eben auch nicht, ist The King als Netflix-Eigenproduktion doch für den Streaming-Dienstleister und nicht für die große Leinwand gemacht. Insofern passt es dann vielleicht schon wieder.

The King (2019)

Erzählt wird von den Konflikten zwischen Prinz Hal alias Heinrich V. (verkörpert von Chalamet) und des Dauphin von Frankreich (gespielt von Pattinson). Letzterer weist den Anspruch des jungen Mannes auf den französischen Thronzurück, woraufhin dieser Frankreich erobern will.

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Meinungen

Gunter · 09.05.2021

Ich fand den Film auch gut, eben etwas anders als normale und hochglanzpolierte oder epochale Hollywood Verfilmungen der Ritterzeit. Gute Schauspieler, Chalamet vor allem. aber auch andere Schauspieler und auch Pattinson als arroganter, irrer Königssohn fand ich gut. Ein tiefsinniger, manchmal schwermütiger Film, bei dem der Rollenwandel und dann die Last des jungen Königs im Vordergrund stand. Mit den langen Haaren gefiel er mir zu Beginn des Films besser, später wirkte er mir zu bubihaft und verlor an Ausstrahlung. Trotzdem insgesammt ein sehenswerter Film.

Thaddäus · 10.10.2020

Also ich war wirklich begeistert. Die ganze Stimmung des FIlms ist authentisch, und Chalamet spielt wirklich toll.
Aber ich bin ja nur ein Amateur Kritiker :)

Hoschi · 11.09.2020

Diese Kritik ist so abgehoben! Natürlich ist Pattinson der Müll, den man erwartet! Ansonsten ist der Film Stimmungsvoll und musikalisch zur epochalen Zeit sehr stimmig!!

Maria Michels · 05.11.2019

Guten Tag,
ich möchte Sie auf einen Fehler in Ihrer Kritik von „The King“ hinweisen. Bei dem von Ihnen genannten französischen „Prinzen Dauphin“ handelt es sich um den Thronfolger. Alle Thronfolger wurden in Frankreich als „Dauphin“ bezeichnet. In diesem Fall handelt es sich um den Dauphin Carl.
Mit freundlichen Grüßen, Maria Michels