Redacted (2007)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die Fiktion der ebenfalls fiktiven Dokumentation

Die häufigen und schwerwiegenden Konflikte zwischen den US-amerikanischen Truppen im Irak und der Zivilbevölkerung bildeten schon oft den Ausgangspunkt für unmenschliche, tödliche Eskalationen. Beschäftigt sich Battle for Haditha des britischen Regisseurs Nick Broomfield mit den entsetzlichen Kriegsverbrechen in Haditha im Jahre 2005, widmet sein US-amerikanischer Kollege Brian de Palma seinen Film Redacted dem so genannten Massaka von Mahmudiyya, wo ebenfalls einige Menschen durch verbrecherische Übergriffe von Seiten dort stationierter Soldaten sterben mussten.

Redacted bezeichnet sich als eine visuelle Dokumentation fiktiver Geschehnisse vor, während und nach den brutalen Ereignissen vom 12. März 2006, als US-amerikanische Streitkräfte ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigten und ihre Familie töteten. An dieses Verbrechen schlossen sich Racheaktionen irakischer Rebellen an, die sogar mit einer Kamera aufgezeichnet wurden, bei denen wiederum Soldaten ermordet wurden. Die Handlung, die eine Truppe von Soldaten begleitet, von denen einer den Alltag des bisher recht ruhigen Einsatzes in einem Videotagebuch filmt, ist in eine vielschichtig inszenierte französische Dokumentation über einen Kontrollpunkt eingebettet, die mit der Geschichte korrespondiert – ein ganz eleganter Kunstgriff, der den Aspekt des Anscheins der Authentizität gleichzeitig betont und kritisch hinterfragt. Sehr differenziert werden die Ambivalenzen der jungen Männer herausgearbeitet, die sich lediglich vage über den Sinn und Zweck ihres Aufenthalts in diesem traumatisierten Land bewusst sind und nur bedingt in der Lage, ihrer enormen Verantwortung gerecht zu werden, auf die sie offensichtlich unzureichend vorbereitet wurden. Durch den Einsatz eindringlicher klassischer Musik erhalten die langen Einstellungen einiger Sequenzen einen geradezu surrealistischen Charakter, der den Anschein erweckt, Unsagbares und Unerträgliches mit akusitscher Melancholie zu überdecken.

Auf Grund desselben Entstehungsjahres und derselben Grundproblematik liegt es nahe, Redacted mit Battle for Haditha zu vergleichen, wobei Ersterer – was die offizielle Anerkennung anbetrifft – deutlich besser abschneidet: Brian de Palmas Drama erhielt den Preis der Jugendjury beim Amnesty International Filmfestival 2008 und den Silbernen Löwen sowie den Future Film Festival Digital Award in Venedig. Zeigt Battle for Haditha schon ausführlich drastische Bilder, so wird der Zuschauer bei Redacted mit beinahe noch grausameren Visualisierungen des Ausmaßes der militärischen Gewalt konfrontiert, wobei hier der dokumentarische Charakter ebenfalls noch stärker betont und reflektiert wird, worauf bereits der Titel anspielt. In beiden Filmen taucht das Bild des noch amtierenden US-Präsidenten George W. Bush in Fernsehauftritten auf, dessen Haltung zur Situation im Irak im Zusammenhang mit der filmischen Handlung geradezu absurd erscheint, womit der Fokus der jeweiligen Kritik dieselbe Ausrichtung erhält. Jede dieser fiktiven Bearbeitungen einer desolaten Realität im Irak, die beide in Jordanien gedreht wurden, wühlt den Zuschauer auf ihre eigene Art gewaltig auf, die eine wie die andere setzt sich ernsthaft und sorgfältig mit dem Themenkomplex auseinander und überzeugt durch eine aufwändige, stimmige Inszenierung. Battle for Haditha konzentriert sich deutlich stärker auf die Perspektive der Opfer, während Redacted durch die geniale Installation der fiktiven Dokumentation eine geschickt konstruierte Metaebene erschafft und die grauenhaften Bilder von Ermordeten ganz für sich sprechen lässt – zwei wichtige, gelungene Beiträge von hoher Relevanz und Brisanz, die sich deutlich gegen die US-amerikanische Irak-Politik positionieren.
 

Redacted (2007)

Mehr und mehr nimmt sich auch Hollywood dem Krieg im Irak an. Beim Filmfestival von Venedig wurde Brian De Palma 2007 für seinen Pseudo-Dokumentarfilm Redacted als Bester Regisseur ausgezeichnet.

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